Es beginnt mit einer Lederjacke in Metallic-Tönen. Die junge Sophia Amoruso, gespielt von Britt Robertson (26, «Under the Dome»), entdeckt sie zu Beginn der Netflix-Serie «Girlboss» in einem Secondhand-Laden von San Francisco. Der zickige Inhaber lässt sich von zwölf auf neun Dollar herunterhandeln. Anschliessend sagt sie ihm, dass es sich um ein seltenes Original der Firma East West Musical Instrument Company aus den 1970er-Jahren handelt: «Ich habe dich abgezockt.»
Sophia Amoruso, heute 32 Jahre alt, kennen in Europa vor allem modebegeisterte Teenagerinnen. In den USA gilt die Kalifornierin als Vorzeigefrau des American Dreams und als Ikone des Online-Shoppings. 2006 beginnt sie, Vintage-Teile im Internet zu verkaufen,
2016 steht sie mit einem Vermögen von 280 Millionen Dollar auf der «Forbes»-Rangliste der reichsten Selfmade-Millionärinnen – vor Beyoncé. Ihre Marke «Nasty Gal» (heisst so viel wie «böses Mädchen») steht mittlerweile für neu produzierte Kleider mit Rock-'n'-Roll-Attitüde und der Erfolgsritt ist vorbei: Seit ein paar Monaten steckt das Unternehmen in einem Insolvenzverfahren. Amoruso ist als CEO zurückgetreten und erfindet sich gerade neu als Anwältin für Frauenpower in der Geschäftswelt. Dabei könnte sie allein von den Einnahmen ihres Bestseller-Romans «#Girlboss» leben, erhältlich auch in Deutsch.
Essen fischt sie aus Mülltonnen, den Rest klaut sie.
Jetzt also die gleichnamige Serie, zu sehen ab sofort auf Netflix. Die 13-teilige Eigenproduktion des Streaming-Giganten orientiert sich am Buch. Regie führte grösstenteils der Deutsche Christian Ditter (40, «How to Be Single»), Schauspielerin Charlize Theron (41) amtete als Executive Producer.
Die Geschichte der jungen Frau, die aus Mülltonnen isst und in Läden klaut, bevor sie zu ihrer wahren Berufung findet, scheint für die Film-Verantwortlichen zu wenig kommerzielles Potenzial zu haben. Deshalb ist «Girlboss» auch noch eine Comedyserie. Schade, denn das quirlige Naturell der Hauptperson wirkt stellenweise so überzeichnet, dass es nur noch nervt.
Mit der Selbstverständlichkeit des Digital Native
Wie sich Amoruso mit der Selbstverständlichkeit der Digital Natives zur Marke macht, ist hingegen so faszinierend wie ihre assortierte Hippie-Garderobe. Sie lichtet sich in den Klamotten ab, die sie auf Ebay verkaufen will – und hebt sich damit von der Konkurrenz ab. Ein alter Perserteppich dient ihr als Hintergrund, die Inszenierung könnte glatt aus der «Vogue» stammen.
Die Jungunternehmerin bewegt sich mit der Leichtigkeit eines Zierfischs durch die Welt der sozialen Medien und weiss: Hier sind schlechte User-Ratings so geschäftsschädigend wie Ratten in einer Restaurantküche. Deshalb überwindet sie für die rechtzeitige Lieferung eines Hochzeitskleids schon mal ihre panische Angst vor Brücken.
Die Lederjacke der East West Musical Instrument Company verkauft Amoruso übrigens später in der Serie für über 600 Dollar.