Er ist Journalist, PR-Texter und Autor von Büchern wie «How to be a Star». Für sein neustes Werk, «Mann, Baby, Mann», sprach Mark van Huisseling (55) mit Männern übers Vaterwerden – darunter Christian Jott Jenny (41), Gemeindepräsident von St. Moritz. Und brachte seine eigene Story zu Papier. Er wuchs in Bern auf, ist verheiratet und hat einen dreijährigen Sohn Namens Jim. Van Huisseling sprach mit uns in seinem Büro im Zürcher Quartier Seefeld via Video-Chat.
BLICK: Herr van Huisseling, wie sind Sie als Vater?
Mark van Huisseling: Meine Frau sagt, herzig und liebevoll. Ich umarme meinen Sohn und nehme ihn zu mir hoch. Doch die grossen Kuschelbären sind wir beide nicht.
In Ihrem Buch erzählen Sie den Weg von sechs Männern zur Vaterschaft – einer davon sind Sie selbst. Warum interessiert Sie das Thema?
Weil ich relativ spät und unverhofft Vater wurde. Und es wenig Bücher über Kinder gibt, die sich an Männer richten.
Bevor Sie mit 51 Vater wurden, wurden sie mit 41 erst einmal Stiefvater. Können Sie kurz zusammenfassen, wie es dazu kam?
Meine damalige Frau wollte ein Kind, ich nicht. Wir machten darauf eine Beziehungspause. Nach sechs Monaten schlug ich ihr vor, es noch einmal zusammen zu versuchen, weil ich mir ein Kind jetzt doch vorstellen konnte. Meine Frau war aber schon von jemand anderem schwanger.
Was war in Ihrer Beziehung schiefgelaufen?
Timing ist etwas vom Wichtigsten, wenn es ums Kinderkriegen geht – unseres war alles andere als gut. Wir blieben zusammen, das Kind kam zur Welt. Doch der leibliche Vater, der im Ausland lebte, war mir dann doch etwas zu präsent in unserem Patchwork-Versuch – auch wenn er nur selten zu Besuch kam. Wir liessen uns scheiden.
Wie ging es weiter?
Eigentlich hatte ich damals bei der Partnerwahl vier No-Gos: Keine Frau mit einem Kind, keine mit Haustieren, keine mit einem Suchtproblem. Und keine religiöse Fanatikerin. Den ersten Punkt habe ich nicht eingehalten und kam mit einer Frau zusammen, die einen 4-jährigen Sohn aus einer früheren Beziehung hatte.
Immerhin haben Sie beim Thema Fanatismus keine Kompromisse gemacht.
Das kann man sagen. Geklappt hat es trotzdem nicht. Als Paar waren wir nicht kompatibel.
Vor sechs Jahren kamen Sie mit Ihrer heutigen Frau zusammen, mit 51 wurden Sie erstmals Vater. Laut Ihren Recherchen gab es im Jahr 2017, in dem Ihr Sohn Jim zur Welt kam, 319 Schweizer, die im selben Alter wie Sie auch zum ersten Mal Vater wurden. Sind das wenige oder viele?
Wenige sind es im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt, der mit 32 zum ersten Mal Vater wird. 2017 waren das rund 8000 Männer. Viele sind es, wenn man sich 319 nebeneinander auf einem Fussballfeld vorstellt. Aber ich bin schon eher eine Ausnahme – da mache ich mir nichts vor.
Apropos Fussball: Ältere Väter machen sich oft Sorgen, dass Sie mit ihrem Nachwuchs irgendwann körperlich nicht mehr mithalten können. Sie auch?
Vorläufig nicht. Ich bin Läufer, fit und gesund. Hinter mir hängt meine Startnummer vom Zürcher Silvesterlauf. Man sagt ja, 70 sei das neue 50. Daran will ich glauben. Das heisst aber nicht, dass ich in so hohem Alter nochmals Kinder machen möchte, wie das manche im Showgeschäft tun.
Auf wen spielen Sie an?
Zum Beispiel auf Julio Iglesias Puga, Vater von Julio Iglesias. Er wurde mit 88 noch Vater. Als er mit 90 starb, war seine damals 42-jährige Frau schon wieder schwanger.
Ihre Frau ist 16 Jahre jünger als Sie, diplomierte Betriebswirtschafterin und arbeitet in einer Beratungsfirma. Wie teilen Sie sich die Zeit für die Kinderbetreuung auf?
Sie arbeitet 80, ich 90 Prozent. Dreieinhalb Tage ist unser Sohn in der Kita. Den Teil des Buches, in dem es um meine Geschichte geht, habe ich geschrieben, als er 20 Monate alt war.
Sie konnten sich erst fürs Vatersein entscheiden, als Sie eine Frau trafen, die dem Kinderhaben offen gegenüberstand, aber auch ohne eines glücklich gewesen wäre. Warum war das so?
Weil ich erstmals mitentscheiden musste, und es nicht einfach hiess: «Ich will und du musst auch wollen.» Ich habe von Männern oft gehört, dass das mit dem Kinderkriegen bei ihnen einfach so passiert sei. Manchmal kam auch der Satz: «Ich wollte meine Frau nicht verlieren.» Da war ich komplizierter. Niemand tat so schwierig wie ich.
Sie kommen im Buch zum Schluss, dass viele Männer keinen Kinder-, sondern einen Familienwunsch haben. Was heisst das?
Sie sehen sich am Sonntagnachmittag im Olivengarten mit zehn Kindern und Enkelkindern am Tisch sitzen und hören sich sagen: «Schaut her, das ist meine Familie!» Beim Windelnwechseln, beim Nicht-mehr-Ausgehen oder Schlecht-Schlafen sehen sie sich weniger.
Die meisten Männer, die Sie porträtierten, sind rund 50 Jahre alt, arbeiten im Medien- oder Kreativbereich und wohnen in der Stadt. Alle sind relativ gut situiert und haben unkonventionelle Lebensläufe. Leute aus Bümpliz, wo Sie aufgewachsen sind, hätten vielleicht gesagt: Ich wurde Vater, weil man das halt so macht.
Das ist gut möglich. Die Auswahl in meinem Buch ist nicht repräsentativ. Sie besteht aus Menschen, dich ich mehrheitlich bereits kannte. Es ist schwer, Unbekannte dazu zu bringen, ihr Privatestes öffentlich zu machen.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren Vater?
Er hatte Jahrgang 1923 und war 42, als ich auf die Welt kam. Also auch schon relativ alt. Wenn er frei hatte, sass er meistens am Tisch und las Zeitung. Seine «Care-Arbeit», wie man das heute nennt, bestand darin, dass er mich zum Sport oder an ein Gewässer fuhr, wo ich meinem Hobby nachgehen konnte: dem Fischen.
Und Ihre Mutter?
Sie bejubelte fast alles, was ich machte. Geschwister hatte ich keine: Ich genoss ihre volle Aufmerksamkeit.
Gehören Sie zu den Männern, die in der Kindererziehung alles anders machen wollen als ihre Väter?
Ein bisschen präsenter, als mein Vater es war, möchte ich sein. Immer öfter fällt mir jedoch auf, dass ich ihm doch ähnlicher bin, als ich das noch mit 40 gedacht habe.
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie mit Ihrem Vater?
Wie er bewahre auch ich mir so gut wie möglich mein Leben als Erwachsener. Heute wird von einem Vater erwartet, dass er fünf Stunden Lego spielt mit seinem Sohn und dabei eine super Zeit hat. Das kann ich von mir nicht behaupten.
Was macht Ihnen denn Spass?
Einen Spaziergang machen und Blättli oder so ansehen – dafür bin ich zu haben. Oder zusammen Büechli anschauen. Jim gefällt jetzt erstmals etwas aus meinem Universum: der Song «Wir sind die Roboter» von Kraftwerk. Das finde ich super.
Welches ist die neuste Entwicklung, die Sie an ihm beobachten?
Er hat gerade die Kraft von Aussagen wie «Papa, ich habe dich ganz fest gern» entdeckt – und setzt sie ein, wenn er zum Beispiel seinen Lieblingstrickfilm «Peppa Wutz» schauen will. Weil sich das langsam abgenutzt hat, hat er jetzt etwas Neues entdeckt: «Ich habe dich heute soooooo vermisst.»
Mark van Huisseling (55) wuchs als Sohn eines Holländers und einer Österreicherin in Bern-Bümpliz auf. Nach einer Wirtschaftsausbildung stieg er in den Journalismus ein, arbeitete als Kolumnist und hatte 2010 ein eigenes Promi-Format auf Pro7. Sein Markenzeichen waren verspiegelte Sonnenbrillen. Huisseling hat mehrere Bücher veröffentlicht und wohnt mit Ehefrau und Sohn in Zürich.
Mark van Huisseling (55) wuchs als Sohn eines Holländers und einer Österreicherin in Bern-Bümpliz auf. Nach einer Wirtschaftsausbildung stieg er in den Journalismus ein, arbeitete als Kolumnist und hatte 2010 ein eigenes Promi-Format auf Pro7. Sein Markenzeichen waren verspiegelte Sonnenbrillen. Huisseling hat mehrere Bücher veröffentlicht und wohnt mit Ehefrau und Sohn in Zürich.