Er bezeichnet sich als «optimal pigmentiert» – weil das Wort «schwarz» negativ besetzt ist. Schwarzes Schaf, Schwarzer Peter, Schwarzarbeit, Schwarzfahren. Nguelas Publikum findets lustig. Seine grössten Fans am heutigen Abend: ein Ehepaar, beide vermutlich so um die 75. Sie grölen laut heraus, krümmen sich vor Lachen, wischen sich Tränen aus den Augen. Nach der Show macht Nguela Fotos mit Zuschauern. Die Nervosität – der Komiker mit Wurzeln im Kongo leidet unter schlimmem Lampenfieber – ist verflogen. Schwitzig sind seine Hände immer noch.
Herr Nguela, Sie bezeichnen sich als «Godfather of Black Swiss Comedy».
(lacht) Eigentlich nicht. Den Programmbeschrieb hat jemand anders für mich geschrieben. Ich würde mich selbst nie so nennen!
Wie dann?
Keine Ahnung. Es ist schwierig, etwas zu sagen, ohne eingebildet zu wirken.
Anders als in den USA oder Frankreich gibt es hierzulande wenig dunkelhäutige Komiker. Wie wichtig ist es für Ihre Show, dass Sie schwarz sind?
Meine Hautfarbe ist mein Markenzeichen. Und ich kann über Ausländerthemen sprechen, ohne dass es mir jemand übelnimmt – weil ich es selbst erlebt habe. Aber um Witze zu schreiben, ist es unwichtig. Schliesslich rede ich auch übers Frauenrecht und über Politik.
Und Sie machen sich über Schweizer Mödeli lustig. Früher aber haben Sie vorwiegend Witze über Ihre Herkunft und Ihre Hautfarbe gemacht. Warum?
Mein erstes Programm war für mich Therapie. Ich musste einen Weg finden, um mit dem Rassismus, dem ich hier begegnet bin, umzugehen. Ich habe gesagt, was ich sagen wollte, und mir jetzt neue Themen gesucht.
In welcher Form erleben Sie Rassismus in der Schweiz?
Im Tram setzen sich Leute manchmal nicht neben mich, sondern beäugen mich nur misstrauisch. Vielleicht haben sie Angst vor etwas Neuem oder Angst, ihre Kultur zu verlieren. Aber Angst rechtfertigt Rassismus nicht. Es gab auch schon Leute, die mich als Neger oder Sklaven bezeichnet haben. Das sind einfach Arschlöcher. Aber die gibts überall.
Ist es der richtige Weg, Diskriminierung zu bekämpfen, indem man Witze darüber macht?
Humor ermöglicht, über heikle Themen zu sprechen, die sonst totgeschwiegen werden. Hält ein Politiker eine Rede und zeigt ein Problem auf, fühlen sich die Leute oft angegriffen. Macht ein Komiker auf der Bühne das Gleiche – verpackt als lustige Anekdote –, haben die Menschen im Publikum eher das Gefühl, wir seien alle gleichgestellt. Der Komiker ist dann einer von ihnen, nicht jemand, der mit dem Finger auf sie zeigt.
Dann probieren Sie, auf der Bühne versteckt zu politisieren?
Ich versuche, die Leute zum Nachdenken zu bringen. Wenn sie an der richtigen Stelle lachen, weiss ich, sie haben sich wiedererkannt. Ob sie etwas damit machen? Keine Ahnung. Ich hoffe es.
Im Sommer wurden Sie wegen einer Swissmilk-Werbung angefeindet. Sie haben beim Schwingen gegen einen weissen Gegner verloren, wurden an den Hosen an der Wand aufgehängt …
(lacht auf) Ja. Ich kämpfte gegen einen 120 Kilogramm schweren Mann. Selbst wenn ich weiss wäre, hätte ich keine Chance gegen ihn gehabt. Uns ging es nur um den Sport, es sollte lustig sein. Wir haben nicht daran gedacht, dass irgendjemand auf die Idee kommen könnte, wir würden den Ku-Klux-Klan nachahmen. Das hat mich schockiert und enttäuscht. Vor allem aber hat es mir wehgetan, dass Leute ausgerechnet mir so etwas vorwerfen. Ich würde so etwas Schlimmes nie im Leben fördern! Aber immerhin haben sich die Leute getraut, den Mund aufzumachen, als sie etwas – vermeintlich – Rassistisches gesehen haben.
Witze über Vergewaltigungen sind für Sie ein Tabu, aber über Essstörungen oder Terror machen Sie Spässe. Wie definieren Sie die Grenzen Ihres Humors?
Je schlimmer eine Sache ist, desto mehr Witze macht man darüber. Aber über eine Vergewaltigung kann man keine Witze machen, finde ich. Es ist etwas, wofür das Opfer nichts kann – und was eine Person das ganze Leben lang prägt. Terrorismus hat zum Ziel, Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Indem man zeigt, dass man keine Angst hat, kann der Terror nicht siegen. Das heisst nicht, dass ich Terrorismus lustig finde.
Jemand, der an einer Essstörung leidet, sucht sich das aber auch nicht aus.
Genau. Darum würde ich darüber auch nie Witze machen.
Vor fünf Jahren haben Sie Giacomettis Figuren mit den «Bulimie-Mädchen» von «GNTM» verglichen.
Okay, ja gut. Da hätte ich ein anderes Beispiel nehmen können. Letztlich wollte ich mich nur über Giacomettis Kunst lustig machen – und niemanden, der tatsächlich an Bulimie erkrankt ist, angreifen.
Mussten Sie sich je für einen Witz entschuldigen?
Bis jetzt zum Glück noch nicht. (Fasst das Holz am Sofa, auf dem er sitzt, an.)
Apropos Grenzen – wo stossen Sie an Ihre?
Beim Honig-aufs-Brot-Streichen. Ich schaffe es einfach nie, dass es schön aussieht (lacht).
Sie sind im Kongo geboren, mussten wegen des Bürgerkriegs als kleiner Bub nach Südafrika fliehen. Haben Sie damals realisiert, was passiert?
Mit fünf ist man sich bewusst, ob etwas lebt oder nicht. Wenn man in Gefahr ist, spürts der Körper. Angst muss man nicht lernen, man ist damit geboren.
Dieses Erlebnis hat Sie bestimmt geprägt.
Früher hab ich es verdrängt. Aber je älter ich werde, desto mehr beschäftigen mich die Konflikte im Kongo. Darum versuche ich, einen positiven Beitrag zu leisten.
Womit?
Im Dezember habe ich fürs «Amnesty Magazin» einen Artikel über Kobalt geschrieben. Mein Herkunftsland ist der weltweit grösste Lieferant dieses Metalls, das in Handys und Computern steckt. Kinder graben Minentunnel, schürfen in der Dunkelheit mit primitivsten Werkzeugen. Die Bedingungen sind lebensgefährlich. Unsere Ressourcen sind zu einem Fluch geworden. Dafür möchte ich in Europa mehr Bewusstsein schaffen. Aber ich weiss, dass das, was ich mache, nicht genug ist.
Wann wäre es dann genug?
Wenn ich inneren Frieden gefunden hätte – was für mich schwierig zu erreichen ist. Ich bin wahnsinnig leistungsorientiert und habe immer das Gefühl, es geht noch besser.
In Südafrika haben Sie das Ende der Apartheid erlebt. Können Sie davon erzählen?
Die Menschen wollten diesen blinden Hass nicht mehr haben. Es war schön zu sehen, wie viele Gleichgesinnte zusammengehalten haben. Ich weiss noch, wie Mandela sein Amt abgegeben hat. Die Bevölkerung wollte, dass er länger bleibt. Er hat so viel für uns getan.
Mit 14 Jahren kamen Sie schliesslich in die Schweiz. Wieder, weil Sie fliehen mussten?
Zum einen, ja. Die Männer, die uns im Kongo verfolgt haben, kamen nach Südafrika. Plötzlich war die Gefahr viel näher, als wir dachten. Der zweite Grund: Mein Vater machte seine Ausbildung in Belgien. Als er noch lebte, sagte er immer, er wolle, dass auch seine Kinder Europa kennenlernen.
Was für Erinnerungen haben Sie an den ersten Tag hier?
Ich habe immer gedacht, in Europa sieht es gleich aus wie in Afrika – nur mit mehr Bergen (lacht). Mein erster Eindruck von der Schweiz war: «Wow, das Land ist winzig. Und alle Häuser sehen gleich aus.»
Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Ah, die Frage ist hart! Ich weiss es nicht. In der Schweiz schätze ich die soziale Sicherheit, vermisse aber die Wärme der Menschen in Südafrika. Ich kann nicht sagen, was besser ist. Am besten wäre es zu pendeln (lacht).
Sie haben keinen Schweizer Pass. Haben Sie vor, sich einbürgern zu lassen?
Ich war schon mal fast eingebürgert – und dann sind wir umgezogen. Dass das Verfahren schon beim Gemeindewechsel wieder von vorne beginnt, wusste ich nicht. Dieses Jahr oder nächstes Jahr werde ich das Gesuch nochmals einreichen.