Rechtliche Tipps zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Kind krank – aber der Chef ruft

Berufstätige Eltern kennen den Konflikt nur zu gut: Eigentlich müssten sie arbeiten, aber das Kind braucht sie. BLICK sagt, welche Rechte sie in welchen Situationen haben.
Publiziert: 19.02.2018 um 18:01 Uhr
|
Aktualisiert: 10.04.2019 um 15:01 Uhr
1/2
Wie lange darf eine Mutter der Arbeit fernbleiben, um ihr krankes Kind zu pflegen?
Foto: Tom Merton

Absenzenregelung  bei Teilzeitangestellten

Anna Kleber arbeitet 60 Prozent. Ihr dreijähriger Sohn kann die ganze Woche nicht in die Kita, weil er Grippe hat. Wie lange darf sie der Arbeit fernbleiben?

Maximal drei Tage, so steht es im ­Arbeitsgesetz. Diese Zeit muss der ­Arbeitgeber den Angestellten mit Familienpflichten geben.

Als Familienpflichten gelten die ­Erziehung von Kindern bis 15 Jahre sowie die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger oder nahestehender Personen. Es handelt sich um eine bezahlte Absenz.

Auch bei Teilzeitpensen besteht – falls nötig – der volle Anspruch von drei Tagen. Der Chef darf aber ab dem ersten Tag des Fernbleibens ein Arztzeugnis verlangen. Dies gilt auch dann, wenn laut Arbeitsvertrag oder Personalreglement ein solches bei ­eigener Krankheit erst nach einigen Tagen vorliegen muss.

Mutter oder Vater: Wer betreut krankes Kind?

Lea und Paul Sommer teilen sich die Betreuung ihrer einjährigen Tochter. Jetzt hat das Mädchen einen stärkeren Infekt und muss zu Hause gepflegt werden. Wer darf bei ihr bleiben?

In diesem Fall braucht es eine individuelle Abwägung: Wessen Anwesenheit beim Kind ist nötiger? Wer ist bei der Arbeit eher abkömmlich? Grundsätzlich können nicht beide Eltern den Anspruch einfordern, die gleichen drei Tage zu Hause zu bleiben. Falls nötig, können sie aber nacheinander je bis zu drei Tage der Arbeit fernbleiben.
 

Buchtipp: Der Beobachter-Ratgeber «Arbeitsrecht» von Irmtraud Bräunlich Keller. Hier bestellen.
Foto: Beobachter

Längere Auszeit von alleinerziehenden Eltern wegen kranken Kindes

Marc Müller ist alleinerziehend. Nun ist sein zehnjähriger Sohn schwer erkrankt. Darf der Vater auch länger als drei Tage zu Hause bleiben?

Falls Müller die Pflege und Betreuung seines sehr schwer erkrankten Sohns nicht an jemanden delegieren kann, gilt arbeitsrechtlich das Gleiche, wie wenn er selber krank wäre. Es ist Müller nicht zuzumuten, in der für die Pflege nötigen Zeit seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Müller hat aber die Pflicht, sich um eine zumutbare Betreuungsalternative zu bemühen. Je länger der Sohn krank ist, desto eher kann der Chef das von ihm verlangen.

Auf Arbeit fehlen wegen Schulbesuchstag

Markus Meyers Zwillinge haben Besuchstag an der Schule. Darf er deswegen der Arbeit fernbleiben?

Grundsätzlich ja, obwohl er durchaus in der Lage wäre zu arbeiten. Denn Meyer hat Anspruch auf ausserordentliche Freizeit, die ihm der Chef ­unter gewissen Umständen gewähren muss. Viele Betriebe regeln die Details im Personalreglement oder im Arbeitsvertrag. Auch etliche Gesamt­arbeitsverträge enthalten entsprechende Bestimmungen.

Angestellte haben laut Gesetz ­Anspruch auf freie Zeit, wenn es ihnen nicht möglich oder zumutbar ist, ­einen Termin in der Freizeit oder Gleitzeit wahrzunehmen.

Aber: Der Chef darf eine Interessenabwägung vornehmen. Massgeblich ist etwa, wie wichtig das Ereignis ist, wie lange Meyer schon angestellt ist und wie ersetzbar er ist. Lohn für diese Zeit erhält er nur, wenn das so vereinbart oder üblich ist – und das gilt beim Monatslohn immer.

Haben Eltern mit Kindern Vorrang beim Ferienbezug?

Seit die Kinder von Eva und Erik Feusi schulpflichtig sind, können sie ihre Ferien nicht mehr flexibel planen. Muss der Arbeitgeber darauf Rücksicht nehmen?

Ja. Der Arbeitgeber bestimmt zwar grundsätzlich den Zeitpunkt der Fe­rien. Doch er muss so weit wie möglich auf die Wünsche der Angestellten Rücksicht nehmen. Dabei haben familiäre Gründe Vorrang, etwa die Schulferien der Kinder oder der Wunsch, anschlies­send an den Mutterschaftsurlaub Ferien zu beziehen.

Kind verunfallt während der Ferien: Nachholen?

Nina Frei macht mit ihrer Tochter Skiferien. Die Fünfjährige erleidet komplizierte Knochenbrüche und braucht intensive Betreuung im Spital. Kann die Mutter die Ferien nachholen?

Ja. Ferien dienen der Erholung, und Frei kann sich nicht erholen, wenn sie sich an diesen Tagen intensiv um die Pflege der Tochter kümmern muss. Sie darf die Ferien nachholen – weil sie schlicht nicht «ferienfähig» war.

Voraussetzung ist, dass man erheblich beeinträchtigt ist. Man gilt sehr wohl als «ferienfähig», wenn man sich trotz Betreuung des Kindes erholen kann, zum Beispiel wenn man spazieren gehen oder sich ausruhen kann, statt Ski zu fahren. Dann besteht kein Anspruch aufs Nachholen.

Müssen Eltern Überstunden leisten?

Roger Küng muss den Arbeitsplatz spätestens um 17.45 Uhr verlassen, damit er seinen Sohn rechtzeitig aus der Kita holen kann. Sein Chef will aber immer mal wieder, dass er länger bleibt. Kann er Küng zu Überstunden verpflichten?

Nein. Arbeitnehmer müssen zwar über das vereinbarte Pensum hinaus Mehrarbeit leisten, falls diese nötig und zumutbar ist. Wenn die Überstunden einen Vater aber daran hindern, seine familiären Aufgaben zu erfüllen, sind sie für ihn nicht zumutbar.

Familienzulagen bei verschiedenen Arbeitsorten der Eltern

Die Eltern Ida und Leon Maurer wohnen in Zürich. Ida Maurer arbeitet in Zürich, ihr Mann in Zug. Die Zuger Familienzulagen sind höher als die Zürcher. Können Maurers wählen, wer die Zulagen bezieht?

Nein. Das Gesetz legt klar fest, wer die Familienzulagen bekommt, wenn beide Eltern erwerbstätig sind. Im vorliegenden Beispiel ist es Ida Maurer, weil sie in ihrem Wohnkanton arbeitet. Weil Leon Maurer aber in einem Kanton tätig ist, der mehr als die gesetzlich vorgesehenen 200 Franken pro Monat an Zulagen ausrichtet, hat er Anspruch auf eine Differenzzahlung.

Nach dem Mutterschaftsurlaub zurück in den Job

Melanie Ott arbeitet 100 Prozent in einer Kaderposition. Die Firma ver­spricht, sie könne nach dem Mutterschaftsurlaub in gleicher Position mit reduziertem Pensum arbeiten. Doch dann bietet man ihr nur eine schlechter bezahlte Assistenzstelle an. Sie akzeptiert das nicht und erhält prompt die Kündigung. Kann sie sich wehren?

Melanie Ott kann die Kündigung als diskriminierend anfechten. Das Gleichstellungsgesetz schützt Angestellte vor Kündigungen aus geschlechtsspezifischen Gründen, besonders wegen der familiären Situation. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn ein Zusammenhang zwischen Kün­digung und Mutterschaft glaubhaft gemacht werden kann.

Ott muss noch während der Kündigungsfrist beim Chef schriftlich gegen die Kündigung protestieren. Wenn keine Einigung zustande kommt, kann sie klagen. Dazu muss sie bei der  ­speziell dafür vorgesehenen Schlichtungsbehörde ein Schlichtungsgesuch einreichen. Ott kann eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen verlangen. Sie hat aber keinen Anspruch darauf, wieder angestellt zu werden.

Weitere Infos aus dem Fachbereich Arbeit finden Sie auf Guider, dem neuen digitalen Berater des Beobachters. Mehr zu den Angeboten von Guider.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?