Die einen haben jemanden an der Backe und wären wieder mal gerne alleine. Andere sind alleine und hätten gerne mal wieder jemanden an der Backe. Meistens will man eben genau das, was man gerade nicht hat. In Zeiten von Corona trifft das wohl auf vieles zu.
Aber bleiben wir beim Thema Beziehung. Wie Psychotherapeutin und Sexologin Dania Schiftan in einem Interview im SonntagsBlick Magazin vor ein paar Wochen schon erklärte, macht uns die Nähe zum Partner gerade zu schaffen, die Leidenschaft leidet. Jeder hat Sorgen, jeder ist belastet – da kommt es öfters zu Reibereien. Bei Singles, so die Therapeutin, gebe es die Glücklichen, die froh seien, alleine zu sein, und die, die das Alleinsein noch stärker wahrnehmen.
Daten war in den letzten Wochen erschwert. Trotzdem, so heisst es, erleben Dating-Apps wie Tinder während des Lockdowns einen Boom. Die Leute sehnen sich nach Flirts. Chats dauern derzeit länger, da persönliche Dates ausfallen. Angeblich tüftelt Tinder an einer neuen Funktion: dem Video-Chat. Die Dating-App hat in Zürich lokale Konkurrenz von Be My Quarantine bekommen. Eine Dating-Plattform, lanciert von drei Freunden, die anhand eines kreativen Fragebogens versuchen, Leute zu verkuppeln. Das erste Date: ein Video-Chat. Auf unsere Anfrage entschuldigt sich Selina, eine der Gründerinnen, erst einmal für die späte Rückantwort: «Bei uns ist grad viel los.» Ihr Konzept scheint anzukommen.
Die einen verlieben sich oder heiraten sogar
Das Zwischenmenschliche steht also nicht still. Kann es das je? Immer wieder hört man herzerwärmende Geschichten. Klar, nicht immer sind sie positiv. Wir haben die vielen getrennten Paare gesehen. Sie standen am Zaun, jeder in seinem Land. Dabei schien ihre Liebe doch grenzenlos. Oder die ehemalige Arbeitskollegin (58), die von ihrer Trennung mitten in der Corona-Zeit erzählt. Man sei zueinander gezogen, um den Lockdown gemeinsam durchzustehen. Doch das Aufeinander in den gleichen vier Wänden hätten die vielen Unterschiede hervorgebracht. Unterschiede, die man nicht bereit war, hinzunehmen. Man trennte sich nach drei Jahren. Corona, für so viele eine grosse Belastungsprobe.
Doch wir wollen Ihnen von drei schönen Liebesgeschichten erzählen. Die Leute verlieben sich auch in diesen wirren Zeiten, und sie heiraten sogar (lesen Sie die Kolumne unserer Autorin Milena Moser, die einen «Notfalltermin» auf dem Standesamt bekam und endlich Victor heiratete) oder sie stecken, wie unser erstes Paar, im Honeymoon fest.
Lange Flitterwochen
Seit über zwei Monaten sind sie im Honeymoon. Scherzhaft sagen sie: «Wohl der langweiligste Honeymoon ever!» Sie sitzen in einem gemieteten Haus in einer 800-Seelen-Gemeinde in Niederösterreich fest. 1200 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Sie kocht und macht Puzzles, er lernt eine Programmiersprache. Die einzige Abwechslung: der Besuch der Eltern und Schwiegereltern im Nachbardorf. Ja genau, Flitterwochen mit den Schwiegereltern. Wie das geht, fragen wir David. «Das geht gut. Sie sind nett. Er kenne sie ja bereits, aber so oft habe er sie vorher noch nie gesehen», sagt David (41) und lacht. Wie das alles kam, dass sie den Lockdown in der Pampa verbringen?
Die beiden heirateten am 7. März standesamtlich in Wien. «Wir waren eines der letzten Paare, die noch heiraten konnten», erzählt Eva (40). Danach waren sie eine Woche in den Skiferien in den Bergen. Die Flitterwochen fingen schon speziell an, zwei Freunde begleiteten die Frischvermählten. Dann verschärfte sich die Situation weltweit, Flüge wurden gestrichen, Grenzen geschlossen. Das Paar entschied sich, in Österreich zu bleiben und zu den Eltern der Braut zufahren, die in ihrem Landhaus in Niederösterreich verweilten. Ihr Vater erholte sich da von einer Operation. Weil die beiden nicht die Jüngsten sind, wollte die Tochter in ihrer Nähe sein und sie unterstützen.
Sie haben in ihrem eigenen Leben gerade auf Pause gedrückt. Es gehe ihnen gut. Dennoch seien die Emotionen hoch, sagt Eva. Sie seien im Ungewissen, was ihre berufliche Zukunft angehe. «Wir streiten schon etwas öfter», sagt jetzt David. Seine Frau interveniert und sagt im Scherz: «Willst du nicht sagen, wie gut du es findest, mit der Liebe deines Lebens hier zu sein?» David ist still. Dann lachen beide. Zumindest hat David das WLAN im Mietshaus «Honeymoon» genannt und als Passwort «Best Honeymoon ever» gewählt.
Letztes Wochenende hätten sie kirchlich heiraten wollen. Mit 300 Leuten. Doch sie mussten die Feier absagen und auf 2021 verschieben. Die beiden nahmen es locker, kauften eine Flasche Champagner, und Eva backte eine kleine Hochzeitstorte.
Liebe mit Abstand
Sie waren gemeinsam auf Reisen. Sechs Monate am Stück waren sie zusammen unterwegs und bereisten die Welt. Christoph, Anfang 20, entschied sich, länger zu bleiben. «Das macht man einmal im Leben und dann nie wieder», erzählt er letzte Woche am Telefon. Seine Freundin Sabine, auch Anfang 20, musste zurück in die Schweiz. Sechs Monate sahen sich die beiden nicht. Keine einfache Zeit. Eine grosse Belastung für die frische Beziehung. Aber auch als Christoph endlich zurückkam, wurde es nicht leichter. Sie konnten sich nur kurze Zeit sehen. «Dann fing das alles mit Corona an», sagt Christoph.
Dem St. Galler wurde als Einjährigem eine Leber transplantiert. Er schluckt täglich Medikamente, die sein Immunsystem unterdrücken, damit die fremde Leber nicht abgestossen wird. «Deshalb bin ich Risikopatient», sagt Christoph. Sabine war erkältet. Die beiden machten eine Pause und beschlossen, sich erst einmal nicht zu sehen, bis es Sabine besser geht. Dann kamen die ganzen Massnahmen und Regeln. Die beiden diskutierten, Christoph rief im Spital an. Mit Menschen, die ein Spenderorgan haben, habe man sehr wenig Erfahrung, erzählt er. Christoph wollte auf Nummer sicher gehen, die beiden beschlossen, sich nur mit Abstand für Spaziergänge zu treffen. Beim Spazieren hätte sich das fast so angefühlt, als seien sie beste Freunde. Trotzdem: Dieser Austausch draussen sei sehr wichtig gewesen.
Zwei Monate lang hielten sie sich daran. Trafen sich nur mit Abstand. Keine Umarmung, kein Kuss. «Das war sehr hart», sagt Christoph. «Eine weitere Belastung für unsere Beziehung.» Gerade weil man sich die Monate davor nicht sah und keine Zärtlichkeiten austauschen konnte. Letzte Woche war Christoph beim Arzt, seine Werte sind gut. Seine Freundin darf ihn nun wieder zu Hause besuchen. «Irgendwann muss man ja zur Normalität zurückkehren.» Als Sabine das erste Mal wieder zu ihm nach Hause kam, sei das sehr schön gewesen. «Es fühlte sich fast so an, als ob wir uns noch einmal neu kennenlernen», sagt Christoph und lacht.
Frisch verliebt
Es passierte am Freitag vor dem Lockdown. Er kam zu ihr an die Hochschule für ein gemeinsames Projekt. Sie trafen sich bereits einmal 2018. «Ich fand ihn da schon spannend», erzählt Marie (36) heute. Man sah sich danach noch an einem Musikfestival. Aber da sei sie vielleicht etwas peinlich gewesen, sagt Marie und muss lachen. Nachdem der geschäftliche Teil vorbei war, hätten sie noch lange im Flur gestanden und geschwatzt. Sie müsse weiterarbeiten, sagte sie, ergriff aber die Initiative und sagte: «Wir können das Gespräch ja bei einem Abendessen weiterführen?» – «Sehr gerne, ich schicke dir meine Nummer», sagte Sebastian (38).
Doch dann kam der Lockdown, und alle Restaurants und Bars waren geschlossen. «Wir sassen mit Bierflaschen an der Limmat. Und fragten uns: Dürfen wir hier überhaupt sitzen?» Sie haben die ganze Zeit geschwatzt, und plötzlich war es 23 Uhr. Beim Ciao-Sagen wusste Marie schon, dass sie ihn wiedersehen will. Und es dauerte nicht lange, und sie sassen an der gleichen Stelle mit einem Sixpack Corona. Marie lacht, als sie das erzählt. Als das Bier alle war, kam er zu ihr und blieb drei Tage.
Sie sprachen früh darüber, was beiden wichtig ist und wie es mit ihnen weitergehen soll. Sogar über Kinder und den Wunsch, einmal im Ausland zu arbeiten. Seine Eltern hat Marie auch schon kennengelernt. «Es war von Anfang an so vertraut», sagt Marie. Die beiden sehen sich am Wochenende und machen an einem Tag zusammen Homeoffice.
Weil sie sich während Corona kennengelernt hätten, sei es wie das erste Mal verliebt sein. Keine Ablenkung, sich voll und ganz auf einen Menschen einlassen. Normale Sachen machen: kochen, reden, auf dem Sofa sitzen. Bei all ihren Dates, die Marie hatte, konnte sie nie jemanden auf diese Weise kennenlernen. Die Zeit fehlte. Vielleicht entschleunigt Corona die Partnersuche. Denn in Tinder-Zeiten will sich ja kaum jemand von Anfang an schon committen. Marie und Sebastian sind auf jeden Fall gespannt, wie es mit ihnen weitergeht, denn der Lockdown ist ja vorbei.