Der Zürcher Marco Rusterholz überlebte einen Schlaganfall
Mit 47 musste er wieder sprechen lernen

Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache. Sie treten meist unerwartet ein und können jeden treffen. So auch Marco Rusterholz (53), der mit 47 Jahren einen Hirnschlag erlitt, der sein Leben aus der Bahn warf.
Publiziert: 28.10.2019 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2022 um 16:26 Uhr
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Marco Rusterholz (53) hatte vor sechs Jahren einen Schlaganfall und musste neu lernen zu sprechen.
Foto: Stephanie Felder
Bettina Widmer

Wenn man sich mit Marco Rusterholz (53) unterhält, merkt man nicht, dass er erst kürzlich wieder gelernt hat zu sprechen. Vor sechs Jahren erlitt der Zürcher einen Schlaganfall und verlor seine Stimme. Mit viel Kraft hat er sich zurück ins Leben gekämpft.

Es passierte an einem Novembermorgen im Jahr 2013. Rusterholz steht in seinem Schlafzimmer, möchte sich anziehen und zur Arbeit aufbrechen. «Ich habe meinen Kleiderschrank geöffnet und stand plötzlich ratlos davor», erinnert er sich im Gespräch mit BLICK. «Ich wusste nicht mehr, was ich tun wollte. Mein Kopf war völlig leer.» Hilflos setzt er sich aufs Bett. Sein Partner kommt ins Zimmer und fragt, warum er noch nicht bei der Arbeit sei. Rusterholz kann ihm nicht antworten. «Ich versuchte, ihm zu sagen, dass etwas nicht stimmte, aber die Worte kamen nicht raus. Ich konnte einfach nicht mehr sprechen.»

«Ich dachte immer, Schlaganfälle haben nur alte Leute»

Sein Partner reagiert sofort und bringt Rusterholz ins Zürcher Stadtspital Triemli. Die Diagnose: Schlaganfall. Im Alter von 47 Jahren. «Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich so jung einen Schlaganfall haben könnte», erzählt Rusterholz. Doch er ist mit diesem Schicksal nicht allein. Jedes Jahr erleiden in der Schweiz 16'000 Menschen einen Hirnschlag. 15 Prozent der Betroffenen sind unter 65 Jahre alt.

Die meisten Schlaganfälle werden durch eine Durchblutungsstörung im Gehirn verursacht. Einzelne Gehirnregionen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und dadurch geschädigt. Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind unter anderem Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes und Übergewicht. «Die meisten dieser Faktoren trafen auf mich zu», so Rusterholz. «Trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet.» Das Rauchen hatte er fünf Jahre vor seinem Schlaganfall aufgegeben, gegen den Bluthochdruck nahm er täglich Medikamente.

Im Spital erhält Rusterholz eine Thrombolyse. Das Blutgerinnsel im Hirn wird dabei medikamentös aufgelöst. Die Entscheidung dafür musste schnell getroffen werden, denn nach einem Schlaganfall zählt jede Sekunde. Je länger er nicht richtig erkannt und behandelt wird, desto schwerwiegender können die Folgen sein. Nach ein paar Stunden bringt Rusterholz mit viel Mühe wieder erste Wortfetzen raus. Sehr langsam und nur schwer verständlich.

«Mir fielen einfach keine Wörter mehr ein»

Rusterholz' Leben wurde schlagartig auf den Kopf gestellt. «An meinem ersten Abend im Spital lag ich im Bett und dachte mir: Ich hatte bisher so ein tolles Leben und war von so vielen guten Menschen umgeben. Und jetzt liege ich plötzlich hier. Wie soll es nun weitergehen?»

Zwei Wochen lang wird Rusterholz im Stroke Unit im Triemlispital behandelt. Dort fühlt er sich gut aufgehoben – wofür er heute noch dankbar ist. «Ich gehe heute noch ab und zu hin und besuche die Leute, die mich damals behandelt haben.» Nebst den Ärzten und Pflegern sind auch Rusterholz' Partner und seine engsten Freunde immer an seiner Seite: «Ohne sie hätte ich das nicht durchgestanden.»

Mithilfe einer Logopädin lernt Rusterholz wieder zu sprechen. «Sie hat mich gebeten, alle Wörter mit ‹B› aufzusagen, die mir in den Sinn kommen. Nach drei Wörtern wusste ich keines mehr. Mir fielen einfach keine Wörter mehr ein – egal, mit welchem Anfangsbuchstaben. Mein Kopf war leer.» Doch Rusterholz liess sich nicht unterkriegen. Mit viel Ehrgeiz und Ausdauer übte er im Spital und während des darauffolgenden Aufenthalts in einer Rehaklinik jeden Tag, bis seine Sprech- und Reaktionsfähigkeiten besser und besser wurden. Auch das Zehnfingersystem und das Schreiben von Hand musste er neu lernen. Mittlerweile hat er eine andere Handschrift als früher.

Schon wenige Monate nach seinem Schlaganfall begann Rusterholz wieder in seinem Bürojob zu arbeiten. Zuerst in einem 20-Prozent-Pensum, das er nach und nach aufstockte. Seit ein paar Jahren arbeitet er wieder 100 Prozent. Während er am Anfang noch mit Konzentrationsschwierigkeiten zu kämpfen hatte, ist er mittlerweile wieder voll einsetzbar. Folgeschäden von seinem Schlaganfall hat er praktisch keine erlitten. Damit hat er Glück gehabt. Denn bei 35 Prozent aller Fälle hinterlässt ein Schlaganfall bleibende Einschränkungen.

Ganz spurlos vorbeigegangen ist der Hirnschlag an Rusterholz aber nicht. Auch wenn man es ihm nicht anhört, wenn man zum ersten Mal mit ihm spricht: Rusterholz redet nicht mehr so schnell wie früher. «Es ist ein ständiger Prozess. Ich trainiere immer noch sehr viel.»

«Ohne meinen Partner wäre ich nicht mehr am Leben»

In den sechs Jahren seit seinem Schlaganfall hat sich Rusterholz' Leben verändert. Seinen Lebenspartner hat er mittlerweile geheiratet. Ausserdem hat er dank eines Magenbypasses 50 Kilogramm abgenommen. Sein Bluthochdruck und die Schlafapnoe sind weg. Angst vor einem weiteren Schlaganfall habe er nicht: «Ich habe grundsätzlich keine Angst vor dem Tod.» Das merkt man ihm an. Rusterholz ist ein positiver Mensch: Mit seinem Schicksal gehadert habe er nie, erzählt er. «Ich habe das Beste daraus gemacht. Seit mir das passiert ist, lebe ich viel bewusster. Ich mache alles, worauf ich Lust habe, und schiebe nichts mehr vor mir hin, was mir wirklich wichtig ist.»

Wichtig ist ihm auch, dass Menschen für Schlaganfälle sensibilisiert werden. «Ich wäre möglicherweise nicht mehr am Leben, wenn mein Partner nicht so schnell reagiert und mich ins Spital gebracht hätte.» Wer bei sich oder jemand anderem Symptome eines Schlaganfalls entdeckt, sollte sofort handeln. «Wenn ich durch meine Geschichte nur schon drei Menschen erreiche, die deshalb schneller reagieren, hat es sich gelohnt.»

Wie erkennt man einen Schlaganfall?

Die Welt-Schlaganfall-Organisation nennt die folgenden typischen Anzeichen, die auf einen Schlaganfall hindeuten können:

  • plötzliche, häufig halbseitige Taubheit oder Schwäche im Gesicht, Arm oder Bein
  • plötzliche Verwirrtheit oder Schwierigkeiten, zu sprechen oder zu verstehen
  • plötzliche Sehstörungen, auf einem oder auf beiden Augen
  • plötzlicher Schwindel oder Gleichgewichts- oder Koordinationsstörungen
  • plötzliche, sehr heftige Kopfschmerzen

Die einfache Abkürzung «F-A-S-T» hilft, sich die wichtigsten Symptome zu merken:

  • F (Face): Ist die Gesichtsmuskulatur einseitig gelähmt? Hängt zum Beispiel ein Mundwinkel herunter?
    A (Arms): Liegt eine einseitige Lähmung des Arms vor? Können beispielsweise beide Arme gehoben werden?
    S (Speech): Sind Sprachstörungen vorhanden? Spricht der Betroffene undeutlich oder in schwer verständlichen Sätzen?
    T (Time): Macht auf die Notwendigkeit des schnellen Reagierens aufmerksam.

Vermuten Sie einen Schlaganfall, so fordern Sie die Person auf zu lächeln, einen Satz nachzusprechen und ihre Arme zu heben, rät Fragile Suisse. Bewegt sich nur eine Hälfte des Gesichts, ist die Sprache undeutlich oder kann die Person nicht beide Arme heben, so handelt es sich wahrscheinlich um einen Schlaganfall.

Was tun?

Handeln Sie sofort, wenn eines oder mehrere der Symptome auftreten! Wählen Sie, ohne zu warten, die Notrufnummer 144. Denn ein weiterer Merksatz lautet: «Time is brain» (dt. Zeit ist Hirn). Im Fall eines Hirnschlags zählt jede Minute.

Hilfe für Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben

In der Schweiz leben über 130'000 Menschen mit einer Hirnverletzung durch Hirnschlag, Hirntumor oder Schädel-Hirn-Trauma. Fragile Suisse engagiert sich für Betroffene und Angehörige mit Beratung (Helpline 0800 256 256), Kurs- und Selbsthilfeangeboten und begleitetem Wohnen. Die Vereinigung finanziert sich vor allem aus Spenden.

Die Welt-Schlaganfall-Organisation nennt die folgenden typischen Anzeichen, die auf einen Schlaganfall hindeuten können:

  • plötzliche, häufig halbseitige Taubheit oder Schwäche im Gesicht, Arm oder Bein
  • plötzliche Verwirrtheit oder Schwierigkeiten, zu sprechen oder zu verstehen
  • plötzliche Sehstörungen, auf einem oder auf beiden Augen
  • plötzlicher Schwindel oder Gleichgewichts- oder Koordinationsstörungen
  • plötzliche, sehr heftige Kopfschmerzen

Die einfache Abkürzung «F-A-S-T» hilft, sich die wichtigsten Symptome zu merken:

  • F (Face): Ist die Gesichtsmuskulatur einseitig gelähmt? Hängt zum Beispiel ein Mundwinkel herunter?
    A (Arms): Liegt eine einseitige Lähmung des Arms vor? Können beispielsweise beide Arme gehoben werden?
    S (Speech): Sind Sprachstörungen vorhanden? Spricht der Betroffene undeutlich oder in schwer verständlichen Sätzen?
    T (Time): Macht auf die Notwendigkeit des schnellen Reagierens aufmerksam.

Vermuten Sie einen Schlaganfall, so fordern Sie die Person auf zu lächeln, einen Satz nachzusprechen und ihre Arme zu heben, rät Fragile Suisse. Bewegt sich nur eine Hälfte des Gesichts, ist die Sprache undeutlich oder kann die Person nicht beide Arme heben, so handelt es sich wahrscheinlich um einen Schlaganfall.

Was tun?

Handeln Sie sofort, wenn eines oder mehrere der Symptome auftreten! Wählen Sie, ohne zu warten, die Notrufnummer 144. Denn ein weiterer Merksatz lautet: «Time is brain» (dt. Zeit ist Hirn). Im Fall eines Hirnschlags zählt jede Minute.

Hilfe für Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben

In der Schweiz leben über 130'000 Menschen mit einer Hirnverletzung durch Hirnschlag, Hirntumor oder Schädel-Hirn-Trauma. Fragile Suisse engagiert sich für Betroffene und Angehörige mit Beratung (Helpline 0800 256 256), Kurs- und Selbsthilfeangeboten und begleitetem Wohnen. Die Vereinigung finanziert sich vor allem aus Spenden.

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