Heute ist ein Tag zum Heulen. Die ersten Schritte in der Antarktis treiben vielen Passagieren die Tränen in die Augen - vor Freude. «Ich bin so ergriffen», schluchzt eine junge Frau aus den Philippinen, als sie neben ein paar Pinguinen aus dem Schlauchboot steigt. Mir geht es auch so. Diese Landschaft haut mich um. Die Antarktis ist mit nichts vergleichbar, das man kennt.
Ein tiefschwarzes Meer liegt da wie Blei, gesprenkelt mit Myriaden Eisbergen. Manche so klein wie ein Handtuch, andere so gigantisch wie ein Hochhaus, eingerahmt von Bergen, aus deren Tälern Gletscher quellen.
Gewöhnungsbedürftige Stille
Und dann ist da diese Stille! Eine absolute Stille. Wenn die Pinguine ihr Geschnatter einstellen, ist hier nichts zu hören, ausser das eigene Rauschen in den Ohren. Daran muss man sich erst gewöhnen.
Jährlich besuchen nur 20 000 Menschen die Antarktis, ein Grossteil davon ist, so wie wir, auf der antarktischen Halbinsel unterwegs, die leicht von Südamerika erreichbar ist. Diese Saison bin ich einer davon. Wow!
Für das volle Polar-Feeling gehen wir jeden Tag an einem anderen Ort mit Zodiacs (Schlauchbooten) an Land. Wo es besonders schön ist, gibt es noch eine extra Sightseeingtour. Oder man schnappt sich ein Kajak und paddelt durch Eisberge und schwimmende Pinguine - in einem Schutzanzug eingepackt. In diesen Wassertemperaturen überlebt man nur wenige Minuten.
Pinguine als Empfangskomitee
Der absolute Star auf der antarktischen Halbinsel ist freilich die Tierwelt. Bei jeder Anlandung steht ein Empfangskomitee Pinguine wie Zinnsoldaten am Strand - und kümmert sich nicht die Bohne darum, dass gleich duzende Menschen durch ihre Wohnzimmer latschen.
Freilich gelten strenge Regeln beim Besuch einer Pinguinkolonie. Einige davon lauten: Die Watschel-Vögel haben immer Vorfahrt, ein Abstand von mindestens fünf Metern ist ein Muss. Nach jedem Landgang werden unsere Gummistiefel desinfiziert, damit wir keine Krankheiten verbreiten.
Niemand - wirklich niemand - kann sich dem Jööööö-Effekt der Pinguine entziehen. Wenn sich eine Gruppe aufmacht, wie unbeholfene Kinder zum Meer zu wackeln: Das raubt einem fast den Verstand.
Stars Nummer zwei sind Buckelwale und Orcas, die regelmässig aus dem Wasser poppen - dafür legt Kapitän Benny Didriksen von der MS Midnatsol der norwegischen Reederei Hurtigruten schon mal eine Vollbremsung hin. Dann drängen 350 Passagiere auf das Aussendeck und malträtieren ihre Kameras.
Auch wenn die MS Midnatsol klein ist, irgendwas ist immer los. Darum stehe ich jede Nacht, wenn alle Passagiere von Pinguinen träumen, nochmals alleine an der Reling und sauge die Unendlichkeit dieser Landschaft auf. Tränen garantiert.
Hinweis: Die Reise wird ermöglicht durch «Glur Reisen».