Oh, okay, why not?» – warum nicht –, soll Bob Mackie gesagt haben, als er von der Wiederverwertung seiner Entwürfe erfuhr. Der 78-jährige Kalifornier designte in den 70er- und 80er-Jahren Bühnenkostüme für Elton John , darunter mit Pailletten besetzte Samtblazer, die an Zirkus-Clowns erinnerten, jede Menge hautenge Ganzkörperanzüge und Superhelden-Capes in Regenbogen-farben.
Diese Klassiker der Glamrock- und Disco-Ära kopiert Alessandro Michele nun teilweise eins zu eins für die Frühlings- und Sommerkollektion von Gucci. Der Hippie unter den Designern liess die Initialen E. H. J. (Elton Hercules John) in Form von Plüsch-Buchstaben auf Jacken nähen und interpretierte die Kunstfaser-Trainer neu, in denen der britische Sänger privat herumlief. Natürlich nicht ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen. Mit seiner Hommage an Elton John gibt Michele eine von zwei Hauptrichtungen vor, in die sich die Mode bewegt: Auf der einen Seite ist avantgardistische Streetwear auf dem Vormarsch, die an desillusionierte Ex-Ostblock-Bewohner erinnert, auf der anderen Seite, wie bei Gucci, verträumte Abend- und Nachtkleidung für Clubgänger und Paradiesvögel.
Modischer Hedonismus geht ganz schön ins Geld
Das Stichwort dazu: Realitätsflucht. In unsicheren politischen Zeiten scheinen sich modeinteressierte Menschen gerne nostalgischen Gefühlen hinzugeben. Die 80er-Jahre waren von wirtschaftlichem Aufschwung geprägt, die Mode dementsprechend kurzlebig und ausgeflippt.
Die heutige Generation von Konsumenten hat eine ähnliche Ausgangslage. «Sie gründet heute erst spät im Leben Familien und hat deswegen genügend Einkommen übrig, um einen gewissen Hedonismus zumindest optisch auszuleben», sagt Einzelhandel-Expertin Katie Smith in einem Interview mit dem US-Lifestyle-Portal Refinery. «Die 80er stehen heute immer noch für die Verdrängung von allem Unschönen im Leben.» Nicht nur Gucci transportiert den Glanz vergangener Tage, auch Marken von Jungdesignern wie Zimmermann oder Osman verkaufen Kleider, über die Modestudenten vor ein paar Jahren noch die Nase gerümpft hätten.
Michael Halpern (29), Absolvent der Londoner Talentschmiede Central Saint Martins, vermischt die 80er mit den 70ern. Seine Outfits sind unter anderem vom Club Studio 54 inspiriert, dem einstigen Epizentrum der Dekadenz in New York. Donatella Versace (62) ist Halperns grösster Fan. Mit ihrem Label macht sie seit bald 40 Jahren nichts anderes, als vergangene Jahrzehnte aufleben zu lassen.
Dass andere mit seinen Ideen Geld verdienen, lässt Bob Mackie kalt. Die heutige Mode langweile ihn, sagt er zur US-«Vogue». Zu seiner Zeit konnte er noch provozieren. Ein durchsichtiges Kleid, das er für Cher entworfen hatte, schaffte es 1975 auf das Cover von «Time». Der Verkauf der Ausgabe des Magazins wurde in einigen prüden US-Städten verboten. Mackie: «Ein lustiger Gedanke, wenn man an die heutigen Stars denkt, die oft fast gar nichts mehr anhaben.» l