Die Familienfrau, die sich unsterblich in einen anderen Mann verliebt hat. Der Ehemann, dessen Frau sich schon vor vielen Jahren aus der Sexualität zurückgezogen hat. Die Mitdreissigerin, die sich stets in die falschen Männer verliebt. Der junge Mann aus streng konservativem Elternhaus, der nicht weiss, wie er mit seiner Homosexualität umgehen soll. Sie alle und viele mehr melden sich in der Sexberatung des BLICK.
Die sehr persönlichen Fragen der Schweizerinnen und Schweizer formen ein wahres Kaleidoskop von sexuellen und amourösen Anliegen, das derart bunt und vielseitig ist, dass es sich nur schwer zusammenfassen lässt. Lustlosigkeit ist ein grosses Thema.
Früher galt es noch als klassisches Frauenanliegen. Heute melden sich aber auch immer mehr Männer, die keinen Bock haben. Oder es sind ihre Partnerinnen, die sich wundern, warum gerade ihrer keine Lust hat, wenn Männer doch angeblich immer nur an das eine denken.
Spezielle Vorlieben und der Umgang damit werden ebenfalls oft thematisiert. Viele wundern sich, warum sie gerade auf dieses oder jenes stehen, nicht wenige schämen sich sogar dafür. Andere fühlen sich als Sklave ihrer unbändigen Lust oder befinden sich in einem regelrechten Kampf mit ihrem Körper: Frauen leiden darunter, dass sie beim Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus erleben, Männer sind überzeugt, dass ihr Penis zu klein ist.
Liebe, ein weit häufigeres Thema
Klassische Sexthemen machen übrigens nur etwa einen Drittel der Fragen aus, die im Ratgeber gestellt werden. Das weit häufigere Thema ist die Liebe. Singles rätseln, warum sie niemanden finden. Männer und Frauen verlieben sich Hals über Kopf, obwohl sie vergeben sind. Viele wollen einen Ex-Partner zurück, weil sie zu spät erkannt haben, wie leer das Leben ohne diese Person ist.
Betrug und Affären beschäftigen derart viele Paare, dass es seltsam anmutet, wie sehr wir als Gesellschaft noch immer so tun, als wären sie Ausnahmeerscheinungen, die nur wenige Unglückliche betreffen.
1980 fing es an
Die erste Schlagzeile, unter der Marta Emmeneggers Rubrik 1980 startete, lautete: «Selbstbefriedigung ist keine Schande». Das ist heute kein Thema mehr. Spannend ist, wie konstant gewisse Themen seit den Zeiten von Marta Emmenegger und Eliane Schweitzer immer wieder auftauchen.
Trendthemen gibt es auch. Vor einigen Jahren galt es noch als schick, gemeinsam zu kommen, und viele Paare erkundigten sich nach entsprechenden Tipps, um diesen angeblich krönenden Moment der gelebten Liebe zu erreichen. In den letzten sechs Jahren wurde dieses Anliegen nur ein einziges Mal geäussert.
Alternative Beziehungsformen zur monogamen Partnerschaft werden heute wieder offener diskutiert, das erste Mal in der Geschichte der Menschheit ist das aber definitiv nicht. Und wenn Online-Dating für Fragen und Nöte sorgt, dann zeigt sich bei genauerem Hinschauen, dass es eigentlich auch dort um alte, urmenschliche Fragen geht: Dinge wie Verletzlichkeit, Zurückweisung und Anerkennung.
In Schweizer Betten herrscht kein Trübsal
Sexualität ist nun mal ein Dauerbrenner. Ganz einfach, weil sich in ihr das Leben an sich und menschliche Grundbedürfnisse spiegeln. Sex beschäftigt irgendwie alle. Selbst die, die keinen haben und keinen wollen, kommen nicht um das Thema herum.
Bei all den Sorgen darf man nicht vergessen: In Schweizer Betten wird nicht nur Trübsal geblasen, und es werden nicht nur Sorgen gewälzt. Schweizerinnen und Schweizer lieben gerne. Sie sind Beziehungstiger, die sich darum bemühen, dass eine Partnerschaft harmonisch und erfüllt ist. Sie mögen nicht die Feurigkeit und Verspieltheit anderer Kulturen zeigen, sind aber offener, als es ihr Image verspricht. Schweizer sind nämlich durchaus neugierig, was Sex angeht, und sie probieren einiges aus, auch wenn sie es nicht an die grosse Glocke hängen.
Sexualität ist kein Schicksal, sondern eine Kompetenz
Guttun würde den Schweizerinnen und Schweizern, wenn endlich anerkannt würde, dass Sexualität kein Schicksal ist, sondern eine Kompetenz. Also dass guter Sex etwas ist, das man lernt und sich aneignet, und nicht etwas, das den einen in einer Art Jackpot-Mentalität zugelost wird, während die anderen unveränderlicher Weise leer ausgehen.
Unsere sexuelle Bildung ist fast komplett auf Schadensbegrenzung angelegt. Ja nicht krank werden! Ja nicht schwanger werden!
Nun mögen dies zweifellos wichtige Themen sein, aber Lust und Wohlbefinden sind es auch. Die vielleicht grösste Provokation ist heute, wenn Lust als Unterrichtsfach propagiert wird. Kein anderes Thema lähmt und provoziert wie dieses. Dabei stützt eine starke, stabile, erblühte Sexualität einen Menschen als Ganzes. Und die Rede ist nicht von einer Turbosexualität im Sinne von «Möglichst viel und möglichst abgefahren», sondern von sexueller Autonomie und einem wohlwollenden Umgang mit Körper und Geist, der Positives ermöglicht.
Gute Liebhaberinnen und Liebhaber können nicht nur ihrem Gegenüber Lust und Erfüllung verschaffen, sondern auch sich selbst. Denn sie fühlen sich in ihrem Körper und in der eigenen Geschlechtsidentität zu Hause und schaffen sich so ein Stück Wohlbefinden und Stärke, das unweigerlich auch in alle anderen Lebensbereiche ausstrahlt.
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Caroline Fux weiss Rat und gibt Tipps zu Unsicherheiten und Sorgen im Bereich von Lust und Liebe. Schreiben Sie Ihr Problem per E-Mail an caroline@blick.ch oder per Post: Caroline Fux, Ringier AG, Dufourstrasse 23, 8008 Zürich.