Eine Fähigkeit, die ich gerne hätte: Witze erzählen, dass sich die Leute kugeln vor Lachen. Das Problem fängt aber schon damit an, dass ich mir meist nur einen einzigen Witz merken kann.
In dieser Kolumne wird es leider nicht lustig. Im Gegenteil, das Verhalten der Schlupfwespe gehört vielleicht zum Grausamsten, was die Evolution hervorgebracht hat. Aber das ist ein Urteil aus menschlicher Sicht. Bekanntlich sind wir ebenfalls eine Spezies, die zu schlimmsten Gräueltaten fähig ist – und im Gegensatz zu uns sind sich Schlupfwespen ihres Tuns höchstwahrscheinlich nicht bewusst.
Quälend langes Sterben
Schlupfwespen leben als Parasitoide – was bedeutet, dass sie den Wirt töten, von dem sie sich ernähren. Schlupfwespen legen ihre Eier an oder in den Körper eines Wirtes, zum Beispiel einer Schmetterlingslarve. Natürlich haben sie ein Interesse daran, das Sterben ihres «Ernährers» herauszuzögern – die Hautflügler-Untergruppe hat sich geradezu spezialisiert darin. So fressen die jungen Schlupfwespen erst das Fett ihres Opfers, danach machen sie sich an Organe, die der Wirt nicht zwingend zum Überleben benötigt. Mit Hormonen sorgen sie dafür, das Leben ihrer Futterquelle in die Länge zu ziehen – ein aus unserer Warte quälend langes Sterben.
Sie manipulieren sogar Spinnen
Und es wird noch düsterer: Die Schlupfwespen schaffen es teilweise sogar, das Verhalten ihrer Wirte zu beeinflussen – indem sie deren Hormonhaushalt verändern. So baut eine Spinnenart ein Verpuppungsnest – nicht, weil es einen Nutzen für sie hätte, sondern ihrem Parasiten zuliebe, da das Nest den kleinen Schlupfwespen als Schutz dient.
Die Brutalität der Schlupfwespen (Ichneumonidae, wie die Gruppe auf Lateinisch heisst) hat sogar dem berühmten Naturforscher Charles Darwin den Glauben an den lieben Gott genommen. In einem Brief schrieb er: «Ich kann mich nicht davon überzeugen, dass ein wohlwollender und allmächtiger Gott die Ichneumonidae mit der Absicht erschaffen haben sollte, dass sie sich vom Inneren von Raupen ernähren (…).»
Etwas viel Grausamkeit? Vielleicht kann ich Sie mit einem Witz aufheitern – dem einzigen, den ich derzeit kenne. Spazieren zwei Schälchen auf der Strasse. Kommt ein drittes dazu. Was sagt es? «Schäli zämä».
Simon Jäggi (38) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Wissenschaftlicher Rat: Prof. Christian Kropf.