Darum gehts
Gabriela Keller erinnert sich noch genau an den Abend, an dem sie zum ersten Mal den Begriff «selektiver Mutismus» gehört hat. Es war vor rund drei Jahren, als die Kindergärtnerin ihrer Tochter Sophie (8) ihr und ihrem Mann mitteilte, dass Sophie davon betroffen sein könnte. «Sie tat das auf behutsame Weise – trotzdem war der Schock gross», sagt Gabriela Keller, die im echten Leben anders heisst und zum Wohle ihrer Tochter anonym bleiben möchte.
Selektiver Mutismus ist eine emotional bedingte Sprechblockade, die nach dem internationalen Diagnosesystem ICD-11 zu den Angststörungen zählt und im frühen Kindesalter beginnt. Spezialisierte Fachpersonen bezeichnen selektiven Mutismus jedoch treffender als unwillkürliche Stressreaktion des autonomen Nervensystems. Betroffene sind im Grunde in der Lage zu sprechen und tun dies in vertrauter Umgebung auch. Sobald sie diese jedoch verlassen oder mit fremden Personen in Kontakt kommen, verstummen und erstarren sie plötzlich. Das geschieht, weil ihr Nervensystem sie als Schutzreaktion sofort in einen «Freeze»-Zustand versetzt.