Psychische Leiden um 35 Prozent gestiegen
Schweizer arbeiten sich krank

Arbeitnehmer lassen sich immer öfter krankschreiben. Schuld daran: Stress bei der Arbeit. Experten sind alarmiert und fordern einen Stopp der geplanten Liberalisierung von Arbeitszeiten.
Publiziert: 11.01.2019 um 13:13 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2019 um 09:21 Uhr
Innerhalb von nur fünf Jahren sind die Erkrankungen der Arbeitnehmer um 20 Prozent gestiegen. Die psychischen Leiden haben gar um 35 Prozent zugenommen.
Foto: Getty Images

Der Stress bei der Arbeit hat zu einem starken Anstieg der Krankheitsfälle geführt. Darauf lassen neue Daten der Krankenversicherung Swica schliessen, welche die «NZZ am Sonntag» veröffentlicht hat. Innerhalb von nur fünf Jahren sind die Erkrankungen der Arbeitnehmer um 20 Prozent gestiegen. Die psychischen Leiden haben gar um 35 Prozent zugenommen.

Roger Ritler, Direktionsmitglied der Swica, beobachtet diese Entwicklung mit Besorgnis: «Vor allem die zunehmende Verbreitung der psychischen Leiden erachten wir als bedenklich.» Denn es sei derjenige Krankheitsbereich, auf den die Firmen am besten Einfluss nehmen könnten.

Steigender Arbeitsdruck belastet viele

Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travailsuisse, spricht von einer «alarmierenden Entwicklung»: «Viele Angestellte kommen mit dem steigenden Arbeitsdruck nicht mehr klar.»

Die im Parlament geplante Flexibilisierung der Arbeitszeit müsse deshalb gestoppt werden, fordert Wüthrich: «Mit dieser Liberalisierung wird die Belastung der Arbeitnehmer und die Zahl der gratis geleisteten Überstunden weiter zunehmen.»

Für Arbeitgeber ein gesellschaftliches Phänomen

Die Arbeitgeberseite widerspricht. Die Verbreitung der psychischen Krankheiten sei weniger durch die Arbeit verursacht, sondern in erster Linie ein gesellschaftliches Phänomen, sagt Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik beim Arbeitgeberverband: «Dahinter stehen insbesondere auch private Gründe wie Konflikte in der Familie, Sucht oder der Einfluss der sozialen Medien.»

Die Arbeit sei im Gegenteil oft ein wichtiger Faktor, um die Gesundheit von gefährdeten Personen zu stärken.

20 Milliarden Franken Schaden pro Jahr

Um die starke Zunahme an Absenzen zu stoppen, müssten die Unternehmen ihren Umgang mit psychisch auffälligen Mitarbeitern verbessern, sagt Kurt Mettler, Gründer von SIZ Care. Aber auch Arbeitnehmer stehen in der Pflicht. «Gerade bei einer Kündigung beschaffen sich immer mehr Betroffene ein Arztzeugnis, um nicht länger arbeiten zu müssen.»

Ärzte würden dazu neigen, die Patienten zu rasch, zu lange und zu häufig Vollzeit krankzuschreiben, sagt Niklas Baer von der Psychiatrie Baselland. Und zwei Drittel der psychischen Erkrankungen enden laut Baer mit einer Kündigung.

Mit fatalen Folgen für die Volkswirtschaft. Der Schaden aller psychischen Erkrankungen belaufe sich auf mehr als 20 Milliarden Franken im Jahr. (voi)

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