Auf einen Blick
Ines Schweizer, ist das Vortäuschen eines Orgasmus etwas, was nur Frauen tun?
Vorwiegend. Männer tun es selten. Da hat man die Möglichkeit zu überprüfen, ob es zu einer Ejakulation kam. Obwohl ich klarstellen möchte, dass es für einen männlichen Orgasmus aus wissenschaftlicher Sicht nicht zwingend einen Samenerguss braucht. Dennoch haben es Frauen deutlich einfacher, einen Orgasmus vorzutäuschen, und tun es entsprechend häufiger.
Auch in homosexuellen Beziehungen?
Es ist vor allem in heterosexuellen Beziehungen ein Thema. Männer untereinander gehen offener mit ihrer Sexualität um. Und in Beziehungen zwischen zwei Frauen erlebe ich die Problematik ebenfalls selten. Was wohl daran liegt, dass die Orgasmusfrequenz von Frauen, die mit Frauen Sex haben, wesentlich höher ist als bei Frauen, die mit Männern schlafen.
Warum?
Das Thema wird unter dem Begriff Orgasmusgap erforscht. In gleichgeschlechtlichen Beziehungen erleben Frauen wohl häufiger Orgasmen, weil sie ein besseres Gespür füreinander haben. Männer müssen oft erst Know-how und Feinfühligkeit entwickeln, um die Komplexität der weiblichen Sexualität zu verstehen.
Warum täuschen Frauen Orgasmen vor?
Kommunikation ist zentral. Über Sexualität herrscht in unserer Gesellschaft oft Sprachlosigkeit, da wir nie gelernt haben, offen darüber zu sprechen. Frauen haben zudem oft einen schlechteren Zugang zur eigenen Lust – bedingt durch Anatomie und gesellschaftliche Prägung. Sie erkunden ihren Körper weniger und wissen deshalb oft gar nicht so genau, was sie sich von ihrem Sexualpartner wünschen.
«Schon Erich Kästner sagte: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es», sagt Ines Schweizer. «Das gilt auch für das Entdecken der eigenen Sexualität. Wer weiterkommen will, muss sich mit dem Thema beschäftigen. Das bedeutet: ausprobieren, ansprechen, anfassen, anschauen.» Die Expertin teilt zwei Medientipps, mithilfe derer Frauen und Paare niederschwellig ihren sexuellen Horizont erweitern können.
Ratgeber-Website omgyes.com«Diese Seite empfehle ich wirklich jeder Frau. Und auch jedem Mann, der sich mit dem Thema der weiblichen Lust auseinandersetzen möchte. Hier findet man wissenschaftliche Inputs, aber auch Beispiele und Inspiration rund um den Orgasmus der Frau. Obwohl nackte Körper zu sehen sind, sind die Inhalte nicht pornografisch, sondern aufklärend gestaltet. Der Zugang kostet, aber das tut ein Ratgeberbuch ja auch.»
Podcast «Poppcast»«In diesem Podcast sprechen Frauen und Männer relativ locker über Sexualität. Sie erörtern Fragen wie: Braucht es wirklich immer einen Orgasmus für guten Sex? Das Hören einer Folge kann ein inspirierender Einstieg sein für einen Abend allein oder zu zweit – um mit sich oder dem Gegenüber in Kontakt zu kommen und in Kommunikation zu bleiben.»
«Schon Erich Kästner sagte: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es», sagt Ines Schweizer. «Das gilt auch für das Entdecken der eigenen Sexualität. Wer weiterkommen will, muss sich mit dem Thema beschäftigen. Das bedeutet: ausprobieren, ansprechen, anfassen, anschauen.» Die Expertin teilt zwei Medientipps, mithilfe derer Frauen und Paare niederschwellig ihren sexuellen Horizont erweitern können.
Ratgeber-Website omgyes.com«Diese Seite empfehle ich wirklich jeder Frau. Und auch jedem Mann, der sich mit dem Thema der weiblichen Lust auseinandersetzen möchte. Hier findet man wissenschaftliche Inputs, aber auch Beispiele und Inspiration rund um den Orgasmus der Frau. Obwohl nackte Körper zu sehen sind, sind die Inhalte nicht pornografisch, sondern aufklärend gestaltet. Der Zugang kostet, aber das tut ein Ratgeberbuch ja auch.»
Podcast «Poppcast»«In diesem Podcast sprechen Frauen und Männer relativ locker über Sexualität. Sie erörtern Fragen wie: Braucht es wirklich immer einen Orgasmus für guten Sex? Das Hören einer Folge kann ein inspirierender Einstieg sein für einen Abend allein oder zu zweit – um mit sich oder dem Gegenüber in Kontakt zu kommen und in Kommunikation zu bleiben.»
Besteht auch ein gewisser Druck, als Frau zum Orgasmus zu gelangen?
Definitiv. Viele Frauen gehen davon aus, dass sie die besseren Sexualpartnerinnen sind, wenn sie einen Orgasmus haben können. Aber auch das männliche Ego macht Druck. Männer messen ihre sexuellen Fähigkeiten oft daran, ob sie es schaffen, eine Frau zum Höhepunkt zu bringen. Viele Frauen täuschen den Orgasmus also vor, um das Selbstwertgefühl ihres Gegenübers nicht zu verletzen. Manchmal auch in langjährigen Beziehungen.
Angenommen, ich bin zwanzig Jahre verheiratet und mein Mann weiss nicht, dass ich nie einen Orgasmus hatte. Wie sag ichs ihm?
Ich erlebe häufig, dass in solchen Fällen die Frauen erst einmal alleine zu mir kommen. Sie befinden sich im Dilemma: Einerseits würden sie gerne daran arbeiten, einmal einen Höhepunkt zu erleben, andererseits schrecken sie davor zurück, ihren Partner mit der jahrelangen Täuschung zu konfrontieren.
Muss man das denn offenlegen?
Nicht zwingend. Man kann die Sexualität auch in eine neue Richtung lenken, ohne das Gegenüber mit der Wahrheit zu konfrontieren.
Wie?
Man kann darüber sprechen, dass sich der Körper verändert und man mal etwas Neues ausprobieren möchte. Oder den Partner nonverbal mit der Hand führen. Oder vorschlagen: «Hey, wollen wir zusammen mal was Neues ausprobieren? Ich hätte Lust darauf.»
Würden Sie in einer langjährigen Partnerschaft Ehrlichkeit empfehlen?
Meine ganz persönliche Sichtweise ist: Jein. Die Enthüllung einer jahrelangen Lüge kann zerstörend wirken. Ich erlebe Männer in meiner Praxis, die deswegen ihre ganze Beziehung anzweifeln. Sie fragen sich: «Wie nimmt meine Partnerin mich als Mann wahr, wenn sie sich jahrelang nicht getraut hat, mit mir darüber zu sprechen?» Dabei hat das vielleicht gar nichts mit ihm zu tun, sondern mit eigenen Hemmungen.
Wie verhindere ich, dass die Enthüllung als Angriff aufgefasst wird?
Am besten, indem ich betone, dass es ein Versuch der Zusammenarbeit ist. Ich könnte im Verlauf der Diskussion betonen, dass der Akt des Ansprechens allein ein Zeichen für die Stärke der Beziehung ist. Man beweist damit, dass man dem Gegenüber vertraut und daran glaubt, dass man gemeinsam eine Lösung finden wird.
Wenn man sich für ein Geständnis entscheidet, wie spricht man das an?
Nicht lange um den heissen Brei reden – zum Beispiel so: «Ich muss dir etwas sagen, das mir sehr am Herzen liegt. Aber ich habe Angst, dass es uns auseinanderbringen oder schwierige Gefühle auslösen könnte. Du musst wissen, dass ich bei dir noch nie einen Orgasmus gehabt habe. Ich habe ihn immer vorgetäuscht.»
Kann eine Beziehung eine solche Enthüllung schadlos überstehen?
Natürlich. Beziehungen können viel überstehen, wenn man im Austausch bleibt. Sexualität ist nur ein kleiner Teil einer Beziehung. Und ein Orgasmus ist nur ein kleiner Teil der Sexualität. Nähe, Kinder machen, Genussmomente, Liebe zeigen, Stressabbau … das alles geht auch ohne Orgasmus.
Kann die Ehrlichkeit ein Paar stärken?
Durchaus. Daraus ergibt sich die Chance, die Sexualität gemeinsam zum Wohle von beiden zu verändern.
Wie reagiert man als Partner richtig darauf?
Die gute Reaktion wäre: «Ich bin froh, dass du es mir sagst und wir daran arbeiten können. Und gleichzeitig auch traurig, dass du nicht früher den Mut hattest.» Natürlich spielen nach einer solchen Enthüllung auch Selbstzweifel und Enttäuschung mit. Man muss damit umgehen lernen und in die Zukunft schauen.
Gibt es Fälle, in denen es okay ist, einen Orgasmus vorzutäuschen?
Es spricht nichts dagegen, mal einen Orgasmus vorzutäuschen – etwa bei einem One-Night-Stand. Das ist nichts weiter als eine Notlüge, und die brauchen alle mal im Leben.