Kim Kardashian und Emily Ratajkowski haben mit einem gemeinsamen Nackt-Selfie nachgedoppelt und so das Blutt-Bild von Kardashian von vor ein paar Wochen verteidigt. Die Botschaft? «Wir lassen uns nicht diktieren, wann und wie wir unsere Körper zeigen dürfen.» Sie fordern das Ende des «Slut shamings» (frei übersetzt «Schlampen tadeln»), also des Heruntermachens von Frauen, die ihre Sexualität feiern und die sich nicht in eine brave Rolle drängen lassen wollen.
An sich löbliche Forderungen. Als Kämpferinnen für Selbstbestimmung und eine ganzheitliche Wahrnehmung der Frau und ihrer Fähigkeiten machen die beiden aber eine schlechte Figur. Ihre Nacktheit ist kein Befreiungsschlag oder erfrischender Bruch mit dem Image, das sie bisher aufgebaut hatten. Es ist kein «Ihr kennt mich so, aber ich kann auch anders», sondern irgendwie mehr vom gleichen. Es hat keine Sprengkraft, wenn Kim Kardashian noch mehr von sich zeigt. Es ist keine Provokation, wenn ein Model seinen schönen Körper zeigt.
Es geht um Macht und viel Geld
Die beiden Frauen verkaufen ihre Postings als selbstlose und heroische Beiträge im Kampf für die Rechte der Frau. Im Zentrum steht aber nicht die Sache der Frau, sondern ihre eigene. Dort mag es durchaus um Selbstbestimmung gehen, es geht aber auch, und das macht die Sache störend, um Macht und viel Geld. Und zwar nicht «für die Frau», sondern fürs eigene Konto.
Es ist verständlich, dass die beiden weder auf ihre Körperlichkeit reduziert werden wollen, noch dass man ihnen verbietet, sie zu feiern. Aber es reicht nicht, mehr vom gleichen zu tun, nämlich mehr von sich zu zeigen und nur zu tweeten «Wir sind mehr als unsere Körper». Die feministische Antwort wäre gewesen, das weibliche Selbst mit Vielschichtigkeit zu feiern: Durch die Finisher-Urkunde von einem absolvierten Rennen, ein Bild vom Nachmittag mit der betagten Person, die sie glücklich gemacht haben oder einem Diplom eines weiterführenden Schulabschlusses. Was auch immer. Das Problem dabei? Kein Posting dieser Art hätte eine ähnliche Aufmerksamkeit erregt wie die Nacktbilder. Sprich: kein Posting dieser Art wäre ähnlich lukrativ gewesen.
Follower führen zu Geld
Andere Menschen am eigenen Leben teilhaben zu lassen, ist heute ein Geschäftsmodell. Der Kardashian-Clan hat es perfektioniert. Die Gleichung ist einfach: Aufmerksamkeit führt zu Followern, Follower führen zu Geld. Die Pflege des Fans ist eine Pflege des Kunden und nichts liebt ein Grossteil der Kunden mehr als nackte Haut und ein Skandal.
Zugegeben: Es ist heikel, Kardashian und Ratajkowski vorzuwerfen, dass sie mit der Präsenz in sozialen Medien Geld verdienen. Aber man darf sich daran stören, dass sie etwas als feministischen Dienst inszenieren, das in einem derart krassen Ausmass ihren Marktwert steigert. Wenn ihre Botschaft wäre «Es ist unser recht, mit unserem Körper Geld zu verdienen», dann würde die Sache aufgehen. Mit der Vielschichtigkeit der Frau und der Freude an der eigenen Sexualität zu argumentieren, ist daneben.
Es bleibt en schaler Beigeschmack
Kardashian ist bekannt dafür, Unmengen an Mitteln in die Gestaltung ihres Äusserens zu investieren. Sie ist ein Fan von Botox und Füllern und für ihren Markenzeichen-Makeup-Look werden über 50 verschiedene Produkte benötigt – pro Schminksession. Nichts davon ist ein Verbrechen und nichts davon soll sie davon ausschliessen, mitzudiskutieren, wie sich eine Frau heute zu zeigen und zu verhalten hat, aber es bleibt ein schaler Beigeschmack in der Diskussion um das Körperbild der Frau.
Ähnliches gilt für Ratajkowski, die faktisch nackt durch Robin Thickes «Blurred Lines» Video tänzelt und das als Ausdruck ihrer Sexualität versteht. Das Model wünscht sich in ihrem Tweet «einen Ort, an dem Frauen sexuell sein können, wenn sie das wollen». Korrekt. Aber soll dieser Ort wirklich die Öffentlichkeit sein? Und ist das dann wirklich ein Dienst an der Frau?
Bitte nicht im Namen der Frau!
Sollen Kardashian und Ratajkowski also züchtiger und leiser werden? Überhaupt nicht. Es ist wichtig, dass sich Frauen so positionieren können, wie sie es für richtig halten. Hier greift die Botschaft tatsächlich. Aber bitte in ihrem eigenen Namen und nicht im Namen der Frau. Trotz allem ist es gut, dass es Frauen gibt wie Kim Kardashian und Emily Ratajkowski. Denn ob man es mag oder nicht: Die beiden stehen auch für Erfolg. Die Substanz dieses Erfolges mag nicht jedem passen, aber auch in ihm steckt viel Arbeit.
Vielleicht ist das Grundproblem so oder so, dass die Zeit der feministischen Kampfaktionen schlicht und einfach abgelaufen ist. Grosse Gesten funktionieren nicht mehr, weil sie der Vielseitigkeit der Genderthemen nicht gerecht werden.
Es geht nicht immer um die eigene Inszenierung
Dringender als einen Feminismus brauchen wir einen echten Humanismus. Also eine Haltung von Respekt, die nicht durch eine Brille schaut. Egal, ob diese Brille «Geschlecht», «Rasse», «Religion» oder sonst etwas umfasst.
Wir brauchen Vorbilder. Männer und Frauen, die zuversichtlich ihren Weg gehen, egal ob er traditionell oder unkonventionell ist. Männer und Frauen, die tun, was sie lieben und andere beflügeln, es ihnen gleich zu tun. Männer und Frauen können sich auch Kardashian und Ratajkowski als Vorbilder aussuchen. Aber wenn es um Menschenwürde und -rechte geht, ist es wichtig, dass Vorbilder es schaffen, zu transportieren, dass es nicht nur um eine Inszenierung geht.
An Kim Kardashian und Emily Ratajkowski bleibt noch eine Bitte: Dass ihr eure Körper liebt und eure Mittelfinger heben könnt, wissen wir jetzt. Zeigt uns nun auch, was sonst noch in euch steckt. Mit der gleichen Leidenschaft, aber vielleicht etwas mehr Tiefgang. Auch wenn die Followerzahlen dadurch nicht sofort explodieren.