Ich (67) musste während meiner Ehe viele Jahre sexuell zurückstecken. Vor drei Jahren hatte meine Frau einen schweren Unfall. Ich habe sie bis ans Ende meiner Kräfte gepflegt. Jetzt ist sie im Heim, und es geht mir viel besser. Ich besuche sie, aber das Verhältnis ist höflich distanziert. Nachträglich bereue ich, sie überhaupt geheiratet zu haben oder dass ich mich nicht früher scheiden liess. Mich belastet meine Lust auf Sex. Prostituierte bringen nur kurz eine Erleichterung, genau wie Selbstbefriedigung. Wenn ich eine Frau kennenlerne, schreckt sie zurück, weil ich ja noch verheiratet bin. Herbert
Lieber Herbert
Mit der Reue ist es so eine Sache. Nimmt man sie als Signal, die Dinge zu hinterfragen und etwas zu ändern, ist sie ein wichtiger Wegweiser im Leben. Beschränkt man sich darauf, längst vergangene Dinge zu bedauern, ist aber Reue nur Ballast.
Nichts und niemand kann deine Ehe rückgängig machen und dir die gelebte Zeit zurückbringen. Umso wichtiger ist es, dass du jetzt Entscheidungen triffst, hinter denen du wirklich stehen kannst. Das ist kein Plädoyer für eine schnelle Scheidung. Falls du nach einer Absolution suchst, deine Frau zu verlassen, kann diese nur von dir selber kommen. Denn du musst mit den Konsequenzen leben.
Aus deinem Mail spricht eine grosse Kränkung, wie viel du bisher ausgehalten hast und wie wenig es dir gebracht hat. Aber: Schicksalsschläge kann man nicht kontrollieren, seine eigenen Entscheidungen schon. Dein Leben lang war deine Frau für dich die Blockade zu deiner Erfüllung. Dass sie das sein konnte und weiter ist, ist aber auch deine Entscheidung. Denn du lebst nach deinen moralischen Werten, und die lösen sich nun einmal nicht einfach auf. Besser wird es dir erst gehen, wenn du voll und ganz hinter deiner Lebensgestaltung stehst, statt andere für deinen Verzicht verantwortlich zu machen.