Ein Junge auf einer Bank, Kopfhörer über den Ohren, an der Wand hinter ihm Graffiti - der Junge blickt der Betrachterin, dem Betrachter direkt entgegen. Eine Szene, wie sie sich in jeder grossen Stadt zutragen könnte. Oder zwei Mädchen auf einer Brücke, schemenhaft, nur in ihren Konturen sichtbar. Auch diese Brücke, mit Graffiti besprüht. Dieser Szene ist ebenfalls nicht anzusehen, wo sie sich zuträgt.
Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie die Fotokünstlerin Malika Diagana die Menschen ihrer Stadt in Licht und Schatten setzt. Sie selbst sagt über ihre Arbeit, Fotografieren, das sei schreiben mit Licht ("Photographier, c'est écrire en lumière"). Für sie stehe Schwarz und Weiss für die Dualität «in jedem von uns», erzähle «die Geschichte von Licht und Schatten», schreibt sie auf ihrer Homepage.
Diese Geschichte erzählt sie aus den Strassen Dakars. Dabei vermittelt sie ein anderes Bild von Afrika, als das, das man sich in der Schweiz landläufig macht: nicht Elend, sondern Lebendigkeit, Urbanität und Coolness - wie eben der Junge mit seinen Köpfhörern. Auf Diaganas Fotos ist Dakar «sehr modern und grossstädtisch», sagt Bettina Kubli vom Verein Der andere Blick gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Der Lebensstandard ist in Dakar zwar tiefer als etwa in Zürich, «aber die Fotos vermitteln eine Lebendigkeit, von der wir uns vieles abschauen können», so Kubli. «Die Fotos der Strassenszenen mit Graffiti oder dem Meer zeigen ein realistisches Bild von der Kunstmetropole Dakar.» Die meisten der ausgestellten Fotos fangen Strassenszenen ein, ein paar wenige sind gestellte Porträts.
Bettina Kubli ist Initiantin des Vereins Der andere Blick, der sich seit 2017 zum Ziel setzt, jungen Fotografinnen aus Afrika und Asien in der Schweiz die Gelegenheit zu bieten, ihre Fotos und Geschichten auszustellen. Nach Ausstellungen von Fati Abubakar aus Nigeria (2018) und Deepi Asthana aus Indien (2019) ist Malika Diagana nun die dritte Fotografin, die diese Plattform in der Photobastei erhält.
Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Ausstellungen aus der Reihe «Der andere Blick» sei die aktuelle nicht offensichtlich politisch, so Kubli. Diaganas politische Botschaft steckt im Bild vom modernen Afrika.
«An Malika Diaganas Fotos hat mich angesprochen, wie sie über das Schwarz-Weiss und die dadurch entstehenden Grautöne Licht einfängt.» Fasziniert zeigt sich Kubli zudem von den «Porträts der Frauen» und der Vielfalt der Wirklichkeit in Dakar, die die Bilder zum Ausdruck bringt. Die Personen sind oft nicht zu erkennen, sie werden von hinten gezeigt oder nur in ihren Konturen ausgeleuchtet.
Die Fotografin Malika Diagana wurde 1982 in Mauretanien geboren; aufgewachsen ist sie in einer multikulturellen Familie. Seit Ende ihrer Schulzeit lebt sie hauptsächlich in Senegal. Sie hat Grafikdesign und Computergrafik studiert, sich in Videotechnik sowie Lichtmanagement eingearbeitet. Der Fotograf Djibril Sy hat in seinem Unterricht ihre Liebe zur Fotografie geweckt.
2015 hat Diagana an der Kunstmesse Rencontres de Bamako ausgestellt, 2018 wurde sie an das Fotofestival in Lagos eingeladen. Sie gehört zur jungen Generation von Fotografinnen und Fotografen aus Westafrika, die seit den 1990er Jahren auch in der westlichen Kunstwelt mit wachsender Aufmerksamkeit wahrgenommen werden.
Fotos von Diagana wurden bereits in Ausstellungen in Deutschland und Frankreich gezeigt. «Light and Soul. Urban Life in Dakar» ist in der Photobastei bis 24. Oktober zu sehen.
(SDA)