500 bis 600 Gärten in der Schweiz kennt Sarah Fasolin (46). Die Journalistin spezialisierte sich auf Gartenthemen, nachdem sie selbst mit ihrem Mann westlich von Bern aufs Land gezogen war und sich dort in einem Haus mit viel Umschwung wiederfand. «Zum Glück sind wir im Winter eingezogen, so konnten wir uns ans Gärtnern herantasten», sagt sie.
In ihrem «Gartenführer Schweiz» beschreibt Fasolin nun die «330 schönsten Gärten und Parks». Es ist der umfassendste Führer, der alle Landesteile abdeckt. Das oberste Kriterium, um im Buch berücksichtigt zu werden: Der Garten muss besuchbar sein. «In den gezeigten Privatgärten können Private Inspiration finden», sagt sie.
Fasolin führte eine riesige Excel-Liste, sammelte Inputs zu Gärten in allen Kantonen. Sie habe sich stets die Frage gestellt, aus welchem Grund sie einen Besuch des Gartens empfehlen würde. Herausgekommen ist ein Gartenführer ohne Scheuklappen. «Für mich gehört in Gartenkultur alles hinein: Wo man mit Pflanzen einen Ort gestaltet, dort entsteht ein Garten.»
Soll Sarah Fasolin einen einzigen Garten empfehlen, den man in der Schweiz unbedingt kennen müsste, nennt sie zwei: die Merian-Gärten in Basel und das Château de Vullierens in der Nähe von Morges VD. Üppige Orte mit grosser Vielfalt. «Diese Gärten haben viel zu bieten, was eine Gartenreise attraktiv macht», sagt sie. Sammlungen, lauschige Plätzchen, naturnahe Bereiche, ein Café. «Das sind Orte, wo man während der Gartensaison immer hingehen kann.»
Eine kleine Gartenauswahl in Superlativen:
Der Konsequenteste
Keimt ein dahergeflogener Samen im Privatgarten Brunner in Mellingen AG und blüht in Blau, geht es dem Pflänzlein an den Kragen. Hier gehört nur Gelb, Orange und Rot hin. Der Kiesgarten ist vollkommen auf die Umgebung abgestimmt: Das Kies passt zur vorbeifliessenden Reuss; die Blumen und Büsche nehmen die Farben auf, die schon da waren, etwa das Gelb der Sonnenstoren. «Haus und Garten wirken in dieser Konsequenz sehr stimmig», sagt Gartenexpertin Fasolin.
Der Jüngste
Diesem Park in Zofingen AG sieht man an, dass seine jüngste Umgestaltung noch nicht lange her ist. Auf dem Areal eines früheren Friedhofs entstand zunächst ein 08/15-Park, weiss Sarah Fasolin. Dank grossem Engagement aus der Bevölkerung und viel ehrenamtlicher Arbeit kam es 2022 zur Neugestaltung. Der heutige naturnahe Rosengarten ist öffentlich zugänglich – und er wird rege besucht. Ein Teil des Gartens ist ein Schulgarten, wo Gemüse angepflanzt wird.
Der Unerwartetste
16 Meter ab Boden ist auf dem Dach einer Liegenschaft in Basel ein lauschiger Garten entstanden. Beim Dachgarten Geitlinger handelt es sich nicht etwa um eine Terrasse im vierten Stock, sondern um einen eigentlichen Garten mit Sträuchern, Bäumen, die Früchte tragen, Wasser, Plattenwegen und einer Pergola. «Der Zugang zum Garten erfolgt via eine schmale Treppe direkt aus der Wohnung. Die Mieterin ist eine passionierte Hobbygärtnerin», erzählt Fasolin.
Der Englischste
In Wenslingen BL findet sich vor einem 200-jährigen Bauernhaus ein Stück England: der Garten des Ehepaars Buess. Nach einer Englandreise im Jahr 2000 gestaltete das Paar den eigenen Garten komplett um, begeistert von den Sichtachsen, der natürlichen Wirkung bei durchdachtester Planung. «Ihr Garten orientiert sich am englischen Cottage Garden, hat aber seine eigene Handschrift und wirkt deshalb auch nicht fremd», sagt Sarah Fasolin.
Der Felsigste
Die Ausgangslage ist denkbar ungünstig, um einen Garten zu gestalten: Das Gelände ist felsig und steil. Doch davon liess man sich beim Garten der Villa Felsenburg in Evilard bei Biel BE nicht abhalten. Der heute denkmalgeschützte Garten ist schon etwa 100 Jahre alt und überrascht mit verwunschenen Wegen, einer Mischung aus Kultur- und Wildpflanzen, einer Grotte, Pergola, Faux-Bois-Bauten – und Figuren der Künstlerin Christine Lara Burri, die mit ihrem Mann Konrad in der Villa lebt.
Der Gastfreundlichste
Dieser Garten in Wichtrach BE will Besuch aus dem Tierreich! Er ist angelegt, um die Biodiversität zu fördern. «Auch einen naturnahen Garten kann man ästhetisch ansprechend gestalten», sagt Sarah Fasolin. Das zeige dieser Garten von Kathrin Bärtschi. Zur Fläche gehören ein Bauerngarten, Trockenmauern, Biotop, Kiesflächen, Magerwiesen, Schwimmteich, Nutzgarten. Hier fühlen sich unter anderem Mauersegler, Wildbienen und Geburtshelferkröte wohl.
Der Blütenreichste
Will man im Frühling Blüten in reicher Fülle erleben, muss man ins Tessin. Etwa in den Kamelienpark in Locarno. Die Bäume sind voller Blüten, der Boden ebenso. «Man badet quasi in Blüten und kann sich kaum sattsehen», sagt Gartenjournalistin Fasolin. Rund 1500 verschiedene Kamelien sind im Park direkt am See zu sehen. Wer von da aus noch weitere Frühlingsblüher sehen will: Im Botanischen Garten Gambarogno gibt es die grösste Magnoliensammlung der Welt zu sehen.
Der Kleinste
Ein Zaun, ein Baum, ein paar Nutzpflanzen. Obwohl dieser Garten am Julierpass winzig ist, ist er sofort als Garten erkennbar. «Das ist die Urfunktion eines Gartens: Etwas Abgeschlossenes, um die Welt innen gegen die Welt aussen bewahren zu können», sagt Sarah Fasolin. Generationen von Studierenden der Landschaftsarchitektur wurde aus diesem Grund ein Bild dieses Gartens bei Bivio GR gezeigt, womit dieser Winzling Promistatus erlangte.
Der Grösste
Dieser Garten hat ein eigenes kleines Tal: Das Arboretum bei Aubonne im Kanton Waadt ist die grösste solche Anlage in der Schweiz. Die Grundstruktur mit den Spazierwegen, Baumgruppen und freien Flächen wurde in den 1970er-Jahren von einem Landschaftsarchitekten gestaltet. Über 4500 Arten und Varietäten von Gehölzen wachsen hier und sind für Besucherinnen und Besucher ausgeschildert. Attraktiv ist die grosse Sammlung von Magnolien, Heckenrosen und Hortensien. Im Frühling erfreuen blühende Obstbäume das Auge, im Herbst die Farben der Laubbäume.
Der Höchste
In spektakulärem Setting auf dem Grat des Aussichtsbergs Rochers-de-Naye auf 2000 m ü. M. liegt der Alpengarten La Rambertia. Rund 1000 kalkliebende Pflanzen sind entlang eines Pfads oberhalb von Montreux VD zu sehen. Die Schweiz sei nie Trendsetterin gewesen in der Gartengestaltung, sagt Sarah Fasolin. «Aber wir haben Alpengärten entwickelt und in diesem Bereich einiges geleistet.» Sie wurden zum Schutz der Alpenpflanzen angelegt, die durch die Tourismusentwicklung in Bedrängnis geraten sind.