Slow-Fashion-Bewegung Sashiko
Vorstich sticht hervor

Der einfachste aller Nähstiche könnte unseren verschwenderischen Modekonsum flicken. Die japanische Reparaturtechnik Sashiko macht es seit 300 Jahren vor.
Publiziert: 19.09.2018 um 20:19 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2018 um 20:22 Uhr
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Dank der Slow-Fashion-Bewegung hoch im Kurs: die uralte Reparaturtechnik Sashiko.
Stephanie Rebonati

Vor ein paar Tagen sorgte eine Schlagzeile für kollektives Stirnrunzeln: «Burberry stoppt Verbrennen von nichtverkaufter Kleidung». Wie bitte? Genau. Weil sich Exklusives besser verkaufen lässt, vernichtete die briti­sche Luxusmarke Burberry im letzten Geschäftsjahr Kleidung im Wert von 32 Millionen Euro. Eine hässliche Verschwendungsorgie fürs Luxusimage: Wer den Ausverkauf per se ausschliesst, garantiert hohe Preise und somit eine erstklassige Klientel. Mit dem Verheizen von Klamotten aber sei jetzt Schluss. Firmenchef Marco Gobbetti sagte: «Moderner Luxus bedeutet, sozial und ökologisch verantwortlich zu sein.» Bravo.

Keine Billigkleider, keine Hungerlöhne

Plattitüden dieser Art wurden auch reihum gereicht, als am 24. August 2013 die achtstöckige Rana-Plaza-Textilfabrik am Rande von Dhaka in Bangladesch eingestürzt war und mehr als 1100 Menschen unter sich begraben hatte. Keine Billigkleider, keine Hungerlöhne, kein unökologischer Modekonsum mehr, hiess es in Zeitungen und sozialen Medien. Nun, fünf Jahre später, schlagen wir uns mit solchen Burberry-Zitaten rum und sehen uns fast gezwungen, lauen Beifall zu leisten, weil ein Luxus­gigant als Vorbild auftritt.

Sashiko: Stil und Ethik in einem

Doch die wahren Helden sind nicht die Konzerne, sondern Menschen wie Katrina Rodabaugh. Nach dem Einsturz des Fabrikgebäudes in Dhaka schwor die amerikanische Künstlerin, fortan keine neuen Kleider mehr zu kaufen – und hält bis heute daran fest. Sie begann zu flicken, machte sich in Sachen Textil­kunde und Näharbeit schlau und stiess so auf Sashiko, eine Reparaturtechnik aus der japanischen Edo-Zeit zwischen 1603 und 1868, die nun dank der Slow-Fashion-­Bewegung eine Renaissance erlebt. In wenigen Wochen erscheint ihr neues Buch «Mending Matters» (frei übersetzt: «Flickarbeit ist von Belang»), in dem sie erklärt, wie Sashiko funktioniert.

Sashiko ­bedeutet übersetzt Stäbchen

Bauern und Kunsthandwerker setzten die Technik vor vielen Jahrhunderten ein, um Boro-Bekleidung herzustellen. Jacken und Hosen aus Stoffresten, vornehmlich aus selbstgesponnenem Hanfgarn, weil Baumwolle rar und Seidenkimonos zu teuer waren. Die traditionell weissen Sashiko-Stiche hielten die verschiedenen indigoblauen Textilien zusammen und kreierten so eine Ästhetik, die ­heute als typisch ja­panisch gilt. Sashiko ist raffiniert einfach. Schliesslich handelt es sich um den einfachsten aller Stiche: den Vorstich. Die Krux ist, ihn so gerade und gleichmässig wie möglich auszuführen. So hält er am besten und zeichnet die geometrischen Muster, für die er berühmt ist. Eine Naht aus Vorstichen sieht aus wie eine gestrichelte Linie – Sashiko ­bedeutet übersetzt Stäbchen.

Verhältnis zur Mode flicken

Man nehme Nadel, Garn, eine zerrissene Jeans, und los: ­Rodabaugh erklärt, wie man Flickarbeit und Verzierung in einem ­erzeugt und wie man durch diese repetitive ­Arbeit einen Beitrag ­leistet. «Währenddem wir unsere Kleider flicken, entschleu­nigen wir unseren Konsum und vertie­fen ­unser Verständnis von Qualität, Komposition und Handwerk. Im Grunde flicken wir so unser­ Verhältnis zur Mode.» 

Katrina Rodabaugh: Mending Matters, ­Abrams Books. Erscheint am 16. Oktober (E).

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