«Nach dem Sonnenuntergang essen wir nichts mehr»
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Köchin Anita Jain:«Nach dem Sonnenuntergang essen wir nichts mehr»

Jain-Food im Museum Rietberg
So köstlich kochen die strengsten aller Vegis

Kein Fleisch, kein Alkohol, Intervall-Fasten: Was bei uns gerade hip ist, das wird im Jainismus in Indien seit 2500 Jahren gepflegt. Zur Ausstellung «Jain sein» im Museum Rietberg Zürich gibt Anita Chetan Jain (45) Einblick in die traditionelle Kochkunst.
Publiziert: 15.01.2023 um 14:57 Uhr
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Sie kocht streng vegetarisch, aber dennoch schmackhaft: Anita Jain im Café des Museums Rietberg.
Foto: Siggi Bucher
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Viele machen im Januar den Versuch, achtsamer zu leben. Manche verzichten auf Alkohol oder auf Fleisch – womöglich gleich auf beides. Sei es aus gesundheitlichen Gründen oder wegen des Tierwohls, der Umwelt oder wegen des Klimas. Was bei uns ein aufkommender Trend ist, pflegt Anita Chetan Jain (45) wegen ihrer Religion schon ihr Leben lang.

Sie gehört dem Jainismus an, einer 2500 Jahre alte indische Religion. Die Ausstellung «Jain sein» gibt Einblick in Kultur und Kulturschätze des Jainismus. Er baut auf den Prinzipien der Gewaltlosigkeit, Toleranz und Respekt vor dem Leben auf – das gilt auch für den Speiseplan. Darum erweitert das Café im Museum sein Vegi- und Vegan-Angebot mit Jain-Speisen. Zubereitet werden diese ausschliesslich von Anita Jain – allerdings nur an drei bis vier Tagen pro Woche, immer wenn sie in der Küche als Mitarbeiterin im Einsatz ist.

Kein Lebewesen soll leiden

«Wichtig ist für uns, dass kein Lebewesen wegen unseres Essens leiden muss», sagt sie. Gewaltfreie Ernährung, das bedeutet, dass Jains keine Tiere essen, das gilt nicht nur für die grossen, sondern auch für die ganz kleinen. «Wir verzichten auf alles, was unter dem Boden wächst», erklärt Anita Jain. Also auf Wurzelgemüse, Knoblauch oder Zwiebeln: «Bei der Ernte können kleinste Lebewesen und Mikroorganismen getötet werden.» Anita Jain ist in Mumbai aufgewachsen, im Haus nebenan war ein Jain-Tempel: So hat sie schon als Kind von ihrer Mutter gelernt, wie man die Speisen zubereitet: «Wir haben für die Mönche und Nonnen gekocht.»

Anita Jain gehört zur Koch-Crew im Cafe des Museum Rietberg: Sie kocht nach den Regeln der indischen Jains.
Foto: Siggi Bucher

Nach ihrem Studium der Psychologie und Ernährungswissenschaften ist Anita Jain mit ihrem Mann vor 21 Jahren in die Schweiz gekommen. «Die ersten paar Tage wusste ich kaum, was ich essen soll. Damals gab es noch viel weniger vegetarische Angebote», erinnert sie sich. Heute ist sie etwas weniger streng: «Auswärts essen wir vegetarisch, aber zu Hause pflegen wir unsere Tradition.» Um für ihre Familie mit zwei Teenagern zu kochen, steht Anita Jain mittags und abends je zwei Stunden in der Küche. Denn trotz allem Verzicht soll das Essen auch abwechslungsreich und schmackhaft sein – nicht umsonst gelten die Jains als Könige der Kichererbse.

Und frisch muss es sein. «Wir kochen nur so viel, wie wir brauchen», sagt die Köchin. Aufgewärmtes kommt nicht auf den Tisch. Eine Regel, die aus einer Zeit kommt, in der es noch keinen Kühlschrank gab. Darum wird nach Sonnenuntergang bis am Morgen nichts mehr gegessen, so könne der Körper in Ruhe verdauen: «Das ist eigentlich so wie heutzutage beim Intervall-Fasten.»

Ethik spielt eine grosse Rolle

Die Gruppe der Jains ist klein, sechs Millionen leben in Indien und auf der ganzen Welt verstreut. Sie sind meist hochgebildet und besetzen oft führende Positionen in der Wirtschaft. Warum also die Ausstellung im Rietberg? Die Jain-Kunstwerke zählen zu den bedeutenden Schwerpunkten der Sammlungen. «Es geht nicht darum, dass wir alle zu Jains werden», sagt Johannes Beltz (55), Co-Kurator und Vizedirektor des Museums Rietberg. Wichtig sei die Auseinandersetzung mit den Wertevorstellungen der Jains, diese treffen den Nerv der Zeit: Achtsamkeit, Verzicht und Gewaltlosigkeit. «Wie im Buddhismus geht es um eine Religion, in der man nicht an einen Gott glaubt», sagt Beltz. Im Mittelpunkt steht das Karma und die Wiedergeburt. «Auf dem Weg zur Erlösung kann nicht Gott helfen, sondern der Mensch mit seinem Verhalten. Deshalb spielt die Ethik eine so grosse Rolle», erklärt Beltz.

Digambara-Mönche aus dem Jainismus leben streng asketisch ohne jeglichen Besitz. Daher gehen sie «luftbekleidete», also nackt.

Zudem glauben die Jains, dass alles Belebte in der Natur eine unsterbliche Seele in sich trägt. «Darum widerstrebt es den Jains zutiefst, etwas Tierisches zu essen», sagt Beltz. Deshalb werden auch Eier vermieden. Erlaubt sind Milchprodukte, weil man davon ausgeht, dass die Kühe dafür nicht leiden müssen. Das ändere sich gerade, so Beltz: «Wegen der industriellen Tierhaltung gibt es viele Jains, die auf vegane Ernährung umstellen.»

Rezept: Matar Paneer

Cashew-Paste
20 Cashew-Nüsse für 20 Minuten in heissem Wasser einweichen. Zu einer feinen Paste mahlen.

Paneer
Zutaten:
2 EL Öl/Ghee
1 TL Kreuzkümmelsamen
¼ TL Zimtpulver
1 EL rotes Chilipulver
1½ EL Korianderpulver
¼ TL Kurkumapulver
1 TL Kreuzkümmelpulver
1 Tasse Tomatenpüree
Salz zum Abschmecken
1 Tasse grüne Erbsen
500 ml Wasser
400 g Paneer-Würfel (Frischkäse)
1 TL Garam Masala
4 EL frischer Koriander
¼ TL Kardamompulver (fakultativ)
2 EL Rahm
¼ TL Zucker

Zubereitung:
– In einer Pfanne 1 EL Öl oder Ghee erhitzen, Paneer-Würfel hinzufügen und 5–7 Minuten anbraten, beiseitestellen.
– Öl in einem Wok erhitzen, Kreuzkümmelsamen hinzufügen und 2–3 Minuten anbraten.
– Die Cashew-Paste und 2 EL frischen Koriander hinzugeben und 2–3 Minuten köcheln.
– Die pulverisierten Gewürze und das Wasser hinzugeben, gut vermischen und weitere 2–3 Minuten unter ständigem Rühren kochen.
– Tomatenpüree und Salz hinzufügen, gut verrühren und ¼ Tasse Wasser hinzufügen, kurz köcheln lassen.
– Grüne Erbsen und Zucker zugeben und 3–4 Minuten mitkochen.
– 400 ml Wasser zugeben, gut umrühren und zugedeckt 7–8 Minuten kochen lassen.
– Paneer-Würfel zugeben und gut verrühren, ohne die zarten Paneer-Würfel zu zerbrechen, Garam Masala hinzufügen, 3–4 Minuten kochen lassen. Rahm, Kardamompulver und die restlichen frisch gehackten Korianderblätter zugeben, gut mischen.
– Noch heiss mit Roti, Paratha oder Reis servieren.

Jain-Rezept nach Anita Jain, Museum Rietberg (4 Personen)
Siggi Bucher

Cashew-Paste
20 Cashew-Nüsse für 20 Minuten in heissem Wasser einweichen. Zu einer feinen Paste mahlen.

Paneer
Zutaten:
2 EL Öl/Ghee
1 TL Kreuzkümmelsamen
¼ TL Zimtpulver
1 EL rotes Chilipulver
1½ EL Korianderpulver
¼ TL Kurkumapulver
1 TL Kreuzkümmelpulver
1 Tasse Tomatenpüree
Salz zum Abschmecken
1 Tasse grüne Erbsen
500 ml Wasser
400 g Paneer-Würfel (Frischkäse)
1 TL Garam Masala
4 EL frischer Koriander
¼ TL Kardamompulver (fakultativ)
2 EL Rahm
¼ TL Zucker

Zubereitung:
– In einer Pfanne 1 EL Öl oder Ghee erhitzen, Paneer-Würfel hinzufügen und 5–7 Minuten anbraten, beiseitestellen.
– Öl in einem Wok erhitzen, Kreuzkümmelsamen hinzufügen und 2–3 Minuten anbraten.
– Die Cashew-Paste und 2 EL frischen Koriander hinzugeben und 2–3 Minuten köcheln.
– Die pulverisierten Gewürze und das Wasser hinzugeben, gut vermischen und weitere 2–3 Minuten unter ständigem Rühren kochen.
– Tomatenpüree und Salz hinzufügen, gut verrühren und ¼ Tasse Wasser hinzufügen, kurz köcheln lassen.
– Grüne Erbsen und Zucker zugeben und 3–4 Minuten mitkochen.
– 400 ml Wasser zugeben, gut umrühren und zugedeckt 7–8 Minuten kochen lassen.
– Paneer-Würfel zugeben und gut verrühren, ohne die zarten Paneer-Würfel zu zerbrechen, Garam Masala hinzufügen, 3–4 Minuten kochen lassen. Rahm, Kardamompulver und die restlichen frisch gehackten Korianderblätter zugeben, gut mischen.
– Noch heiss mit Roti, Paratha oder Reis servieren.

«Jain sein – Kunst und Leben einer indischen Religion», Museum Rietberg, Zürich, bis 30. April 2023. Ausstellungsgespräch «Ethik auf dem Teller», moderiert von Olivia Röllin, Religionswissenschaftlerin, Philosophin und Moderatorin SRF «Sternstunde», am 25. Januar 2023, 18.00 Uhr.


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