Trotz Massnahmen
Artenvielfalt in der Schweiz noch immer in Gefahr

Die Schweiz ist im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt im letzten Jahrzehnt kaum vorangekommen. Das zeigen zwei Studien des Bundesamtes für Umwelt (Bafu). Rund ein Drittel aller Arten sind vom Aussterben bedroht, stark gefährdet, oder gelten als verletzlich.
Publiziert: 22.05.2023 um 10:24 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2023 um 14:12 Uhr
Jede sechste Tier- oder Pflanzenart in der Schweiz ist stark bedroht. Die Geburtshelferkröte ist eine davon. (Archivbild)
Foto: GAETAN BALLY

17 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet, wie das Bafu am Montag mitteilte. Weitere 16 Prozent gälten als verletzlich. Der Bestand dieser verletzlichen Arten habe zudem in den letzten zehn Jahren um rund ein Drittel abgenommen.

Zum ersten Mal seit 2011 wertete der Bund alle roten Listen gefährdeter Arten aus. Ein Vergleich zur vorherigen Periode zeige, dass sich die Gefährdungssituation seither insgesamt nicht verbessert habe, so die Bilanz. Anlass der Veröffentlichung der Studien war der Internationale Tag der Biodiversität am Montag.

Artenvielfalt in der Schweiz

Der Klimawandel beschleunigt das Artensterben. Blick zeigt, wie wir das verhindern können.

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Besonders die Gefährdung von Fisch-, Reptilien- und Vogelarten hat laut Bafu zugenommen. Viele ökologisch wertvolle Lebensräume seien in den vergangenen Jahrzehnten kleiner geworden und schlechter vernetzt. Insbesondere das Mittelland wird laut dem Bericht immer monotoner. Das sei vor allem für wandernde Arten und für den Erhalt der genetischen Vielfalt ein Problem.

Im Vergleich zu den Nachbarländern ist der Anteil gefährdeter oder ausgestorbener Arten in der Schweiz zudem besonders hoch. Von den Arten, die nur oder zum grössten Teil in der Schweiz vorkommen, steht fast die Hälfte auf der Roten Liste. Handlungsbedarf für Artenschutz- und Artenförderungsmassnahmen gibt es laut Studie bei rund der Hälfte der untersuchten Arten.

Schlecht für den Klimaschutz

Neben den kleinen Verbreitungsgebieten sind die Zerstörung von Lebensräumen und die abnehmende Lebensraumqualität Hauptgründe für die Gefährdung der Artenvielfalt in der Schweiz.

Dabei sind laut Bafu eine grosse Artenvielfalt und genetische Vielfalt wichtiger denn je. Eine reiche Biodiversität erhöhe die Chance, dass sich die Natur an Extremereignisse wie Trockenheits- oder Hitzestress anpassen kann, so das Bundesamt. Das diene auch dem Klimaschutz.

In den letzten Jahren habe es einige Fortschritte gegeben, hob das Bafu hervor. Es räumte jedoch ein, diese reichten nicht aus, um den Trend umzukehren. Dafür braucht es laut Bafu die Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure.

Viel Potenzial in den Ballungsräumen

Besonders grosses Potenzial sieht das Bafu in den Siedlungsgebieten. So sollten etwa schon in der Raumplanung mehr naturnah gestaltete Grün- und Gewässerräume, Stadtwälder oder begrünte Dächer und Fassaden vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang nutzte das Bafu die Gelegenheit, um für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Biodiversitätsinitiative zu werben.

Der Bundesrat wolle damit die Qualität und die Vernetzung von Lebensräumen fördern sowie die Natur im Siedlungsraum voranbringen. Bei der Förderung der erneuerbaren Energien sei eine Interessenabwägung zwischen Schutz und Nutzung nötig, hiess es.

Ziele «sang- und klanglos aufgegeben»

Naturschützer kritisieren seit längerem, die Massnahmen zum Schutz der Biodiversität in der Schweiz seien zu wenig wirksam. Das Ziel aus dem Jahr 1998, die Zahl der Arten auf der Roten Liste jährlich um ein Prozent zu reduzieren, habe die Schweiz 2020 «sang- und klanglos aufgegeben», schrieb die Naturschutzorganisation Birdlife Schweiz vergangene Woche.

Schon im April 2022 kam Birdlife Schweiz in einer Studie zum Schluss, zehn Jahre nach der Verabschiedung der Biodiversitätsstrategie des Bundesrats im Jahr 2012 sei kein einziges der 18 gesteckten Ziele erreicht. Nur bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt im Wald sei die Schweiz auf Kurs. Bei zwei Dritteln der Ziele habe es keinerlei Fortschritte oder sogar Rückschritte gegeben.

(SDA)

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