«Hier bin ich der Kolumbianer, dort der Schweizer»
1:40
Latin-Star Loco Escrito:«Ich will als Sieger aus der Krise hervorgehen»

Latin-Star Loco Escrito über Heimat, Talent und seine Trennung
«Eine Zeit lang habe ich sehr gelitten»

Er gehört zu den erfolgreichsten Musikern der Schweiz und liefert mit seinem Latin-Pop seit Jahren den Sommer-Soundtrack. Loco Escrito (30) über seine zweite Heimat Kolumbien, sein grösstes Talent und sein Liebesleben.
Publiziert: 01.08.2020 um 13:44 Uhr
|
Aktualisiert: 02.08.2020 um 12:42 Uhr
1/10
Nicolas Herzig, wie Loco Escrito mit bürgerlichem Name heisst, mit seiner Gitarre und der Gold-Auszeichnung für sein aktuelles Album «Estoy Bien», z. dt. «Es geht mir gut».
Foto: Siggi Bucher
Interview: Anna Lea Spörri

SonntagsBlick: Sie sind einer der erfolgreichsten Schweizer Musiker, sicher der erfolgreichste Latin-Musiker hierzulande. Was wollen Sie noch erreichen?
Loco Escrito: Ich will zu den grössten Künstlern dieser Zeit gehören.

Und wie merkt man das?
Ich kann das nicht an einer Anzahl Streams oder einem Auto festmachen, das ich mir leisten kann. Ich muss einfach immer weiterkommen, mich immer weiterbewegen.

Die Plattentaufe Ihres zweiten Studioalbums konnten Sie im Januar noch machen, der Grossteil der Tour ist ins Wasser gefallen. Sind Sie jetzt wieder zurück auf der Bühne?
Ja, im coronakonformen Rahmen. Autokinos, das Distancing Festival, ein Festival unter Einhaltung aller Abstands- und Hygieneregeln und solche Sachen.

Wie war das Gefühl, nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen?
Krass. Es hat wahnsinnig gutgetan. Wenn man etwas liebt und es immer macht, vergisst man manchmal, warum man es so gern macht.

Aber Sie leben ja auch von den Shows, die Sie machen. Wann rechnen Sie damit, wieder normale Konzerte spielen zu können?
Wann ich meine Tour fortsetzen kann, weiss nur Gott. Sie würde im September wieder losgehen, wir suchen aber schon Daten fürs nächste Jahr, falls sie wieder verschoben werden müsste. Solange kein Impfstoff vorhanden ist, wäre es naiv von uns Musikern, fest davon auszugehen, wieder Konzerte spielen zu dürfen.

Sie sind in Medellín geboren, wuchsen aber in Wetzikon auf. Wünschen Sie sich manchmal, in Kolumbien geblieben zu sein?

Goldjunge

Nicolas Herzig, wie Loco Escrito mit bürgerlichem Namen heisst, wird am 27. Januar 1990 in Medellìn, Kolumbien geboren. Er wächst in Wetzikon ZH auf. Als Jugendlicher fängt er als Teil der Rapgruppe «LDDC» mit der Musik an. Seit 2013 ist er solo unterwegs. Der Durchbruch gelingt ihm 2016 mit dem Song «Sin Ti». Loco Escrito gewinnt bereits einen European Music Award, zwei Swiss Music Awards und hat mehrere Singles mit Platin- oder Goldstatus.

Nicolas Herzig, wie Loco Escrito mit bürgerlichem Namen heisst, wird am 27. Januar 1990 in Medellìn, Kolumbien geboren. Er wächst in Wetzikon ZH auf. Als Jugendlicher fängt er als Teil der Rapgruppe «LDDC» mit der Musik an. Seit 2013 ist er solo unterwegs. Der Durchbruch gelingt ihm 2016 mit dem Song «Sin Ti». Loco Escrito gewinnt bereits einen European Music Award, zwei Swiss Music Awards und hat mehrere Singles mit Platin- oder Goldstatus.


Manchmal frage ich mich, wie wohl meine Karriere verlaufen wäre. Vielleicht noch besser? Ich hätte wohl früher an mich geglaubt. Hier habe ich immer in einer Sprache gesungen, die die Leute nicht verstehen. Es ist schon schön, wenn du im Studio bist und jeder versteht, was du schreibst und singst. Aber seit ich Vater bin, sehe ich die Vorteile der Schweiz. Die Corona-Krise hat in Kolumbien zum Beispiel eine ganz andere Dimension.

Ihr Vater lebt dort, Ihr Bruder hat auch für ein Jahr in Kolumbien gewohnt. Fühlen Sie sich in Kolumbien zu Hause?
Ja, emotional fühle ich mich dort sehr daheim. Strukturell fühle ich mich hier mehr zu Hause, weil ich weiss, wie alles läuft. Trotzdem ist man in beiden Ländern «der Ausländer». Hier bin ich der Kolumbianer, dort der Schweizer. Das ist aber okay. Man hat als Doppelbürger viel mehr Vor- als Nachteile.

Vor bald fünf Jahren sind Sie Vater geworden, Ihre letzte Single haben Sie Ihrer Mutter gewidmet. Die Familie scheint für Sie das Wichtigste zu sein.
Ja, die Familie ist einer der wichtigsten Grundpfeiler in meinem Leben. Wenn ich eine Reihenfolge machen müsste, wären meine Tochter, meine Familie, meine Freunde und auch die Mutter meines Kindes zuoberst. Und ich selbst. Wenn man sich selbst nicht als sehr wichtig empfindet, kann man auch nicht für andere da sein.

Mit der Mutter Ihres Kindes sind Sie schon seit dessen Geburt nicht mehr zusammen. Es gibt aber eine neue Frau an Ihrer Seite.
Mittlerweile nicht mehr.

Sie haben sich getrennt?
In der Öffentlichkeit wurde das noch nicht so thematisiert, aber wir sind schon seit Mai nicht mehr zusammen. Eine Zeit lang habe ich sehr gelitten. Zum Glück geht das dann irgendwann vorbei, auch wenn man das in dem Moment nicht glaubt. Im Oktober kommt eine Single auf den Markt, in der es um diese Trennung geht.

Wie heisst der Song?
«Triste», also auf Deutsch «traurig». Es ist eine Herzschmerz-Single. Sie klingt weniger nach Sommer und mehr nach Herbst. Ich freue mich wahnsinnig auf den Release. Es ist ein sehr authentischer Song.

Im April haben Sie Ihre aktuelle Single «Ámame» veröffentlicht.
Genau. Es läuft sehr gut, wir haben auch schon über die Hälfte der Verkäufe für den Goldstatus der Single erreicht, in der Schweiz liegt der bei 10000 Verkäufen. Vor einigen Tagen haben wir gerade eine Salsa-Version des Songs veröffentlicht.

Trotzdem: Für Künstler sind die Zeiten derzeit hart.
Klar hat man nicht die gleichen Plattformen wie sonst. Man gibt keine Konzerte, die Leute treffen sich nicht, um gemeinsam deine Musik zu hören. Trotzdem sind wir sehr zufrieden mit dem Erfolg der Single, und «Ámame» ist ganz klar ein Sommerhit dieses Jahres.

Wer ist eigentlich «wir»?
Das sind seit dem Anfang die gleichen Menschen. Meine Manager sind meine besten Freunde. Ich kenne sie, seit ich 14 Jahre alt bin. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Du musst bei den Leuten bleiben, die dich schon vor deinem Ruhm gekannt haben. Viele Leute kommen heute zu mir und sagen: «Ich wusste schon immer, dass du es schaffst.» Das stimmt nicht. Meine Leute, mein Team sind die Menschen, die immer an mich geglaubt haben. Sie wissen auch, was es heisst, hart zu arbeiten. Es heisst, immer dran zu sein, immer zu priorisieren und alles zu geben für etwas.

Momentan verbringen Sie die meiste Zeit im Studio in Zürich-Altstetten.
Wir haben diese Lockdown-Zeit stark genutzt und uns mehr Zeit genommen fürs Studio. Das ist Einstellungssache. Wir wollen als Sieger aus der Krise hervorgehen und nicht als Verlierer.

In der Fernsehsendung «Sing meinen Song» haben Sie gesagt, dass Sie im Studio immer improvisieren. Wie geht das?
Eigentlich schreibe ich während des Singens. Das ist sehr schwierig zu erklären. Es kommt einfach aus mir heraus. Meine Melodien entstehen einfach, ohne dass ich sie gross plane. So kann ich meine Gefühle zu einem Song auch viel besser vermitteln.

Was inspiriert Sie?
Das Leben. Was ich, aber auch andere erleben und fühlen. In meinen Augen ist es in der Musik sehr wichtig, offene Ohren für andere zu haben und zu spüren, was die Leute beschäftigt.

Ein Traum von Ihnen ist es, für andere Künstler zu schreiben. Für wen?
Es geht mir nicht darum, für einen bestimmten Künstler zu schreiben. Ich will, dass das Lied gross wird. Es wäre fast noch schöner, wenn der Musiker nicht bekannt ist und er dann mit meinem Song eine Riesennummer wird. Beim Schreiben ist es sehr wichtig, dass du mit wenigen Worten viel sagst. Das beherrschen nur ganz wenige Leute. Songwriting ist meiner Meinung nach mein grösstes Talent.

Vor fünf Jahren hatten Sie einen schweren Motorradunfall, wären fast gestorben.
Das prägt mich noch heute. Ich habe täglich Schmerzen im Becken. Ich fahre sicher vorsichtiger und bewusster. Aber das Motorradfahren gibt mir extrem viel, das will ich nicht so einfach aufgeben. Heute sehe ich den Unfall als Segen. Er geschah ein halbes Jahr vor der Geburt meiner Tochter. Das hat mich wachgerüttelt. Wäre dieser Unfall nicht gewesen, weiss ich nicht, ob ich heute so viel Erfolg hätte. Von da an habe ich mir vorgenommen, keine Zeit mehr zu verlieren und hart an meiner Karriere zu arbeiten.

Ein Weckruf.
Ja, genau. Ein Durchschütteln. Schon vor dem Unfall dachte ich, dass ich viel arbeite. Im Vergleich zu heute war das nichts. Ich arbeite immer, ausser wenn ich Zeit mit meiner Tochter verbringe.

Das führt doch früher oder später zu einem Burnout.
Liebe führt nie zu einem Burnout. Wenn du deinen Job liebst, kannst du sehr viel arbeiten, das ist kein Problem.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?