«Dior and I»
Ein Dokfilm mitten aus dem Luxus

Der Dokumentarfilm «Dior and I» zeigt den Einstieg des belgischen Star-Designers Raf Simons bei Christian Dior. Er öffnet uns die Tür ins teuerste Fach der Modewelt.
Publiziert: 17.08.2015 um 16:12 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 03:15 Uhr
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Das Blumenmeer der Couture-Show sieht man auch im Finale der Doku «Dior and I».
Foto: Getty Images

Dokumentarfilme aus der Welt der Mode sind hip. Der neuste dieser Disziplin heisst «Dior and I» und ist auch für Modemuffel spannend.

Ausgangslage ist das aufregendste High-Fashion-Ereignis der letzten Jahre: der Stellenantritt von Raf Simons (47) als neuer Chefdesigner des französischen Traditionshauses Christian Dior. Der Belgier war vorher Chefdesigner bei Jil Sander – einem ursprünglich deutschen Label, das für schlichtes, minimalistisches Design steht.

Simons selbst: ein Kopfmensch mit intellektuellem Zugang zur Mode, interessiert an Architektur und ­Futurismus. Einer wie er, an der Spitze der Marke Dior, ihrerseits bekannt für feminine Silhouetten und romantische Abendgarderoben. Kann das gut gehen?

Wenn der neue Chef mit seinen Wünschen nervt

«Mon français, c’est pas très bien», sagt Raf Simons, als er das erste Mal vor sein Team im Dior-Atelier an der Pariser Avenue Montaigne tritt. Er wirkt nervös, offensichtlich überwältigt, am Ort zu stehen, wo Modeschöpfer Christian Dior nach dem Zweiten Weltkrieg die Frauenmode von ihrer traurigen Strenge befreite. Tränen gibts bei Simons aber erst später.

Er wechselt ins Englische: «Ich freue mich sehr, mit euch zu arbeiten!» In nur acht Wochen muss er – zum ersten Mal in seiner Karriere – eine Haute-Couture-Kollektion auf die Beine stellen. Haute Couture ist hohe Schneiderkunst, ihre Produkte sind sündhaft teure Extra-Anfertigungen aus aufwendigen Stoffen und luxuriösen Materialien wie Perlen oder Federn.

«Dior and I» gibt einen Einblick in dieses exklusive Metier, ausgeübt von Schneidern und Nähern in weissen Kitteln, die jahrelange Erfahrung und enormes Geschick und Modeverständnis mitbringen. Ohne sie läuft im Dior-Atelier gar nichts. Köstlich die Szenen, in denen mütterlich wirkende Frauen wegen der Wünsche ihres neuen Chefs die Augen verdrehen. Selbst wenn er ihnen Blumen mit hand­geschriebenen Grusskarten sendet, vermuten sie dahinter das Wirken Pieter Muliers, Simons langjährigem Assistenten. In ihn sind alle ein bisschen verliebt.

Simons kriegt davon nichts mit. Man sieht den ehemaligen Möbeldesigner trotz Zeitnot kein einziges Mal Entwürfe skizzieren oder Stoffe zuschneiden. Stattdessen ist er im Museum unterwegs, wo er zum Beispiel ein Gemälde des US-Künstlers Sterling Ruby sieht, das er auf Stoff drucken lässt. Das Drama ­offenbart sich Simons erst, als er die ersten zehn Kleider der Kollektion sehen will – und keines fertig ist. Der Couturier, sonst eher schüchtern, bekommt einen kleinen Wutanfall und beklagt sich bei der Chefin der Haute-Couture-Abteilung. Diese lässt ihn abblitzen.

Frauen mit 350'000 Euro Kleiderbudget – pro Saison

Den Zuschauern öffnet sich im Film die Tür in eine fremde Welt: Haute Couture können sich weltweit nur ein paar Hundert Frauen leisten. Eine dieser Frauen, erklärt die Chefin im Film, sei nicht restlos zufrieden gewesen mit ihrer Couture. Eine wichtige Schneiderin habe für Anpassungen augenblicklich nach New York fliegen müssen, deshalb sei man in Verzug. Und weiter: «Wenn eine Kundin pro Saison Kleider im Wert von 350 000 Euro bestellt, sage ich nicht Nein, wenn sie sofort Änderungen wünscht.»

Es sind genau diese Szenen, die mitreissen: Ein Superstar der Mode muss unter Zeitdruck sein Allerbestes geben und steuert dabei knapp am Nervenzusammenbruch vorbei.

Natürlich kommt am Schluss alles gut. Simons zeigt in einem ­Pariser Palais vor komplett mit Blumen bedeckten Wänden seine Show. Und wird dafür gefeiert. Anna Wintour, Chefredaktorin der US-«Vogue», bezeichnet daraufhin seine Ernennung zum Dior-Chef als «brillanten Schachzug».

Raf Simons, der sich intensiv auseinandersetzt mit dem Gründer­vater und dessen Erbe (im Film mit viel Archivmaterial gewürdigt), sagt: «Die Chanel-Frau erkennt man sofort. Ich will die Dior-Frau erschaffen.» 2011, nach dem unrühmlichen Abgang von Designer John Galliano, war Dior reif für eine Modernisierung, eine Verjüngung. Beides ist Simons in nur drei Jahren geglückt. Die Umsätze steigen, Prestige und Ansehen auch.

Im Film kommen Simons nach der Couture-Show die Tränen. Würde man jetzt nochmals eine Doku über ihn drehen, wäre er ­sicher um einiges gelassener.

«Dior and I» von Regisseur Frédéric Tcheng läuft ab Donnerstag in den Kinos.

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