Tiere
Bei Krankheit bleiben Ameisencliquen unter sich

Im dicht bevölkerten Ameisenhaufen könnten sich Krankheitserreger schnell verbreiten. Taucht ein Erreger auf, ändern die Tiere jedoch ihr Verhalten und schützen so die Königin und ihren Nachwuchs, berichten Forschende der Uni Lausanne mit Kollegen aus Österreich.
Publiziert: 22.11.2018 um 21:00 Uhr
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Aktualisiert: 23.11.2018 um 10:45 Uhr
Königin und Arbeiterinnen mit QR-Codes: Dank dieser Markierung konnten Forschende das Verhalten jeder einzelnen Ameise eines Staates nachvollziehen.
Foto: Timothy Brütsch

Ein Ameisenstaat bedeutet Gewimmel auf engstem Raum. Für Krankheitserreger wäre es ein leichtes, sich auszubreiten. Wenn Ameisen nicht eine Strategie entwickelt hätten, die Verbreitung von Krankheiten zu minimieren. Von einer solchen Strategie berichten Forschende um Laurent Keller von der Universität Lausanne und um Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) im Fachblatt "Science".

Wenn ein Erreger im Ameisenstaat auftaucht, ändern die Sechsbeiner demnach ihr Verhalten: Die verschiedenen Gruppen von Arbeiterinnen bleiben dann mehr unter sich, wie die Uni Lausanne und das IST Austria am Donnerstag mitteilten.

Im Laufe ihres Lebens wechseln Ameisen den Job: In ihrer Jugend kümmern sich die Arbeiterinnen um die Brutpflege im Zentrum des Ameisenstaats, in höherem Alter arbeiten sie mehr in der Peripherie und schwärmen als Kundschafterinnen in die Umgebung aus. Dabei sind sie viel stärker dem Risiko ausgesetzt, sich mit Krankheitserregern zu infizieren und sie in die Kolonie einzuschleppen.

In einem Laborexperiment markierten die Forschenden über 2200 Gartenameisen (Lasius niger) mit einer Art Mini-QR-Code auf dem Rücken, um Individuen unterscheiden zu können. Anschliessend nahmen Infrarotkameras jede halbe Sekunde ein Bild auf, so dass die Wissenschaftler die Bewegung jedes Individuums und seine Kontakte mit Artgenossen nachvollziehen konnten.

Kontaktepunkte werden bei Krankheitsfällen neu ausgelegt

Bereits unter Normalbedingungen herrscht demnach eine klare Trennung zwischen den verschiedenen Gruppen. Dies diene als Prophylaxe und reduziere das Risiko, dass sich Krankheiten ausbreiten, schrieben die beiden Forschungsinstitutionen.

Das ist aber noch nicht alles: Als die Forschenden alle Kundschafterinnen (10 Prozent der Arbeiterinnen) krankmachenden Pilzsporen aussetzten, änderte der gesamte Ameisenstaat sein Verhalten. Die Insekten bemerken demnach offenbar den Erreger und verstärken ihre Prophylaxe-Stratgie.

"Die Ameisen ändern, wie und mit wem sie interagierten", sagte Cremer gemäss der Mitteilung. Die Cliquen werden stärker, der Kontakt zwischen den Cliquen minimiert: "Kundschafterinnen interagieren mehr mit Kundschafterinnen, Brutpflegerinnen mehr mit Brutpflegerinnen", so die Forscherin.

"Das ist die erste wissenschaftliche Studie die zeigt, dass eine Tiergemeinschaft fähig ist, aktiv ihre Organisation zu ändern, um die Verbreitungen von Krankheiten zu reduzieren", liess sich Laurent Keller von der Uni Lausanne in der Mitteilung zitieren.

In einem weiteren Schritt konnten die Forschenden auch nachweisen, dass diese Strategie wirkt: Die Kundschafterinnen übertrugen nur auf wenige Artgenossen eine hohe Dosis der Pilzssporen, die gefährlich für die Tiere wird. Stattdessen erhielten mehr Ameisen eine geringe Dosis, mit der das Immunsystem der Insekten gut fertig wird und die sogar eine Art Immunschutz bewirkt.

Besonders niedrig war die Dosis an übertragenen Sporen bei besonders jungen Brutpflegerinnen, die dem Staat noch lange Zeit dienen können, und der Königin, die im Gegensatz zu den Arbeiterinnen fortpflanzungsfähig ist. "In einer Kolonie müssen nicht alle Tiere geschützt werden", erklärte Keller, "aber die wertvollsten Individuen sollten überleben."

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