Zu Besuch bei einer jungen Landwirtin in Ausbildung
«Ich habe mich nie entmutigen lassen!»

In der Landwirtschaft macht sich zunehmend Unmut über neue Verordnungen oder geringe Wertschätzung breit. Wir wollten von der Community wissen, weshalb man trotz allem heute noch Landwirtin wird und haben die 15-jährige Samira Furrer auf ihrem Lehr-Bauernhof besucht.
Publiziert: 28.11.2020 um 10:05 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2020 um 22:39 Uhr
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Auf dem Bauernhof in Biezwil SO macht Samira Furrer ab Sommer 2021 ihre Ausbildung zur Landwirtin. Wir wollten von ihr wissen, weshalb man heute noch diesen Berufswunsch wählt.
Foto: Daniel Kellenberger
Johanna Beli

Weit oben in Biezwiel SO liegt mit atemberaubender Aussicht auf das Jura-Gebirge ein Bio-Bauernhof. Weidende Kühe, Pferde, Traktoren und jede Menge Menschen – alt und jung, tummeln sich auf dem Grundstück.

Darunter ist auch Samira Furrer (15), ein junges, selbstbewusstes und freudestrahlendes Mädchen. Die 15-Jährige macht im kommenden Jahr hier, auf dem Bauernhof von Stefan Hueter (43), ihre Ausbildung zur Landwirtin und könnte stolzer kaum sein.

Mit dem Traktor über den Acker fahren, Getreide pflügen, Tiere versorgen, Büroarbeit – und das an sieben Tagen die Woche. Das ist nur ein Bruchteil der Aufgaben, die in das Tätigkeitsfeld von Landwirten fallen. Ein Beruf, der körperliche Kraft, viel Engagement, Leidenschaft und Offenheit für Neuerungen fordert. Trotz der Herausforderungen hat sich Samira schon früh entschieden, diesen Weg zu gehen.

Und damit ist die junge Frau nicht alleine. «Die Zahl der Lernenden im landwirtschaftlichen Berufsfeld erhöhte sich in den vergangenen Jahren stetig», schreibt die Organisation der Arbeitswelt in den landwirtschaftlichen Berufsfeldern. Genauer gesagt steigt der Anteil an Lernenden seit 2013 um mehr als 7 Prozent.

Gummistiefel, Arbeitshose und Kuhgurt

Samira Furrer bewegt sich so selbstsicher auf dem grossen Hof, als wäre das schon immer ihr Leben gewesen. «Das hier ist der Bauernhof, auf dem ich das erste Jahr meiner Ausbildung verbringen werde», beginnt sie zu erzählen.

Samira Furrer ist für ihre jungen 15 Jahre sehr selbstbewusst und weiss genau, was sie will.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Noch besucht Samira die Volksschule, wird aber ab 2021 die Ausbildung zur Landwirtin anfangen. Auf dem Bauernhof von Stefan Hueter arbeitet sie schon jetzt regelmässig und lernt Dinge, die für den späteren Beruf wichtig sind. In Gummistiefeln, Arbeitshose, mit Kuhgurt und Tuch in den Haaren sieht die 15-Jährige nicht nur so aus, als würde sie bereits fest zum Bauernhofleben gehören – auch ihre Arbeit wird auf dem Hof sehr geschätzt.

«Ich bin Einzelkind – hier habe ich eine Grossfamilie»

Der Bio-Bauernhof in Biezwil ist gross – und so auch die Familie, die hier lebt. Viele Erwachsene und noch mehr Kinder in verschiedensten Altersgruppen helfen hier in den Ställen, auf der Weide bei den Kühen oder den Pferden mit.

Der familiäre, herzliche Umgang untereinander ist auch etwas, das Samira sehr zu schätzen weiss. «Ich bin eigentlich Einzelkind, aber hier habe ich ganz viele Geschwister. Eben eine richtige Grossfamilie!» Alleine der Bauer, der den Hof betreibt, habe vier eigene Kinder. Dann kämen noch die Kinder der Reitbeteiligung dazu und weitere Jugendliche, die ihre Ausbildung auf dem Bauernhof machen.

Auf dem Hof von Bauer Stefan Hueter (43) hat Samira eine zweite Familie gefunden.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Samira spricht von ihrer Gastfamilie und erklärt, dass sie hier während der Ausbildung ein ganzes Jahr lang leben wird. «Auch jetzt schlafe ich schon manchmal am Wochenende hier. Einfach, weil ich mich so wohl fühle.» Im zweiten Ausbildungsjahr müsse sie dann den Hof wechseln, erklärt sie. «Es ist wichtig, Einblicke in verschiedene Bereiche zu erhalten.» Die zweite Station wird für Samira ein Bio-Geflügelhof sein. «Ich freue mich natürlich auch darauf, aber die Menschen hier werden mir sehr fehlen.»

«Ich wusste schon immer, dass ich Landwirtin werden will»

In der Regel entscheiden sich junge Menschen nur noch selten dazu, eine landwirtschaftliche Ausbildung zu machen. Und wenn doch, dann sind sie häufig selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, haben die Arbeit bereits von klein auf miterlebt und übernehmen so später den Hof der Familie.

Samira Furrer hingegen ist nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen und trotzdem hat das Landwirtschaftliche schon immer fest zu ihrem Leben gehört. Ihre Leidenschaft und Motivation für die Arbeit sei schon früh durch ihre Grosseltern inspiriert worden. Diese, so Samira, hätten zwar keinen Bauernhof mit Tieren, jedoch Heuwiesen gehabt. «Ich bin ihnen in meiner Kindheit oft zur Hand gegangen und habe es geliebt, immer an der frischen Luft zu sein.» Und auch Samiras Urgrosseltern waren schon Bauern.

Gefestigt wurden ihre Berufsziele dann während der Schulzeit, als die Schüler soziale Berufe kennenlernen sollten. «Ich habe recht schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist – ich wollte anpacken!» Und so entschied sich Samira für die Ausbildung zur Landwirtin.

«Mich fasziniert, dass alles voneinander abhängig ist»

Auch wenn der Beruf der Landwirtin nicht als klassischer sozialer Beruf gilt, sieht Samira das anders. «Man arbeitet die ganze Zeit mit Menschen und Tieren zusammen – wenn das nicht sozial ist, weiss ich auch nicht.» Der Umgang mit den Maschinen zwischendurch sei eine schöne Abwechslung.

Das Schaffen und Bereitstellen von Nahrungsmitteln sei zusätzlich natürlich etwas sehr Gemeinnütziges, sagt Samira. Milch- und Fleisch, sowie Gemüse werden hier in Bio-Qualität den Menschen in der Umgebung zum Verkauf bereitgestellt. Und das alles durch die Arbeit von den Bauern, Bäuerinnen und Hilfskräften. «Ich will, dass die Menschen wissen, woher ihr Essen kommt.»

Vom Samen, der gepflanzt wird, über die Pflege der Pflanze bis hin zum Ernten des Gemüses: «Ich finde faszinierend, wie alles voneinander abhängig ist.» Das Arbeiten auf einem Bauernhof werde von vielen Dingen beeinflusst. Wenn beispielsweise das Wetter nicht mitspiele, so könne sich schnell alles ändern. «Du kannst einen Tag nie planen! Ich habe immer ein Kribbeln im Bauch, weil ich nie weiss, was passiert – das ist es, was die Arbeit so besonders macht.»

Besonders wichtig ist Samira die Nähe zu Mensch, Tier und Natur. «Ich liebe es zum Beispiel, morgens in den Stall zu gehen und unsere Kühe zu begrüssen.» Kein Fan sei sie von Melk-Robotern, mit deren Hilfe die Kühe vollautomatisch gemolken werden. «Ich habe Angst, dass man durch die Automatisierung irgendwann vollständig den Kontakt verliert.»

Trotz des Mobbings in der Schule hat sich Samira nie entmutigen lassen und zielstrebig ihren Traum verfolgt.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

«Ich habe nur zwei Optionen»

Auch wenn für die 15-Jährige klar ist, dass sie Landwirtin werden möchte, so ist sie sich der Hürden bewusst, die auf sie zukommen. Denn als Neueinsteigerin, ohne einen landwirtschaftlichen Betrieb innerhalb der Familie ist es schwierig, Fuss zu fassen.

«Ich habe eigentlich nur zwei Optionen», beginnt Samira und grinst. «Option eins: ich heirate einen Bauern und werde so teil eines Familienbetriebs. Option zwei: mir wird aus irgendwelchen Gründen ein Familienbetrieb überschrieben.» Natürlich, so die 15-Jährige, könne sie auch einen eigenen Bauernhof gründen. Das sei allerdings ein sehr ungewöhnliches und extrem schwieriges Unterfangen.

Erstmal wolle sie nach der dreijährigen Ausbildung sowieso reisen und sich die Landwirtschaft in anderen Ländern anschauen. Besonders Kanada sei für sie und viele junge Landwirte das Ziel, denn die Betriebe seien dort viel grösser. «In Kanada haben die Bauernhöfe in der Regel zwischen 400 und 500 Kühe. Die würden über unsere paar Kühe nur müde lachen!»

«Ich habe mich vom Mobbing nie entmutigen lassen!»

Besonders schwer hatte es Samira Furrer in der Anfangszeit, in der sie ihren Berufswunsch äusserte. «Sogar mein Mami war nicht überzeugt davon.» Sie machte sich Sorgen, dass der Beruf zu hart sein könnte und Samira keine Zukunftsperspektiven hat.

In der Schule wurde sie sogar heftig gemobbt. «Gerade weil ich ein Mädchen bin, musste ich viel Mobbing erleben.» Die Mitschüler haben nicht verstanden, weshalb man freiwillig die Ausbildung zur Landwirtin mache. Von vielen jungen Menschen, so Samira, scheint der Beruf der Bauern nicht wertgeschätzt und anerkannt zu sein. Einmal sei sogar die Frage gestellt worden, ob denn Landwirt überhaupt ein Beruf sei, den man lernen kann.

«Auch wenn es manchmal schwer war, mich durchzusetzen, habe ich mir das Mobbing nie zu Herzen genommen und mich nicht entmutigen lassen.» Und heute würde niemand mehr etwas Negatives sagen. «Es hat sich gelohnt, dranzubleiben!» Samiras Familie stehe mittlerweile zu hundert Prozent hinter ihrem Berufswunsch. Und auch in der Schule werde sie respektiert und sogar bewundert – für ihre Willenskraft, ihr Durchsetzungsvermögen und ihren Mut.

«Niemand soll sich entmutigen lassen und stark bleiben. Setzt euch für euren Traum ein!»

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