Der Ikonische
Es gibt wohl kaum «den» Kuss, aber definitiv einen der bekanntesten und schönsten Küsse zeigt das Bild von Fotoreporter Alfred Eisenstaedt vom 14. August 1945. Der amerikanische Matrose, der nach der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg überschwänglich eine fremde Krankenschwester auf dem New Yorker Times Square in den Arm nimmt und küsst. Dieses Foto stellt die Vorstellung vom idealen Kuss dar – voller Emotionen.
Der Perfekte
William Cane (67), Autor des Standardwerks zur Kusstechnik (The Art of Kissing), definiert den optimalen Kuss so: «Laut den 120'000 Menschen, die ich für mein Buch befragt habe, besteht der perfekte Kuss aus zwei Schlüsselelementen: erstens aus einer tiefen, emotionalen Verbindung mit dem Partner und zweitens aus technischer Kompetenz, wie einem angemessenen Licht oder feinfühligen Berührungen für mehr als nur einige Sekunden. Während die meisten Küsse nicht länger als eine Minute dauern, werden längere Küsse als intimer empfunden. Abgesehen davon gibt es wirklich keine richtige oder falsche Art zu küssen, solange sowohl Sie als auch Ihr Partner es geniessen.»
Der Preisgekrönte
1992 fand das erste Mal der MTV Movie Award statt, an dem auch der Preis für den «besten Kuss» vergeben wird. Die ersten Gewinner waren Anna Chlumsky (39) und Macaulay Culkin (39) mit ihrer Darbietung in «My Girl» (1991). Für einen unschuldigen, süssen Schmatzer, den die beiden Charaktere Vada und Thomas bei ihrem ersten Küsschen zeigen. In der preisgekrönten Szene verschliesst der verlegene Thomas die Augen, und Vada gibt ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. Chlumsky und Culkin waren zu der Zeit erst elf Jahre alt!
Die ersten Küsse
In den Veden (religiöse Überlieferungen aus dem Hinduismus) vor etwa 3500 Jahren ist ein kussähnliches Verhalten zum ersten Mal erwähnt. Auch in Liebesgedichten aus dem alten Ägypten sind Beschreibungen vom Küssen zu finden, ebenso in der Genesis im Alten Testament der Bibel. Biologisch hat sich die Zungenküsserei für uns Menschen durchaus gelohnt: Beim Küssen wird Speichel ausgetauscht, in dem wir MHC-Moleküle schmecken und riechen. Diese sorgen dafür, dass unser Immunsystem gut funktioniert. Küssen hält also gesund.
Die Küsschen
Andere Länder, andere Sitten. Trifft man Bekannte, geben wir den Wangenkuss, wobei selbst das Wort «Wangenkuss» irreführend ist. Wir berühren die Wange des Gegenübers mit unserer Wange und küssen die Luft, die Lippe kommt nicht in Kontakt mit der Haut. In Italien, Spanien und Deutschland sind es zwei Küsse, auf jede Seite einer, und in Kolumbien und Argentinien belässt man es bereits bei einem. Doch wir Schweizer, wir gehen die Extra-Meile zum dritten Kuss – aller guten Dinge sind drei, oder? Normalerweise haben diese Küsschen einen guten Ruf, sie sind süss, doch seit der Corona-Pandemie sind sie verpönt. Ist die Begrüssungsart wirklich so unhygienisch? Fest steht, dass Wangenküsse weniger Krankheitserreger übertragen als unsere Hände, da Letztere mehr vireninfizierte Flächen berühren. Doch die körperliche Nähe erhöht die Gefahr einer Tröpfcheninfektion über die Schleimhäute und Atemwege.
Der Gesunde
Ein Kuss ist Arzt und Fitnessstudio zugleich. Zum Küssen werden 34 Gesichtsmuskel benötigt. Das strafft das Gesicht, und der Speichelaustausch stärkt das Immunsystem und die Zähne. Küssen hilft Stress abzubauen, denn es werden Neurotransmitter freigesetzt. Weniger Stresshormone führen zu niedrigerem Bluthochdruck und niedrigeren Cholesterinwerten. Bei Frischverliebten, bei denen die Nervosität etwas präsenter ist, schlägt das Herz hingegen schneller, und das Blut pumpt stärker. Es kommt zu einem positiven Stress und guter Durchblutung, und Endorphine sorgen für Fröhlichkeit. Regelmässiges Ausüben dieser Zuneigungsform kann somit gar vor Depression schützen.
Animalisch
Auch in der Tierwelt ist Küssen Programm. Bei den Menschen ist es ein Zeichen der Zuneigung, bei den Tieren nicht ausschliesslich. Der Nahrungsaustausch ist leicht mit einem Kuss zu verwechseln, beispielsweise bei den Vögeln oder Elefanten. Oder manchmal kämpfen die Tiere miteinander – Mund zu Mund! –, etwa die Küssenden Guramis, Süsswasserfische aus Südostasien, die sich gegenseitig leicht aggressiv mit den Lippen schieben. Auch beim Beobachten von Ameisen wird man getäuscht. Wenn sie sich scheinbar küssen, «sprechen» sie eigentlich miteinander. Ihre Fühler berühren sich und zeigen die gegenseitige Anwesenheit.
Blutiger Kuss
Generell kann man jeden Kuss so sanft oder aggressiv gestalten, wie man will, doch die Kusstechnik einer Inselgruppe in Papua-Neuguinea hat es in sich. Der Kuss ist nach den Trobriand Islands benannt, deren Einwohner auch Sex offen thematisieren und als etwas ganz Natürliches ansehen. Beim Kuss wird an den Haaren gezogen und in die Lippe gebissen, bis sie zu bluten beginnt.
Der Spielerische
An Geburtstagsfeiern, auf Klassenfahrt oder auf der Partymeile ist das Küssen prominent, oft auf eine bestimmte Art: die spielerische. Wahrheit oder Pflicht, 7 Minuten im Himmel und Flaschendrehen sind wohl die bekanntesten Kussspiele weltweit. Man ist in der Gruppe und will das Eis brechen, genau dann kommen sie zum Zug. Auf Youtube ist derzeit die Chapstick Challenge ein Kussspiel-Favorit. Das Gegenüber muss blind den Geschmack der Lippenpomade oder des Lippenstifts erraten, natürlich mittels eines Kusses.
Der Ausserirdische
Nein, wir haben keine Aufnahme eines küssenden E.T.s, doch der Ausserirdische könnte seinerseits vielleicht eine Audio-Aufnahme eines Kusses finden. Die Nasa hat 1977 jeweils einen vergoldeten Tonträger mit den Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 ins Weltall geschossen. Neben Grussbotschaften in verschiedenen Sprachen, Alltagsgeräuschen wie dem Verkehrslärm sowie Musik ist auch ein Kuss auf der Platte zu hören. Teile des Golden Record wurden von der Nasa auf Soundcloud veröffentlicht. Das Kussgeräusch dauert lediglich eine Sekunde, gefolgt von einem weinenden Baby und einer Mutter.