Jeder kennt es: Man wacht morgens auf, meint sich noch flüchtig an einen Traum erinnern zu können – und plötzlich hat man ihn wieder vergessen. So sind Träume für viele Leute nichts weiter als unberechenbare Bilder, die einem nachts im Kopf herumschwirren. Nicht aber für jene, die das luzide Träumen beherrschen.
Denn wer glaubt, dass Träume bloss eine Reihe willkürlicher Bilder im Kopf sind, liegt falsch. Hinter unseren nächtlichen Vorstellungen steckt nämlich eine Reihe komplexer Prozesse, die im Gehirn ablaufen. Das weiss auch Peter Widmer (60). Der Zen-Lehrer und Geschäftsführer von Zen-Integral in Basel beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Traumarbeit – unter anderem auch mit Klarträumen, wie luzide Träume noch genannt werden. Widmer erklärt: «Wenn wir träumen, ist unser Gehirn nicht vollkommen, jedoch weitgehend ‹offline› von äusseren Sinnesempfindungen.» Viele Teile des Gehirns sind im Schlaf stattdessen hochaktiv und arbeiten an unseren Träumen. So gibt es Gehirnpartien, die während des Träumens für die Wahrnehmung bewegter Bilder und der Entstehung von Emotionen zuständig sind. Andere sorgen hingegen für die sogenannte Schlafparalyse und verhindern so, dass die Bewegungen unseres Traum-Ichs in reale Körperbewegungen umgesetzt werden.
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Was ist luzides Träumen?
Beim luziden Träumen laufen all diese Prozesse ebenfalls ab, es kommen jedoch noch welche dazu, wie Widmer ausführt: «Der Übergang von normalen Träumen in der REM-Phase zum luziden Träumen ist gekennzeichnet durch die erhöhte Aktivierung des präfrontalen Kortex.» So entstehe beim luziden Träumen ein bewusstes Traum-Ich, das erkennen kann, wenn beispielsweise Widersprüche oder Ungereimtheiten im Traum auftreten, und daraus schliessen kann, dass es sich in einem Traum befindet. «Nun kann dieses bewusste Traum-Ich, also der träumende Mensch, seine Aufmerksamkeit bewusst lenken, über sich selbst nachdenken und Absichten bilden, was er oder sie mit der gewonnenen Traumklarheit oder Luzidität gerne machen möchte», so der Experte.
Sache der Veranlagung
Wenn du jetzt wissen willst, ob auch du dazu in der Lage bist, dich deiner Träume bewusst zu werden, solltest du mal in deiner Familie nachfragen, ob das schon bei jemandem der Fall war. Denn Widmer weiss: «Luzides Träumen ist einerseits – wie eine gute Traumerinnerung – Sache der Veranlagung.» Es gäbe aber andererseits auch verschiedene andere Möglichkeiten, luzid zu werden. Es könne teilweise auch schon bei Kleinkindern zwischen vier und sechs Jahren vorkommen, dass sie plötzlich luzid träumen.
Keine einfache Praktik
Widmer selbst ist erstmals luzid geworden, ohne es überhaupt zu versuchen. «Ich habe mit 17 Jahren bereits zu meditieren begonnen. Mich hat die intensive Meditation zum luziden Träumen gebracht, ohne dass ich das damals wollte, gesucht habe oder überhaupt davon wusste», erzählt er.
Laut dem Experten gibt es heutzutage eine wahre Flut an Praktiken, um das luzide Träumen zu lernen und zu üben. Davon sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. «Leider kann man das luzide Träumen nicht mit Leichtigkeit durch ein paar Tricks lernen. Menschen sind sehr verschieden, und jeder kann das luzide Träumen auf seinem eigenen, persönlichen Weg erlernen», so Widmer.
Übungen für Einsteiger
Dennoch gibt es einige klassische Techniken, die häufig angewendet werden, wenn jemand das luzide Träumen erlernen will:
Das Traumtagebuch: Eine gute Traumerinnerung ist die zentrale Voraussetzung, um das luzide Träumen zu erlernen. Versuche deshalb deine Träume morgens so detailliert wie möglich in dein Traumtagebuch zu schreiben. Solltest du in der Nacht einmal aufwachen, kannst du deinen Traum als Sprachnotiz auf deinem Smartphone speichern und am Tag in das Traumtagebuch übertragen.
Sich über Traumzeichen bewusst werden: Ein guter Einstiegspunkt, um sich darüber bewusst zu werden, dass man träumt, sind Traumzeichen. Dies sind Dinge, die dich stutzig machen, weil sie nicht real sein können und nur im Traum vorkommen, wie beispielsweise die längst verstorbene Grossmutter. Markiere diese Zeichen im Traumtagebuch.
«Wake – Back to Bed»: Bei dieser Methode stellst du einen Wecker für die zweite Nachthälfte. Wenn du ganz wach bist, legst du dich mit dem Vorsatz «Wenn ich träume, weiss ich, dass ich träume» bewusst wieder schlafen.