Auf einen Blick
Wer im Herbst durch die Wälder streift, hat gute Chancen, auf einen Pilz zu stossen. Und wer sich mit Pilzen auskennt, entdeckt dieser Tage bestimmt auch leckere Speisepilze. Wenn das Wetter schon für feuchtere Luft sorgt, der Nachmittag jedoch häufig noch hohe Temperaturen bringt, haben Pilze Hochsaison – auch die ungeniessbaren und giftigen, die ihren essbaren Verwandten oft zum Verwechseln ähnlich sehen.
Während der Pilzsaison läuft auch das Telefon bei Tox Info Suisse heiss: Täglich erhält das ärztliche Beratungsteam des Vergiftungsnotrufs mehrere Anfragen wegen Verdachts auf Pilzvergiftung. Im Interview erklärt Oberärztin Colette Degrandi (54), welche ersten Schritte wichtig sind, um gesundheitliche Folgeschäden zu vermeiden.
2024 gilt als gutes Pilzjahr. Verzeichnen Sie mehr Anfragen wegen Verdachts auf Pilzvergiftungen als in anderen Jahren?
Colette Degrandi: Wir sind jetzt bei etwa 520 Anfragen. Das ist leicht mehr als im Vorjahr, fällt jedoch nicht aus dem Rahmen. Etwas mehr als ein Drittel der Anfragen betrifft Kinder. Die meisten sind jünger als sechs Jahre.
Warum sind kleine Kinder so häufig betroffen?
Bei Kindern haben wir häufig Pilzunfälle. Gerade kleine Kinder nehmen vieles in den Mund. Wenn ein Kind irgendwo im Garten oder auf dem Spielplatz einen Pilz findet, beisst es gerne hinein. Da kann es sein, dass aus Versehen ein Pilz gegessen wird.
Tox Info Suisse bietet Beratung bei akuten und chronischen Vergiftungen. Neben der Identifikation von Giftstoffen und der Abgabe von Behandlungsempfehlungen betreibt die Organisation auch Forschungs- und Präventionsarbeit. Die telefonische ärztliche Beratung unter der Notrufnummer 145 steht rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung.
Tox Info Suisse bietet Beratung bei akuten und chronischen Vergiftungen. Neben der Identifikation von Giftstoffen und der Abgabe von Behandlungsempfehlungen betreibt die Organisation auch Forschungs- und Präventionsarbeit. Die telefonische ärztliche Beratung unter der Notrufnummer 145 steht rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung.
Wie reagiert man richtig darauf?
Im Idealfall nehmen Sie die Pilzreste und – falls vorhanden – ein bis zwei weitere Exemplare des gleichen Pilzes mit und rufen bei uns an. Oft empfehlen wir dann, die Notfall-Pilzexperten der Schweizerischen Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane Vapko zu kontaktieren. Diese sind rund um die Uhr erreichbar und können die Pilze bestimmen. Im besten Fall können sie direkt Entwarnung geben.
Kann eine Pilzvergiftung nur durch Verzehr herbeigeführt werden oder auch durch Berühren?
In der Schweiz gibt es keine Pilze, die durch Berührung eine Vergiftung hervorrufen.
Warum heisst es dann, man solle verschiedene Pilze getrennt voneinander im Körbchen transportieren?
Hier geht es darum, dass man nicht aus Versehen einen giftigen Pilz konsumiert, nur weil ein Stück davon unter die essbaren Pilze geraten ist und mitgegessen wurde.
Es gibt Pilze, die schon in geringer Menge giftig sind. Was bedeutet das genau?
Bei Tox Info Suisse halten wir uns an folgende Richtlinie: Mengen von weniger als einem Quadratzentimeter machen sicher nichts, nicht einmal bei kleinen Kindern. Bei grösseren Mengen wird es schwierig, Grenzwerte festzulegen. Es gab auch schon schwere Vergiftungsfälle bei Erwachsenen, die nur einen einzigen Knollenblätterpilz gegessen haben.
Welchen Verlauf nimmt eine Vergiftung mit Knollenblätterpilz?
Bei dieser Vergiftung ist speziell, dass es sehr lange dauert, bis die Symptome sich zeigen. Erst sechs bis zwölf Stunden nach dem Verzehr treten erste Symptome wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall auf. Diese sind oft sehr heftig, doch dann tritt eine scheinbare Erholung ein. Erst zwei bis vier Tage nach dem Verzehr kommt es schliesslich zu Leberversagen.
Mit welchen Symptomen zeigt sich Leberversagen?
Das kann man in erster Linie durch Laborwerte feststellen. Die Betroffenen zeigen dabei oft einen schlechten Allgemeinzustand, diffuses Unwohlsein, Müdigkeit, manchmal Magen-Darm-Probleme. Typisch ist auch ein sehr heller Stuhl. Allerdings haben viele Patienten in diesem Stadium keinen Stuhlgang mehr, da sie ja vorher unter Durchfall litten.
Es gibt ein Gegengift – bis zu welchem Zeitpunkt muss dieses verabreicht werden, um Folgeschäden oder sogar einen tödlichen Verlauf zu verhindern?
Besteht der Verdacht auf Knollenblätterpilzvergiftung, beginnt man sofort mit der Gabe des Gegenmittels. Denn dieses verhindert in erster Linie, dass das Amatoxin, so heisst das Gift dieses Pilzes, von der Leber aufgenommen werden kann.
Also beginnt die Behandlung auch ohne Nachweis einer Vergiftung?
Im Idealfall behandelt man eine mögliche Pilzvergiftung vor dem Auftreten der ersten Symptome, ja. Also sobald man eine Vergiftung nicht mehr ausschliessen kann. So ist man auf der sicheren Seite. Allerdings gibt es keine Erfolgsgarantie für diese Behandlung. Manche Vergiftungen durch Knollenblätterpilze sind so schwerwiegend, dass es trotz einer guten Behandlung schliesslich zu Leberversagen kommt.
Gibt es keinen Schnelltest?
Nein. Man kann Amatoxin zwar im Urin nachweisen, aber das ist sehr aufwendig. Es gibt in der Schweiz nicht viele Labore, die diese Analytik anbieten. Und sie dauert mehrere Stunden; das Resultat liegt oft erst am Folgetag vor.
Welche Vergiftungssymptome verursachen andere Pilze?
Die meisten Pilzvergiftungen zeigen sich durch Übelkeit oder Durchfall. Diese Symptome treten nicht immer nur wegen giftiger Pilze auf. Es kann auch sein, dass Leute einen nicht mehr frischen oder zu wenig lang gekochten Pilz verzehrt haben.
Welche nicht so offensichtlichen Symptome könnten auf eine Pilzvergiftung hinweisen?
Es gibt auch seltene Symptome. Manche Pilze verursachen einen Ausschlag, andere schädigen die Muskeln oder die Nieren. Das ist nicht immer leicht feststellbar.
Beschwerden nach Pilzverzehr müssen nicht zwingend eine Vergiftung bedeuten. Auch Allergien, Unverträglichkeiten oder eine bakterielle Lebensmittelvergiftung können auftreten. Für den sicheren Konsum von Pilzen empfiehlt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit BLV:
- Privat gesammelte Pilze immer kontrollieren lassen. Kontrollstellen findet man unter vapko.ch
- Keine rohen Pilze konsumieren, auch nicht im Salat oder zum Dippen.
- Pilze sofort zubereiten und essen. Frische Pilze sind nicht lange haltbar.
- Reste von Pilzgerichten im Kühlschrank aufbewahren. Sie können problemlos ein zweites Mal aufgewärmt werden, falls sie nur kurz gelagert wurden.
Beschwerden nach Pilzverzehr müssen nicht zwingend eine Vergiftung bedeuten. Auch Allergien, Unverträglichkeiten oder eine bakterielle Lebensmittelvergiftung können auftreten. Für den sicheren Konsum von Pilzen empfiehlt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit BLV:
- Privat gesammelte Pilze immer kontrollieren lassen. Kontrollstellen findet man unter vapko.ch
- Keine rohen Pilze konsumieren, auch nicht im Salat oder zum Dippen.
- Pilze sofort zubereiten und essen. Frische Pilze sind nicht lange haltbar.
- Reste von Pilzgerichten im Kühlschrank aufbewahren. Sie können problemlos ein zweites Mal aufgewärmt werden, falls sie nur kurz gelagert wurden.
Sollte man, um keine Zeit zu verlieren, bei Verdacht auf Pilzvergiftung direkt in den Notfall fahren?
Was man sofort tun kann, ist, Flüssigkohle zu sich zu nehmen. Kohle bindet die Giftstoffe. Aber in jedem Fall sollte man zuerst mit Tox Info Suisse Kontakt aufnehmen. Wir können dabei helfen, die Situation aus der Ferne einzuschätzen.
Wie das?
Wir fragen zum Beispiel, ob bei den verzehrten Pilzen ein Lamellenpilz dabei war. Denn nur die können Leberschäden verursachen.
Neben Lamellenpilzen gibt es auch Röhrlinge. Wenn ich nur diese gegessen habe, kann ich die Symptome aussitzen?
Ja, das ist in den meisten Fällen tatsächlich so. Magen-Darm-Symptome sind aus medizinischer Sicht nicht tragisch. Man braucht meist nur Geduld und genügend Flüssigkeit, wie bei einem Magen-Darm-Infekt.