Sieben Jahre im Camper
Die ganze Welt im Gepäck

Brigitta und Paul Böhlen haben es gewagt: Sieben Jahre bereisten sie im Camper die Welt. Eine Reise, die ihnen zeigte, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein und wie viel Freiheit ein rollendes Zuhause bieten kann.
Publiziert: 21.10.2014 um 11:31 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2018 um 17:35 Uhr
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Für jedes Gelände gewappnet: Der umgebaute Toyota LandCruiser musste viel durchmachen.
Foto: Brigitta Böhlen
Von Alice Massen

Wo war es denn am schönsten? Eine Frage, die Brigitta und Paul Böhlen nicht beantworten können. Bei 63 Ländern und 280'000 gefahrenen Kilometern nachvollziehbar.

Sieben Jahre war das Ehepaar aus Illnau ZH unterwegs auf Weltreise – dabei haben die Weltenbummler so viel gesehen und erlebt, dass es Bücher füllen könnte: Auge in Auge mit Berggorillas in Uganda, Tauchen mit Walhaien im afrikanischen Dschibuti, Sushi bei Japanern am Fusse des Fuji, Übernachtung bei einer achtköpfigen Familie im Iran – es war alles dabei, und noch viel mehr.

Wenn die beiden von ihren Erlebnissen erzählen, saugt man den Reise-Virus regelrecht mit auf. Ihre Augen strahlen bei jeder noch so verrückten Erinnerung. «Wir wurden nicht einen Tag reisemüde. Unsere Welt und ihre Menschen bieten so viel – da kann man einfach nicht genug bekommen», sind sie sich einig.

«Wir wurden nicht einen Tag reisemüde. Die Welt ist viel zu spannend.»  Brigitta Böhlen

Das siebenjährige Abenteuer meisterten die Illnauer in einem kleinen Toyota LandCruiser: ihrem liebevoll genannten «Mahangu». Ein Name, den Paul und Brigitta ganz bewusst wählten: «Mahangu ist in Afrika eine Hirsesorte, mit welcher die Einheimischen ihren Hunger stillen. Uns soll der Mahangu das Fernweh stillen.»

Damit ein Leben für sieben Jahre auf vier Rädern möglich war, brauchte es jedoch einiges an Vorbereitung. Drei Jahre planten Böhlens minutiös ihre Reise. Dazu gehörte zunächst der Umbau des Fahrzeugs: Der Camper erhielt einen zusätzlichen 50-Liter-Wassertank, ein verstärktes Fahrwerk, eine Safari-Schnorchel sowie ­Sonnenkollektoren auf dem Dach für eine autarke Stromversorgung.

Richtige Planung mit Camper ist sehr wichtig

Die Route wurde nach Wetter und politischen Bedingungen festgelegt. «Paul rief mich während der Routenplanung an und meinte: Schatz! Wenn wir Südamerika auch noch machen wollen, brauchen wir wohl fünf Jahre», erzählt Brigitta lachend. Schlussendlich wurden es deren sieben!

Am 3. September 2006 brachen Böhlens schliesslich auf in die Welt. «Wir haben uns für jedes Land ausreichend Zeit gelassen», erklärt Paul, «sonst kommt die Seele gar nicht hinterher.» 63 Reiseführer zeugen von dem bewussten Auseinandersetzen mit den verschiedenen Kulturen. «Jedes Land hat seine eigene Geschichte, je mehr man sich informiert, desto besser versteht man es.»

Tatsächlich bedeutet Reisen im fahrenden Zuhause nicht ansatzweise das Gleiche wie Ferien im Hotel, sind Böhlens überzeugt: «Du hast immer etwas zu tun. Visa und Verschiffungen organisieren, die weitere Route planen, einkaufen und ständig etwas Kleines reparieren.» Daher planten sie auch bewusst Ferien vom Reisen ein.

Genau dank dieser alltäglichen Aufgaben tauchten Böhlens jedoch auch tiefer in die jeweiligen Länder ein. Ihre unzähligen Geschichten zeugen davon: «Wir haben mit Marktfrauen und mexikanischen Zöllnern diskutiert, indischen Gurus gelauscht und pakistanischen Kindern die Schweiz nähergebracht – es fühlt sich an, als ob man für kurze Zeit wirklich in den Ländern lebt.»

«Im Camper erlebst du die Länder sehr viel näher als aus einem Hotel heraus.»  Paul Böhlen

Ein hilfreicher Begleiter beim jeweiligen Kontakteknüpfen: das Schweizerkreuz auf der Frontscheibe des Toyota. Die Menschen reagierten durchwegs positiv auf das Ehepaar – keine einzige gefährliche oder unangenehme Situation gab es in den sieben Jahren.

Apropos Schweiz: Ist ein Stückchen Heimat mitgereist? «Auf jeden Fall», erinnern sie sich. So reiste etwa ein kleiner Raclette-Grill mit im Camper, und ab und zu schickten Freunde den Abenteurern «Swiss»-Päckli in die Fremde. «Das war wie Weihnachten für uns. Käse oder unser geliebtes Ragusa – einfach himmlisch.»

Den Schlüssel zu so viel Harmonie und positiven Erlebnissen sehen Böhlens darin, dass sie sich trotz dem Leben auf solch engem Raum Freiheiten gegönnt und vor allem die täglichen Aufgaben klar geteilt hatten. So gab es weniger Konfliktpotenzial.

Während Paul meist das Steuer übernahm, war die praktisch veranlagte Brigitta für die Navigation und die Reparaturen am Mahangu verantwortlich: «Paul hat zwei linke Hände. Und mir hat es schon immer Spass gemacht zu schrauben und zu basteln.»

Beim Wechsel von 6 Reifensätzen, 20 Platten, 4 Autobatterien und insgesamt 20 Services am Fahrzeug stand die 50-jährige als Bordingenieurin den Mechanikern zur Seite. Mit Erfolg: Der Toyota hielt die sieben Jahre unversehrt durch. Nun steht ihr Mahangu in der Einfahrt des Hauses in Illnau. Auch er könnte bei ­einem Kilometerstand von 283 500 wahrscheinlich unzählige Geschichten erzählen.

«Der Camper mag klein sein, aber dafür ist die ganze weite Welt dein Garten.»  Brigitta Böhlen

Seit genau einem Jahr ist das Trio nun wieder Zuhause. Ganz angekommen scheinen sie aber immer noch nicht. Zum Glück haben sich Böhlens auf die Rückreise schon frühzeitig mental vorbereitet. «Sonst wären wir wahrscheinlich in ein Loch gefallen», ist Paul überzeugt.

Obwohl ihr neues altes Haus x-Mal so gross ist wie der Toyota, kommt den Weltenbummlern nun alles etwas enger vor in der Schweiz. Trotz dessen schätzen sie die Heimat nach sieben Jahren auf Achse doch viel bewusster: «Die allzeit warme Dusche ist für uns heute noch immer ein Highlight», so Brigitta lachend.

Haben Böhlens die Welt nun ausreichend bereist? «Ach ... also eigentlich haben wir von den über 200 Ländern ja gerade einmal 63 gesehen», schmunzeln sie verräterisch.

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