Fux über Sex
«Die Beschneidung hat mein Leben zerstört»

L. (43, m) war schon mehrmals in psychiatrischen Behandlung
Publiziert: 18.02.2021 um 14:22 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2021 um 14:23 Uhr
Caroline Fux, Psychologin und Sexologin.
Foto: Aissa Tripodi
Caroline Fux

Ich wurde mit sechs Jahren beschnitten, und es hat mein Leben zerstört. Ich wurde deswegen als Kind gehänselt und bin aus diesem Grund zum Bettnässer geworden. Das Schlimmste ist, dass weder meine Eltern noch mein damaliger Arzt sagen konnten oder wollten, warum es gemacht wurde. Es sei Routine gewesen. Ich war schon bei fast dreissig ambulanten Psychiatern und über zwanzig Mal in stationärer Behandlung, auch wegen Suizidversuchen. Ich weiss nicht, was ich noch probieren könnte. L. (43, m)

Lieber L.

Dramatisch schlechte Verläufe nach Beschneidungen sind zwar selten, deshalb aber nicht weniger real. Leider werden die Betroffenen oft viel zu spät und zu wenig ernst genommen, weshalb sie noch tiefer abrutschen.

In einem ständig wechselnden Setting ist es in der Regel nicht möglich, Geschichten wie deinen die Aufmerksamkeit zu widmen, die sie brauchen. Du verdienst eine Fachperson, die sich mit Sexualität auskennt und die mit dir schaut, wie du deinen Penis nicht mehr als Feind, sondern in all seiner Versehrtheit wieder als Teil von dir erleben kannst.

Es ist so gut nachvollziehbar, dass du wissen möchtest, warum du damals beschnitten worden bist. Die brutale Wahrheit ist, dass sich vielleicht kein Grund rekonstruieren lässt. Erst recht nicht einer, der auch nur ansatzweise dein immenses Leiden rechtfertigen würde. Manchmal sind hartnäckige Entzündungen der Auslöser, sehr oft einfach die diffuse Überzeugung eines Elternteils oder Behandlers, dass eine Beschneidung irgendwie normal oder besser wäre.

Frag dich, ob du in dir etwas Kraft findest, deine Geschichte und deinen Körper vielleicht nochmals mit neuen Augen zu betrachten. Dabei geht es nicht darum, deine persönliche Tragödie kleinzureden. Es geht darum, zu schauen, wer du mit deinem Körper jenseits dieses Schmerzes auch noch bist.

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Weiss, was die Menschen bewegt: Caroline Fux.
Aissa Tripodi

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