Es werde Licht! Als Gott die zukunftsweisenden Worte sprach, hatte man in Richterswil ZH schon alle Räben mit Kerzen bestückt. Nun gut, so alt ist der Brauch der Räbechilbi nicht, aber ein Publikumsmagnet ist das aussergewöhnliche Lichterfest allemal. Letztes Jahr strömten rund 18'000 Menschen aus der ganzen Schweiz an den Zürichsee, um dem Ereignis beizuwohnen.
Der grösste Lichterzug Europas
Denn der Umzug in Richterswil ist der eindrücklichste im Kanton Zürich, einer Region, in der die Tradition der Räbeliechtli stark verbreitet ist. Manch einer behauptet gar, es handle sich in Richterswil um den grössten Lichterzug Europas. Könnte stimmen: Die Einwohner verbrauchten letztes Jahr circa 28 Tonnen Räben, dies entspricht über 50'000 Stück!
Die weiss-rosa Wurzeln schmücken nicht nur die Häuser und Vorgärten des Dorfes. Sie werden vor allem genutzt, um grosse Bilder und Themenwagen zu beleuchten. An den Umzügen mit mehr als tausend Teilnehmern werden etwa vierzig verschiedene Sujets gezeigt. Darunter so spektakuläre Dinge wie Pendeluhren, überdimensionale Kaffeemühlen, ein Londoner Doppeldeckerbus in Originalgrösse oder mit leibhaftigen Wikingern besetzte Schiffe.
Seine Wurzeln hat der Brauch im 19. Jahrhundert, als man mit einer Lichträbe zum Chilbi-Gottesdienst ging; die gigantischen Bilder und 3D-Wagen entstanden aber erst ab den 1920er-Jahren.
«Zwischenlandung in Richterswil»
Ungefähr zwei Wochen vor dem Fest beginnt in der Zürcher Seegemeinde jeweils das grosse Hämmern, Bohren und Werkeln. Einer der Räbechilbi-Enthusiasten ist Walter Steiner. Der rüstige Rentner und sein Sohn Fabian stellen in ihrer Metallbaufirma das Grundgerüst für den Umzugswagen des Seeclubs her. Es zeigt eine stilisierte Möwe, passend zum diesjährigen Motto «Zwischenlandung in Richterswil».
Noch sieht die Möwe in ihrem Hasendrahtkleid nackt aus, doch das wird sich ändern. «Nun bringen wir das Gerüst zum Seeclub. Dort wird alles mit Stoff bespannt und kurz vor dem Umzug am 8. November mit Räben behängt», erklärt Walter Steiner das weitere Vorgehen. Letzteres ist nur den wahren Räbenmeistern erlaubt, zu gross ist die Gefahr, dass durch falsch platzierte Räben das Motiv zerstört wird.
Der Räben-Virus geht um
Schon mehr als zwanzig Jahre hilft Walter Steiner dem örtlichen Ruderverein beim Bau der Wagen. Und das hat einen guten Grund: Steiner war leidenschaftlicher Ruderer und ist dem Verein tief verbunden. Sein grösster Erfolg war die Teilnahme an den Olympischen Spielen von 1972 in München, wo er den elften Platz belegte. Während die Ruderkarriere nur einige Jahre dauerte, spürt Steiner die Liebe zur Räbechilbi seit Kindheitstagen. «Schon als Kind bin ich mit meinem Einzelräbchen am Umzug mitmarschiert.» Das liegt zwar 60 Jahre zurück. Dennoch sieht man dem lebenserfahrenen Mann die kindliche Freude noch an.
Ähnlich erging es Daniel Wohlwend. Der 36-jährige ist beim Verkehrsverein Richterswil/Samstagern für die Organisation der Räbechilbi verantwortlich. Auch er machte die klassische Räbenkarriere durch: Einzelräbe, Leiterwagen, grosse Sujets. «Es ist ein Virus», gesteht er.
Und wenn man mit ihm die Umzugsstrecke abläuft, merkt man schnell, dass es für ihn wohl kaum ein Gegenmittel gibt. Sein eigenes Haus schmückt der Räbechilbi-Chef mit 400 Räben. «Es ist Ehrensache, dass alle Häuser entlang der Strecke geschmückt sind. Das macht unsere Chilbi zu etwas Besonderem». In manchem Mietvertrag ist das Schmücken sogar rechtlich vorgeschrieben. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, damit es auch dieses Jahr wieder heisst: «Und Gott sah, dass es gut war.»
Wann
Samstag, 9. November. Marktstände und Musik ab 15 Uhr, Umzug ab 18.30 Uhr.
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