In der Serie «Sex Education» kennt der scheinbar asexuelle Otis die Probleme seiner Mitschüler. Durch seine Mutter, die Sextherapeutin ist und ihre Vorlieben auch zu Hause auslebt, versteht der 16-Jährige etwas von missglückten Bettgeschichten und weiss, welche Ratschläge zu geben sind. Eine Businessidee ist schnell da und die geheime Sex-Therapie an der Schule schnell im Gespräch. Doch taugen die Ratschläge auch fürs echte Leben?
Wie in einer Therapiestunde
So lautet das Problem von einem seiner ersten Kunden beispielsweise: Er will beim Sex das Licht anlassen, doch sie will nicht, dass er sie nackt sieht. Den Grund findet Otis schnell: Sie mag ihren Körper nicht. Der Schüler rät den beiden, an deren Kommunikation zu arbeiten: «Ihr müsst euch auf einen klaren verbalen Verkehr einigen. Hört auf, passiv zuzuhören, und fangt an, euch aktiv zuzuhören. Sagt euch, was ihr aneinander mögt.» Das Mädchen fordert er zudem auf, schöne Dinge an sich selbst zu nennen.
Gut, aber unrealistisch
Für einen 16-Jährigen, der selbst noch keine sexuellen Erfahrungen sammeln konnte, sind die Ratschläge erstaunlich gut. Auch die Probleme seiner Mitschüler wirken realistisch. So scheint es, dass echte Therapeuten wohl auf dieselben Probleme ähnliche Antworten wie der 16-Jährige geben würden. Otis hat immer ein offenes Ohr, viel Geduld, kann gut zuhören und nimmt seine Klienten ernst – Eigenschaften eines wahren Therapeuten.
Weniger realistisch hingegen ist die Umsetzung seiner Beratung. Meist funktioniert das Sexleben seiner Kunden wieder auf Anhieb. Im echten Leben sollten sich Paare hier wohl eher kein Beispiel nehmen und sich nicht unter Druck setzen lassen, denn tiefgründige Beziehungsprobleme lassen sich oft nicht nur mit einem Ratschlag lösen. Dennoch steckt hinter seinen Tipps, wie «In der Liebe geht es nicht um grosse Gesten», ein grosses Stück Wahrheit.
Ironische Gegensätze
Doch die Serie vermittelt zwei Botschaften, die irgendwie nicht ganz zusammenpassen. Alle sind testosterongeladen, jeder fühlt sich unter Druck, endlich Sex zu haben, und die Sextherapie mutiert beinahe zu einem Trend. Auf der anderen Seite ist da der unerfahrene Otis, an dem man aufzeigen will, dass man sich keinen Stress machen soll und es in Ordnung ist, wenn man eher ein Spätzünder ist. Dieser Aspekt wird von den lustvollen Teenagern aber leider überdeckt.
Wer Sexprobleme hat, darf in die Serie reinschauen, sollte sich auf Otis’ Therapie aber lieber nicht verlassen. Unterhaltsam ist «Sex Education» aber auf jeden Fall. (bnp)