Auf einen Blick
- Weihnachtspullover-Trend: Kitschige Mode erobert die Festtagszeit
- Ursprung in 1980er-Jahren, durch Hollywood-Filme populär geworden
- Gucci und Ralph Lauren bieten hochpreisige Versionen an
Als Camilles Vater Emily den Mantel abnimmt, steht den Anwesenden der Schock ins Gesicht geschrieben. Auf Emilys kitschigem Weihnachtspulli ist ein braunes Rentier abgebildet, das einen gemusterten Schal trägt, dessen rote Nase blinkt schrill. Um das Rentier hängen Weihnachtskugeln und blinkende Lichter. «Ein hässlicher Weihnachtspulli», kommentiert Emily lachend das Offensichtliche. «Du weisst, dass er hässlich ist, und trotzdem trägst du ihn freiwillig?», fragt Camille verdutzt.
Diese Szene aus der Netflix-Serie «Emily in Paris» stellt überspitzt einen Brauch dar, der sich immer mehr ausbreitet: Weihnachtspullover mit schrillen Farben, übertriebenen Weihnachtsmotiven und viel Glitzer. Seit einigen Jahren wird im angelsächsischen Raum sogar ein «Ugly Christmas Sweater Day» gefeiert, der jährlich am dritten Freitag im Dezember stattfindet – dieses Jahr also heute.
Für den Stilexperten Jeroen Van Rooijen (54) sind die auffälligen Weihnachtspullis «das Äquivalent zu Halloween: bei uns kulturfremd, unnötig und meist ziemlicher Quatsch». Im Grund seien diese Pullover klassische Norweger, doch mit der Zeit wurden sie laut Van Rooijen immer absurder interpretiert. Ein bisschen sei es wie mit Comedy: «Auf 100 untalentierte Witze-Erzähler gibt es dann doch zwei, die zum Brüllen komisch sind.»
Gepusht von TV-Shows und Hollywood
Der Ursprung der Tradition geht auf die 1980er-Jahre zurück, als amerikanische Fernsehmoderatoren in ihren Weihnachtssendungen humorvolle Weihnachtspullover trugen. In den folgenden Jahren wurden die Pullis zu Kassenschlagern. Vorangetrieben durch Hollywood-Produktionen wie «Kevin allein zu Haus» oder «Bridget Jones» ist der globale Hype um die ulkige Weihnachtsmode rund 40 Jahre später nicht mehr wegzudenken.
Auf Social Media ist der Ugly-Christmas-Sweater-Trend besonders bei Menschen aus den USA gross. Doch auch in der Schweiz tragen junge Leute im Dezember gerne auffällige Pullis. So auch auf der Blick-Redaktion: «Je absurder, desto besser», findet Olivia Ruffiner (27). «Die Welt ist schon genug ernst, da darf man mit witzigen Pullis die Stimmung etwas auflockern.» Severin Pfeffer (29) findet Weihnachtspullis einfach süss, «am liebsten solche, die was Dreidimensionales haben». Für Michel Imhof (33) liegen die Vorteile der Sweater auf der Hand: «Sie geben schön warm, sind meist kuschelig weich und ergänzen die wunderbare Zeit von Glühwein, Weihnachtsmarkt und warmen Liechtli.»
Kleidungsstück mit kurzer Halbwertszeit
Dass besonders junge Menschen kitschige Weihnachtspullover tragen, wundert Van Rooijen nicht: «Wenn man schlank, jung und hübsch ist, dann sieht sogar ein bescheuerter Pullover gut aus.» Anders sehe es aus, wenn man schon ein bisschen aus der Form gegangen oder gealtert sei – dann könne einem so ein Pullover, ästhetisch gesehen, den Todesstoss geben.
Mittlerweile haben auch namhafte Modehäuser wie Gucci oder Ralph Lauren solche auffälligen Pullis im Sortiment. Doch meist sind die schrillen Christmas-Sweater weder von hochwertiger Qualität noch besonders nachhaltig, sondern billige China-Ware aus synthetischen Materialien. Bei Lidl sind Weihnachtspullis zeitweise für zehn Franken erhältlich. Die Pullis haben eine kurze Halbwertszeit: Sie werden nur an zwei bis drei Wochen im Jahr getragen, elf Monate fungieren sie bestenfalls als Schrankhüter. Im schlechteren Fall werden sie ein Jahr später günstig ersetzt, da ein neuer Gag her muss – die Bilanz in Sachen Nachhaltigkeit sieht verheerend aus. Auch deswegen sind Weihnachtspullis für den Stilexperten «ein totaler Nonsens: ein Kleidungsstück, das man nur einmal im Jahr tragen kann».
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