Nicht alle tun es gleich gern!
Warum uns Tiere Halt geben

Tiere halten uns geistig fit und reduzieren unser Stressempfinden. Karin Hediger (39), Expertin für tiergestützte Psychologie, erklärt, was es mit «Emotional Support Animals» auf sich hat. Und weshalb Hunde sich besser dafür eignen als Reptilien.
Publiziert: 19.08.2023 um 20:17 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2023 um 12:04 Uhr
«Tiere bewerten nicht, was wir tun», sagt die Expertin.
Foto: Getty Images
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Valentin RubinRedaktor Service

Allein die Anwesenheit von Tieren führe dazu, dass sich unser Puls verlangsame und unser Blutdruck senke, sagt Karin Hediger (39), Professorin für klinische Psychologie an der Universität Basel und Präsidentin der Gesellschaft für Tiergestützte Therapie und Aktivitäten (GTTA). «Bauen wir zusätzlich eine Bindung zu einem Tier auf, kann das unserer Psyche langfristig guttun.»

Grund dafür sei der Fürsorgeinstinkt, der tief in uns stecke, sagt Hediger. Ein Tier zu halten bedeute, sich darum zu kümmern und Verantwortung zu übernehmen. «Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle und reduziert unser Stressempfinden.»

Sie hat selbst vier Haustiere

Karin Hediger (39) ist Assistenzprofessorin für klinische Psychologie und tiergestützte Interventionen an der Universität Basel. Daneben amtet sie als Präsidentin der Gesellschaft für Tiergestützte Therapie und Aktivitäten (GTTA) und als Präsidentin des Instituts für die interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT). Sie lebt in Basel und hat zwei Katzen und zwei Chinchillas.

Zvg

Karin Hediger (39) ist Assistenzprofessorin für klinische Psychologie und tiergestützte Interventionen an der Universität Basel. Daneben amtet sie als Präsidentin der Gesellschaft für Tiergestützte Therapie und Aktivitäten (GTTA) und als Präsidentin des Instituts für die interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung (IEMT). Sie lebt in Basel und hat zwei Katzen und zwei Chinchillas.

Wer über mehrere Jahre ein Haustier hat, profitiert auch kognitiv. Forschende der Universitäten Florida, Michigan und Virginia stellten 2022 in einer Studie fest, dass Menschen über 50 Jahren, die seit mindestens fünf Jahren ein Haustier haben, eine bessere Gedächtnisleistung haben als Menschen ohne Haustiere. Das könnte damit zusammenhängen, dass der Stress, den die Tiere beim Menschen reduzieren, den kognitiven Abbau im Alter bremst.

Unterstützung bei psychischen Problemen

Von den positiven Effekten der Tierhaltung können gemäss Hediger insbesondere Menschen mit psychischen Problemen oder Autismus profitieren. «Diese Menschen haben oft Schwierigkeiten, zu anderen Menschen eine enge Beziehung aufzubauen.» Es könne für sie einfacher sein, eine Bindung zu einem Tier aufzubauen. «Tiere bewerten nicht, was wir tun, und es ist ihnen egal, wie wir aussehen, solange wir uns gut um sie kümmern.»

Streicheln, füttern, spielen: Haustiere aktivieren den Fürsorgeinstinkt in uns.
Foto: Getty Images

In den USA hat sich für Tiere, die eine besonders enge Beziehung mit Menschen eingehen, ein eigener medizinischer Begriff etabliert: «Emotional Support Animals» – Tiere zur emotionalen Unterstützung. Die Tiere sind nicht speziell ausgebildet. Sie sollen den Haltern allein durch ihre Anwesenheit ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit geben.

Nicht jedes Tier ist geeignet

Solche Tiere zur emotionalen Unterstützung dürfen in den USA Menschen an Orte begleiten, an denen eigentlich keine Tiere erlaubt sind – in Flugzeuge, in Restaurants oder in manche Läden. Eine entsprechende Verordnung muss von einer medizinischen Fachperson angeordnet werden. Da nicht genau festgelegt ist, welche Tierarten als «Emotional Support Animal» erlaubt sind, kommt es immer wieder zu skurrilen Fällen. In Philadelphia sorgte zum Beispiel ein Mann für Aufsehen, weil er regelmässig mit seinem Alligator spazieren geht. Er brauche das Tier als emotionale Unterstützung in seinem sonst einsamen Alltag, so seine Begründung.

Karin Hediger bezweifelt, dass Wildtiere geeignet sind, uns emotional Halt zu geben. Nicht zuletzt wegen des Tierwohls. «Wir können es nicht missachten, nur damit es uns bessergeht.» Bei domestizierten Tieren wie Hunden, Meerschweinchen oder Pferden sei das anders. Diese brauchen zwar auch Auslauf, müssen spielen dürfen und sich ausruhen können. «Aber sie sind den Umgang und engen Kontakt mit Menschen gewöhnt.»

Umarmung ohne Risiko: Der US-Amerikaner Joseph Henney (70) legte sich vor sieben Jahren einen Alligator namens Wally zu – als emotionale Unterstützung in einer schwierigen Lebensphase, wie er sagt.
Foto: Getty Images

Eisbrecher in Therapien

Das Potenzial von Tieren als emotionale Begleitung im Alltag sei gross, sagt Hediger. «In der Schweiz ist das Bewusstsein dafür erst wenig ausgeprägt.» In psychologischen Therapien lasse sich beobachten, dass ratsuchende Menschen weniger gehemmt seien, wenn Tiere im Raum sind. «Sie können in dieser Situation als Eisbrecher dienen.»

Auch in Altersheimen sei der positive Effekt von Tieren, die anwesend sind, gut belegt, fügt Hediger an. Menschen mit fortgeschrittener Demenz seien viel wacher und aufmerksamer, wenn Tiere anwesend seien. «Sie haben die Möglichkeit, das Tier zu füttern und zu streicheln, ohne sprachlich mit ihnen interagieren zu müssen.»

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