Die Idee setzte sich in den 90er-Jahren durch: Mit dem Neubau eines Kunstmuseums - am besten einer architektonischen Ikone - sollte auch in weniger bekannten Städten ein Attraktionspunkt für den urbanen Tourismus geschaffen werden. Die Devise hiess: Kulturförderung ist auch Standortförderung.
Aushängeschild dieses Trends ist das 1997 eröffnete Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao. Es setzte den Massstab: Über eine Million Besucherinnen und Besucher werden pro Jahr gezählt.
In der Bodenseeregion heisst der Vorreiter Bregenz: Seit 1997 leistet sich die Vorarlberger Landeshauptstadt mit ihren knapp 30'000 Einwohnern ein spektakuläres Kunsthaus direkt am See. Der minimalistische Kubus des Architekten Peter Zumthor wurde im Jahr nach der Eröffnung mit dem renommierten Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur ausgezeichnet.
Es dauerte danach fast zwanzig Jahre, bis in der Ostschweiz ein Neubau mit ähnlichen Ambitionen realisierte wurde: Am 25. Juni öffnete in Chur der Erweiterungsbau des Kunstmuseums seine Türen. Alberto Veiga und Fabrizio Barozzi, zwei Architekten aus Barcelona, entwarfen einen fensterlosen Würfel mit einer Fassade aus Betonelementen. Er wirkt, als hätte es an der Bahnhofsstrasse genau dafür eine Baulücke gegeben.
Der Neubau steht in respektvollem Abstand neben der ehemaligen Villa der Familie von Planta. Unterirdisch sind die beiden Gebäude miteinander verbunden, zusammen beherbergen sie das Bündner Kunstmuseum. Das Parterre des Neubaus ist mit der Empfangstheke und einem kleinen Museumsshop karg möbliert. Zur Sammlung geht es in den unteren Stock. Zu sehen gibt es etwa Kirchner, Giacometti oder Segantini.
Gänge und Treppenstufen führen in den alten Teil, in die Villa. Und weil neue Kunstmuseen auch soziale Treffpunkte sind, gibt es dort in prunkvollen Räumen im Parterre ein stilvolles Café - sogar mit Tischen im Garten.
Graubünden musste die Ausgaben für sein architektonisches Schmuckstück nicht alleine stemmen. Der Neubau wurde massgeblich mitfinanziert vom 2015 verstorbenen Zürcher Industriellen und Banker Henry Carl Martin Bodmer, der 20 Millionen Franken an die Kosten von 28,5 Millionen Franken beisteuerte.
Fährt man danach auf der Tour zu den Kunstmuseen der Bodenseeregion auf der Autobahn in Richtung St. Gallen, folgt schon bald das nächste Angebot mit überregionaler Ausstrahlung: Im liechtensteinischen Vaduz, an der Gebäudezeile unter dem fürstlichen Schloss, steht ein Kubus voller Kunst. Seit 2015 gibt es zu dem im Jahr 2000 eröffneten Kunstmuseum mit seiner Fassade aus schwarzem Zement einen Erweiterungsbau, in dem die Hilty Art Foundation ihre renommierte Sammlung zeigt.
Das Museum ist ganz auf ein internationales Publikum ausgerichtet: Auf der Speisekarte im Museumscafé im Parterre findet sich nur ein Gericht: Sushi. Eine der Aufseherinnen ist in einen Japanisch-Kurs vertieft. Die Kunstwerke sind nummeriert und nicht beschriftet: Die Erklärungen finden sich in einem kleinen Führer, der in diversen Sprachen abgegeben wird.
Weiter auf der A13 in Richtung Norden erreicht man nach rund vierzig Minuten Fahrzeit St. Gallen. In der grössten Stadt der Ostschweiz ist das Kunstmuseum in einem 1877 fertiggestellten klassizistischen Bau am Rand des Stadtparks untergebracht.
Das Angebot ist puristisch und macht kaum Zugeständnisse an den modernen Kulturtourismus: Statt eines Cafés gibt es einen Getränkeautomaten, statt eines Audioguides Infoblätter. Sechs Seiten sind es zur aktuellen Ausstellung «The Dark Side of the Moon».
Zwar hat das St. Galler Kunstmuseum einen guten Ruf, wenn es um Wechselausstellungen zur Gegenwartskunst geht - aber der Platz für die eigene Sammlung fehlt weitgehend. Dies soll nicht so bleiben: Das bisher in den unteren Stockwerken untergebrachte Naturmuseum zieht im Herbst an den Stadtrand. Damit steht nun eine Erweiterung der Kunsträume an.
Mit dem Umbau scheint es aber nicht zu eilen: Der Baubeginn sei auf 2021 geplant, erklärt Stadtpräsident Thomas Scheitlin auf Anfrage. Gerechnet wird mit Ausgaben von 18,2 Millionen Franken. Mit einem Erweiterungsprojekt steht St. Gallen allerdings nicht alleine da: Im Nachbarkanton Thurgau gibt es ähnliche Pläne - auch sie haben Verspätung. Der Grund sind Querelen um die Finanzierung.
Das Thurgauer Kunstmuseum ist seit 1987 in der Kartause Ittingen in der Nähe von Frauenfeld untergebracht - unter anderem bekannt für ein gleichnamiges Bier. In der gleiche Anlage gibt es Seminarräume, ein Hotel und ein Restaurant. Wer das Kunstmuseum aufsucht, erhält einen Audioguide und bewegt sich selbständig durch die historischen Räumlichkeiten der Klosteranlage.
Wie der schon länger angekündigte Erweiterungsbau aussieht, ist noch nicht bekannt. Nachdem bis vor Bundesgericht gegen den Einsatz von Lotteriegelder in Höhe von 11,3 Millionen Franken bei Gesamtkosten von 13 Millionen Franken geklagt wurde, hat der Grosse Rat erst im Juni entschieden, dass das Projekt in Ittingen neu gestartet werden soll.