Feuer und Flamme für die Kunst aus Glas
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Seltene Berufe: Glasbläser:Feuer und Flamme für die Kunst aus Glas

Vom Aussterben bedrohte Berufe: Glasbläser
Feuer und Flamme für die Kunst aus Glas

In der Serie «Vom Aussterben bedrohte Berufe» porträtieren wir von BLICK-Leserinnen und -Lesern ausgewählte Berufe, die es in der modernen Zeit schwer haben. Heute an der Reihe: Glasbläser Manuel Raves Buchli, der in seiner Werkstatt in Mollis GL Kunst aus Glas macht.
Publiziert: 27.09.2020 um 11:58 Uhr
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In seiner Werkstatt oben auf einem Berg im Kanton Glarus stellt der 32-Jährige auf traditionelle Art und Weise verschiedenste Werke aus Glas her.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger
Johanna Beli

Hoch oben auf dem Kerenzerberg im Kanton Glarus steht ein altes, renovierungsbedürftiges Haus. Schon von weitem tönt laute Reggae-Musik. Ein Vorhang aus Glasperlen führt in das Innere einer Werkstatt, in der überall Glasrohre und Glasstäbe liegen: dicke, dünne, durchsichtige und bunte.

Glas – das ist Manuel Raves Buchli Fachgebiet. Der 32-jährige Bündner stellt seit sieben Jahren in seiner eigenen kleinen Werkstatt in Mollis GL gläserne Kunst- und Gebrauchsgegenstände her.

Das Handwerk der Glasbläserei ist bereits über 2000 Jahre alt, doch zunehmend vom Aussterben bedroht. Wie in vielen ähnlichen traditionellen Berufen werden die Gegenstände heute grösstenteils industriell hergestellt.

Manuel Raves Buchli ist einer von den wenigen Glasbläsern in der Schweiz, der noch auf traditionelle Art und Weise arbeitet.

In Amerika zum Traumjob

Mit 23 Jahren ist Manuel Raves Buchli in die USA nach Los Angeles gereist – eigentlich, um eine Ausbildung an einer Filmschule zu machen. Schon nach eineinhalb Monaten habe er allerdings gemerkt, dass ihm das gar keinen Spass mache, erzählt er.

Durch Zufall habe er dann vom Handwerk der Glasbläserei erfahren. Mit einigen Kumpels sei er bei einer Glasausstellung gewesen. «Dort habe ich das erste Mal faszinierende Kunstwerke aus Glas gesehen. Der Wow-Effekt war sofort da», sagt er.

Mit einem der Künstler ist Raves Buchli dann ins Gespräch gekommen und wurde in dessen Werkstatt eingeladen. Beim Besuch habe er sofort gemerkt, dass er das auch machen will. «Den ganzen Tag kreativ sein, Musik hören und unter Freunden arbeiten – ich meine, wie cool ist das denn?»

Als Manuel Raves Buchli das erste Mal in einer Glasbläserei war, wusste er direkt: «Das will ich auch machen!»
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Übung macht den Meister

Einige Zeit später, nachdem Raves Buchli den Zivildienst in seiner Heimat La Punt-Chamues-ch GR gemacht hatte, reiste er zurück in die USA. Diesmal nach San Francisco, um seine Traumausbildung zum Glasbläser zu machen. In der Schweiz hätte er nur die Ausbildung zum Glasapparatebauer machen können. «Normale Schulfächer wie Mathematik und Sport sind auch Teil davon – darauf hatte ich mit meinen 23 Jahren aber keine Lust mehr.»

Deshalb hat er sich für die USA entschieden. Jeden Tag für zwölf Stunden habe er dort am Gasbrenner gearbeitet. «Das war schon ziemlich anstrengend.»

Anfangs empfand er die Glasbäserei als etwas deprimierend. «Mir ist einfach ständig alles kaputtgegangen», erzählt er. «Doch dann hat es irgendwann Klick gemacht.» Man müsse ein gewisses Gefühl für das Glas und die Hitze bekommen und viel, viel üben. «Ich muss aber auch sagen, dass ich sehr gute Lehrer hatte.»

Ein Haus für den Glasbläser

Nach drei Monaten durfte sich Manuel Raves Buchli dann offiziell Glasbläser nennen. «Ich habe überlegt, wo ich günstig ein Haus inklusive Werkstatt bekomme.» Da habe es ihn nach Mollis auf den Berg verschlagen.

Das Haus ist alt, es gibt keine Heizung in der Glaswerkstatt. Deshalb sei es in den Wintermonaten bitterkalt. «Dann stehe ich hier mit mehreren Pulli-Schichten und einer dicken Jacke.» Der Boden in der Werkstatt wellt sich, Putz hängt von den Wänden und es herrscht Chaos. An der Wand hängt ein Schild: «Hier wird gearbeitet, nicht aufgeräumt!»

In der Werkstatt von Manuel Raves Buchli herrscht ein gewisses Chaos. Doch das stört den jungen Glasbläser überhaupt nicht.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Trotz allem ist der Glasbläser sehr zufrieden: «Ich habe wirklich alles, was ich brauche, und dass ich ein Chaot bin, stört mich überhaupt nicht.»

«Am liebsten mache ich einfach das, worauf ich Lust habe»

Auf einen bestimmten Bereich hat sich der junge Glasbläser nicht spezialisiert, aber er mache hauptsächlich Kunst. «Momentan arbeite ich an einem Wandbild – ein grosses Spinnennetz von dem sich eine feine Spinne aus Glas abseilt.» Er öffnet einen Ofen und hält eine kleine Glasspinne hoch. Die Beine sind so fein, dass man meint, sie zerbrechen beim Anfassen.

Er nimmt auch allerlei Aufträge von Kunden entgegen. Von der Wasserpfeife über Schnapsgläser und Schmuck bis hin zu Sexspielzeug. «Ich habe Auftraggeber in den USA und der Schweiz, die tatsächlich Sexspielzeug aus Glas bei mir bestellt», erzählt Raves Buchli und grinst. Seine produzierten Gegenstände verkaufe er hauptsächlich über seine Instagram-Seite. Man werde mit diesem Beruf nicht reich, doch er komme gut über die Runden.

An einem typischen Arbeitstag arbeitet der junge Glasbläser eine Auftragsliste mit Wünschen von Kunden ab. «Am liebsten mache ich aber einfach das, worauf ich Lust habe.»

Mittlerweile ist er sogar einer von den ganz Grossen. «Ich habe 2018 die Berufs-Europameisterschaft in London gewonnen», sagt er stolz.

Mit Feuer und Flamme zu neuen Kunstwerken

Wenn Raves Buchli sich einem neuen Glasrohr widmet, um daraus etwas Kunstvolles zu schaffen, darf ein Gegenstand nicht fehlen: die Schutzbrille. «Sobald ich das Glas in die Flamme halte, hat das eine ähnliche Wirkung wie der direkte Blick in die Sonne.»

Er stellt die Flamme des Gasbrenners an. Ein durchsichtiges, dickes Glasrohr hält er direkt hinein und beginnt, es zu drehen. «Das ist wichtig, denn die Schwerkraft zieht das geschmolzene Glas sonst nach unten.» Gleichzeitig bedient er ein Fusspedal, womit er die Flamme reguliert.

Das Drehen vom Glas ist wichtig, denn sonst zieht die Schwerkraft es runter.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Verschiedene Hilfsmittel kommen zum Einsatz: Formen, in welche er das Glas presst oder Metallwerkzeuge, die dem Glas zur gewünschten Form verhelfen. Dann bläst Raves Buchli vorsichtig in das Glasrohr. «Dadurch verändert der Druck die Form vom Glas.» Er ist hoch konzentriert und malt nun mit einem erhitzten, blauen Glasrohr Punkte auf das mittlerweile rund geformte Glasstück. «Das ist ein bisschen wie mit Honig malen.»

Am Ende wird das Stück nochmals stark erhitzt, damit es implodiert und in sich zusammenfällt. Ein schönes und faszinierendes Muster kommt zum Vorschein. Jetzt müsse er nur noch ein Loch mit einer Zange machen. «Fertig!», sagt er und hält das kleine Kunstwerk in die Luft. Es ist ein Anhänger geworden, der als Kette oder Schlüsselanhänger getragen werden kann.

Nachdem das Glas nochmals sehr stark erhitzt wurde, fällt es in sich zusammen und ein faszinierendes Muster kommt zum Vorschein.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Den Traumberuf vom Aussterben bewahren

Hoch oben auf dem Berg arbeitet der junge Glasbläser in seiner kleinen Werkstatt. Damit ist für ihn ein Traum in Erfüllung gegangen. Trotzdem, so sagt er, fühle er sich manchmal sehr alleine. «Ich kann hier zwar machen, was ich will, aber der Austausch mit anderen Glasbläsern fehlt mir schon sehr.»

Manuel Raves Buchli arbeitet immer alleine. Der Austausch, das gemeinsame Arbeiten und Zeitverbringen mit anderen Glasbläsern fehlt ihm.
Foto: Blick / Daniel Kellenberger

Das ist auch der Grund, warum er sich darum bemüht, eine Gemeinschaft zu bilden. Raves Buchli gibt in seiner Glasbläserei Unterricht für Menschen, die das Handwerk erlernen wollen. «Ich wünsche mir eine Community von Glasbläsern – so, wie ich es damals in den USA kennengelernt habe.» Dort habe man zusammen gearbeitet, voneinander gelernt und sich ausgetauscht. «Eben so richtig familiär.»

Mit seiner Erfahrung, die er weitergibt, hat der Glasbläser bereits geschafft, den Beruf in der Schweiz wieder ein wenig populärer zu machen. Ein paar der Leute, die bei ihm gelernt haben, hätten jetzt sogar schon eigene Glaswerkstätten. «Da ist man natürlich schon stolz! Und wer weiss, vielleicht mache ich sogar irgendwann eine Schule auf.»

Glücklich ist Manuel Raves Buchli allemal. Er lacht viel und zeigt, wie viel Leidenschaft und Spass in seinen mundgeblasenen Kunstwerken steckt.

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