Das Echo ist ein Segen. Es verstärkt das erbärmliche Röcheln, das aus meinem Alphorn kriecht, zu einem halbwegs passablen Klang. Hinter uns erhebt sich die Flanke der Schrattenfluh, Nebel zieht über das Moor, Kuhglockenklänge wehen herüber – eine archaische Urlandschaft ist das, das Entlebuch im Westen des Kantons Luzern. Und mittendrin stehe ich mit einem Alphorn und fühle mich hilflos. Weil die Natur so gewaltig ist – und weil das Alphorn störrisch ist wie ein Steinbock. Was habe ich auch erwartet, so völlig ohne Vorkenntnisse bei einem Alphorn-Schnupperkurs?
Althergebrachter Brauchtum
Angeboten wird der Mini-Lehrgang von der Unesco-Biosphäre Entlebuch, in der man sich für einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen verpflichtet hat. Das schliesst nicht nur die Natur mit ein, sondern auch die Pflege von althergebrachtem Brauchtum. Deswegen werden verschiedene Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene angeboten – so wie in immer mehr Regionen der Schweiz. Wer möchte, kann mittlerweile Fahnenschwingen, Hornussen, Schnitzen, Jodeln und eben auch Alphornblasen erlernen.
«Das Alphorn führt mich zurück zu meinen Wurzeln»
In einer globalisierten Welt geben Brauchtum und Traditionen wieder ein Gefühl von Heimat. «Das Alphorn führt mich zurück zu meinen Wurzeln», beschreibt Kursleiter Bruno Zemp seine Liebe zum schweizerischen Nationalinstrument. «Alphörner erwecken starke Gefühle.» Erdig, mystisch, vertraut klingt es, wenn Zemp ein Volkslied vorspielt. Meine ersten Versuche erinnern jedoch eher an einen röchelnden Elefanten.
«Wichtig sind drei Dinge», so Zemp. «Eine gute Körperhaltung, eine fundierte Atmung und die richtige Lippenstellung.» Ich konzentriere mich zunächst auf die Lippen und treffe die ersten drei Töne – die einfachsten von 16, die ein Alphorn hergibt. Immerhin. Schon bald spielen wir im Duett ein Drei-Ton-Stücklein. Nicht jeder Ton sitzt, aber ich bin mächtig stolz!
Ursprünglich stammen Alphörner aus den Hochgebirgen Asiens
Denn schliesslich taste ich mich an ein Instrument heran, das tief mit der Geschichte der Schweiz und dem Sennentum verbunden ist. Ein Stück Heimat zum Anfassen. Oder doch nicht? Denn erst vor etwa 200 Jahren eroberte sich das krumme Horn seinen Platz als Nationalinstrument (heute kommt kaum ein traditioneller Anlass ohne Alphörner aus) – die Schweizer haben das Instrument allerdings nicht erfunden. «Die Ursprünge liegen in den Hochgebirgen Asiens», weiss Alphornbauer Walter Bachmann (47), dessen Werkstatt im nahen Emmental für Interessierte offen steht. «Allerdings hat man in der Schweiz das Instrument perfektioniert.» Bachmann weiss, wovon er spricht: Seit drei Generationen stellt die Familie Alphörner her: traditionell von Hand, so wie’s früher war.
Ein Besuch vermittelt nicht nur Hintergrundwissen zum Instrumentenbau, sondern katapultiert einen auch um Jahrzehnte zurück. In der Werkstatt könnte man einen Heimatfilm drehen: Die Maschinen stammen noch aus Grossvaters Zeiten, die Arbeitsbänke sind schartig, es riecht nach Wald und Leinöl. 80 Arbeitsstunden stecken in einem fertigen Alphorn, vom Zusammenleimen der Holzstücke über das Aushöhlen, das Drechseln, Hobeln und Schleifen, bis schliesslich das empfindliche Holz zum Schutz mit Rattan umwickelt wird. 80 Stunden, in dem jeder Handgriff sitzen muss. Was das Geheimnis ihrer Hörner ist, wollen Bachmanns allerdings nicht verraten. «Werksgeheimnis!»
Nur so viel: «Wir versuchen, bei unseren Instrumenten das natürliche Wachstum der Bäume nachzuahmen.» Denn in früheren Zeiten wurden krumm gewachsene Fichten ausgehöhlt; deren natürliche Wachstumsringe garantierten eine perfekte Übertragung der Schwingungen auf den Trichter und erzeugten somit einen vollen Ton.
Heute werden die Instrumente allerdings aus einzelnen Holzstücken gefertigt. «Wir verleimen sie so, dass wir so nah wie möglich an die ursprünglichen Wachstumsstrukturen herankommen.» Solche Liebe zum Detail ist nicht mehr selbstverständlich. Damit setzt Walter Bachmann einen Akzent gegen maschinell gefertigte Massenware. Denn Alphörner können heutzutage mit Computern ausgefräst oder aus Carbon gegossen werden. «Man hört es, ob ein Instrument handgemacht ist oder von einer Maschine hergestellt wurde», so Bachmann – feine Unterschiede, die bei meinem Können noch keine Rolle spielen.
Teil der Landschaft
Mittlerweile sind etwa zwei Stunden vergangen, und Bruno Zemp möchte mir die höheren, schwierigeren Töne beibringen. «Dazu musst du kräftiger blasen und die Lippe mehr spannen.» Es krächzt, aber das Echo hilft. Und als der Ton über das Moor und die Tannen streift, verwandelt er sich in etwas Schönes. Wird Teil der Landschaft.
Kurse & Informationen: Im Jahr 2020 finden in Sörenberg in der Unesco-Biosphäre Entlebuch drei Alphornkurse in unterschiedlicher Länge statt. Alphornschnupperkurs für Anfänger: 2. und 3. Mai 2020; Alphornwoche für Fortgeschrittene 6. bis 10. Juli 2020; Alphornwochenende für Fortgeschrittene 25.–27. September 2020. Rechtzeitig reservieren! Weitere Details zu diesen und anderen Kursen unter biosphaerenakademie.ch
Treibhorn: Die beiden Musiker Bruno Zemp und Roger Konrad haben das Duo Treibhorn gegründet, in dem sie Alphornklänge mit Jazz und Weltmusik kombinieren. Informationen und Buchung unter treibhorn.ch und brunozemp.ch
Alphornmacherei: Walter Bachmann bietet Führungen in seiner Alphornmacherei bei Eggiwil im Emmental an. Die Führungen können mit einem Apéro oder Menü ergänzt werden. Informationen finden Sie unter alphornmacherei.ch
Kurse & Informationen: Im Jahr 2020 finden in Sörenberg in der Unesco-Biosphäre Entlebuch drei Alphornkurse in unterschiedlicher Länge statt. Alphornschnupperkurs für Anfänger: 2. und 3. Mai 2020; Alphornwoche für Fortgeschrittene 6. bis 10. Juli 2020; Alphornwochenende für Fortgeschrittene 25.–27. September 2020. Rechtzeitig reservieren! Weitere Details zu diesen und anderen Kursen unter biosphaerenakademie.ch
Treibhorn: Die beiden Musiker Bruno Zemp und Roger Konrad haben das Duo Treibhorn gegründet, in dem sie Alphornklänge mit Jazz und Weltmusik kombinieren. Informationen und Buchung unter treibhorn.ch und brunozemp.ch
Alphornmacherei: Walter Bachmann bietet Führungen in seiner Alphornmacherei bei Eggiwil im Emmental an. Die Führungen können mit einem Apéro oder Menü ergänzt werden. Informationen finden Sie unter alphornmacherei.ch