Auf einen Blick
1968 sorgte der französische Psychologe Michel Gauquelin mit einem ungewöhnlichen Experiment für Aufsehen: In einer Zeitungsanzeige bot er kostenlose Geburtshoroskope an. Rund 150 Menschen folgten seiner Einladung und übermittelten ihm ihre persönlichen Daten. Wenig später erhielten sie detaillierte Beschreibungen ihres Charakters, die Gauquelin angeblich anhand ihrer astrologischen Daten erstellt hatte. Als er die Teilnehmenden anschliessend fragte, ob die Horoskope ihre Persönlichkeit zutreffend erfassten, antworteten 90 Prozent mit «Ja». Was die Empfänger nicht ahnten: Alle hatten denselben Text erhalten – und dieser basierte auf dem Geburtshoroskop eines Serienmörders.
Mit ähnlichen Experimenten gelang es vor und nach Gauquelin mehrfach, den Barnum-Effekt nachzuweisen. «Dieser Begriff beschreibt die menschliche Neigung, allgemeingültige und vage Aussagen über die eigene Person als zutreffend zu empfinden», erklärt Jan Rauch (49) vom Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW.
Beim Barnum-Effekt ist Vorsicht geboten
Der Barnum-Effekt existiert im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Aussagen. Wenn jemand etwas Gutes über uns behauptet, neigen wir jedoch in besonderem Mass dazu, es unkritisch anzunehmen. Ein menschlicher Zug, der kulturübergreifend gilt, ist Rauch überzeugt. «Wenn mir jemand sagt, ich hätte ein gutes Herz, dann höre ich das gerne. Und bestimmt finde ich in meiner Vergangenheit Erlebnisse, die das stützen», erläutert Rauch. «Die vermeintliche Bestätigung dessen, was wir uns wünschen, gibt uns Sicherheit, emotionale Zufriedenheit sowie ein Gefühl von Kontrolle und Identität.»
Wir empfinden also allgemeine Aussagen als besonders wahr – einfach, weil sie menschlichen Bedürfnissen und Erwartungen entsprechen. Das kann bestätigend, manchmal auch motivierend und beglückend wirken.
Da der Barnum-Effekt jedoch auf Fehlannahmen basiert, wirkt er oft nur kurzfristig. Auf lange Sicht birgt er Risiken. «Würde jemand seine Identität und sein Leben auf vage und nicht überprüfbare Aussagen bauen, liefe er Gefahr, sich von der Realität zu entfernen und keine objektiv fundierten Entscheidungen mehr zu treffen», sagt Rauch. «Die durch den Effekt ausgelöste emotionale Zufriedenheit basiert auf einer Täuschung. Das kann dazu führen, dass man eigene Fähigkeiten überschätzt, sein Geld falsch investiert oder die Chance verpasst, sich selbst kritisch zu reflektieren. Langfristig könnte dies zur Verfestigung von Fehleinschätzungen führen, was echte Selbstreflexion und Wachstum behindern könnte.»
Ist es also gewagt, ans Horoskop zu glauben? Rauch bejaht nur teilweise: «Wenn Vorhersagen oder Wünsche tatsächlich zutreffen und ich mich darüber freue, ist das eine gute Sache. Gewagt wäre es dann, wenn ich wichtige Lebensentscheidungen mit potenziell grossen Auswirkungen ausschliesslich auf der Basis von vagen und nicht überprüfbaren Grundlagen treffe.» Dabei ist nicht relevant, ob diese vermeintlichen Realitäten und Tipps aus einem Horoskop, den sozialen Medien oder anderen pseudowissenschaftlichen Ratgebern stammten. «Entscheidungen sollten im besten Fall auf überprüfbaren Informationen basieren, um langfristige negative Folgen zu vermeiden.»
Kann der Barnum-Effekt auch nützlich sein?
Der Barnum-Effekt hat aber nicht nur Nachteile. «Natürlich ist es toll, wenn jemand mit dem Joggen beginnt, weil irgendwo steht, dass jetzt der ideale Zeitpunkt für einen neuen Sport sei, und man das auf sich selbst bezieht», sagt Rauch. Das kann positive gesundheitliche Folgen haben. «Solche kurzfristigen Impulse schaffen jedoch selten nachhaltige Veränderungen. Deswegen ist es wichtig, sich dieser Mechanismen bewusst zu sein.»
Willst du ehrliches Feedback erkennen und Manipulation durch den Barnum-Effekt nicht auf den Leim gehen, dann halte bei Aussagen nach folgenden Merkmalen Ausschau:
Allgemeine Gültigkeit:Wenn du den Satz mit «Ja klar, wer nicht?» beantworten kannst, ist es ein Allgemeinplatz. Beispiele:
- «Manchmal bist du unsicher, ob du die richtige Entscheidung getroffen hast.»
- «In deinem Leben hast du bereits einige Herausforderungen gemeistert.»
- «Du bist motiviert, deine Ziele zu erreichen.»
Ein Satz lässt so viel Spielraum, dass man immer etwas findet, das man hineininterpretieren kann. Beispiele:
- «Du strebst nach Stabilität, bist aber offen für Veränderungen, wenn sie dir etwas Positives bringen.»
- «Gelegentlich fühlst du dich missverstanden und suchst nach mehr Klarheit in deinen Beziehungen.»
- «Du hast eine besondere Art, auf Menschen zuzugehen, die dich einzigartig macht.»
Wenn ein Satz alle möglichen Varianten in sich vereint, könnte damit jede und jeder gemeint sein. Beispiele:
- «Du kannst gesellig sein, aber ziehst dich manchmal gerne zurück, um nachzudenken.»
- «Du kannst rational denken, aber auch auf dein Herz hören.»
- «Du planst gerne, bist aber auch mal spontan.»
Der Barnum-Effekt greift, wenn es um grosse Gefühle geht, am leichtesten. Beispiele:
- «Du möchtest das Beste für deine Liebsten und tust viel, um sie zu unterstützen.»
- «Du hast das Bedürfnis, anerkannt und akzeptiert zu werden.»
- «Du möchtest im Leben etwas erreichen.»
Willst du ehrliches Feedback erkennen und Manipulation durch den Barnum-Effekt nicht auf den Leim gehen, dann halte bei Aussagen nach folgenden Merkmalen Ausschau:
Allgemeine Gültigkeit:Wenn du den Satz mit «Ja klar, wer nicht?» beantworten kannst, ist es ein Allgemeinplatz. Beispiele:
- «Manchmal bist du unsicher, ob du die richtige Entscheidung getroffen hast.»
- «In deinem Leben hast du bereits einige Herausforderungen gemeistert.»
- «Du bist motiviert, deine Ziele zu erreichen.»
Ein Satz lässt so viel Spielraum, dass man immer etwas findet, das man hineininterpretieren kann. Beispiele:
- «Du strebst nach Stabilität, bist aber offen für Veränderungen, wenn sie dir etwas Positives bringen.»
- «Gelegentlich fühlst du dich missverstanden und suchst nach mehr Klarheit in deinen Beziehungen.»
- «Du hast eine besondere Art, auf Menschen zuzugehen, die dich einzigartig macht.»
Wenn ein Satz alle möglichen Varianten in sich vereint, könnte damit jede und jeder gemeint sein. Beispiele:
- «Du kannst gesellig sein, aber ziehst dich manchmal gerne zurück, um nachzudenken.»
- «Du kannst rational denken, aber auch auf dein Herz hören.»
- «Du planst gerne, bist aber auch mal spontan.»
Der Barnum-Effekt greift, wenn es um grosse Gefühle geht, am leichtesten. Beispiele:
- «Du möchtest das Beste für deine Liebsten und tust viel, um sie zu unterstützen.»
- «Du hast das Bedürfnis, anerkannt und akzeptiert zu werden.»
- «Du möchtest im Leben etwas erreichen.»
Der Effekt kann natürlich auch ausgenutzt werden: Von der Marketingfachperson bis zum Sektenguru – wer Menschen beeinflussen will, kann dieses Phänomen gezielt für sich nutzen. «Die Illusion, individuell verstanden zu werden, schafft Vertrauen.» Und dieses Vertrauen ist die Grundlage, auf der Manipulation stattfinden kann.
Wo allgemeines positives Feedback Schaden anrichtet
Qualifizierte Berater und Therapeuten haben das Ziel, nicht in die Falle des Barnum-Effekts zu tappen. «Statt allgemeine Ratschläge zu geben, wird Wert darauf gelegt, Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigenen, individuellen Lösungen zu entwickeln. Dabei geht es darum, sie zu befähigen, reflektierte Entscheidungen auf Basis objektiver Kriterien zu treffen.» Auch Arbeitgeber oder Sportcoaches können das Wissen um den Barnum-Effekt dafür nutzen, ihn zu vermeiden. «Wer seinem Team ehrliches, situationsbezogenes Feedback gibt, schafft eine Umgebung, in der der Barnum-Effekt keine Rolle spielt. So entstehen fundierte Entscheidungsgrundlagen, die nicht nur das Team und die Organisation stärken, sondern auch die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen fördern.»