Schwingungen im Gehrin
Weshalb wir Sprachen verstehen

Schwingungen im Gehirn, also die elektrische Aktivität, die Sprache in den Hirnzellen auslöst, sind für das Sprachverständnis unentbehrlich. Sind sie anormal, können Sprachstörungen auftreten.
Publiziert: 11.06.2015 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 21:55 Uhr

Die Aktivität des Gehirns ist rhythmisch - die elektrischen Impulse schwingen periodisch mit bestimmten Wellenlängen. Das Team um Anne-Lise Giraud von der Universität Genf (UNIGE) konnte nun in zwei Studien nachweisen, dass Fehlfunktionen dieser Schwingungen bei Sprachstörungen wie Legasthenie oder bei Autismus involviert sind.

Dass Schwingungen bestimmter Wellenlängen mit unterschiedlichen kognitiven Aktivitäten oder Zuständen zusammenhängen, war bereits bekannt: Wache Entspannung wie in der Meditation äussert sich in Beta-Wellen, Wörter mobilisieren synchronisierte Gamma- und Theta-Wellen, wie die Universität Genf in einer Mitteilung schreibt.

Giraud und Kollegen der Ecole Normale Supérieure in Paris wollten herausfinden, ob diese Gamma- und Theta-Wellen für gesprochene Sprache notwendig sind oder nur ein Beiprodukt davon. Mit einem Computermodell haben sie die Gehirnwellen simuliert. In den Fachzeitschriften «eLife» und «Frontiers in Human Neurosciences» berichten sie nun über ihre Resultate.

Tatsächlich zeigte sich bei einer Gruppe von englischsprachigen Probanden, dass die Schwingungen für die intelligente Trennung von Wörtern bedeutsam sind. Sie passen sich der Sprechgeschwindigkeit an und können nicht nur einzelne Silben, sondern auch die Identität der Silben feststellen.

Demnach können Gamma-Wellen Phoneme verschlüsseln, also die Laute, welche die kleinste Einheit der gesprochenen Sprache darstellen. Phoneme helfen dabei, ein Wort zu formen und es von einem anderen zu unterscheiden. Die Theta-Wellen passen sich der Geschwindigkeit der Gamma-Wellen an. Diese Synchronisierung sei unabdingbar für das Verständnis von Sprache, erklärten die Forschenden.

Weiter entdeckten Giraud und ihre Kollegen bei Menschen mit Legasthenie, also einer Rechtschreibschwäche, eine Anomalie bei den Gamma-Wellen. Dies erschwere das Erlernen von geschriebener Sprache, bei der Phoneme mit Buchstaben kombiniert werden. Denn das Format der mentalen Darstellung stimmt nicht mit dem universellen phonetischen Format überein.

Die Wissenschaftler untersuchten zudem eine Stichprobe von 13 Menschen mit Autismus und 13 Gesunden mit bildgebenden Verfahren. Sie stellten fest, dass bei den Autismus-Betroffenen Gamma- und Theta-Wellen nicht gut zusammenspielen. Die Theta-Wellen folgen der Aktivität der Gamma-Wellen nicht korrekt, und die Gamma-Wellen sind nicht reguliert, was für die Entschlüsselung des gesprochenen Wortes essenziell ist.

Diese Anomalie verhindere die korrekte Interpretation des Gehörten. Die Forschenden kommen zum Schluss, dass die Sprachstörungen einer betroffenen Person umso stärker sind, je stärker die Schwingungen ausser Takt sind.

«Natürlich lassen sich autistische Störungen nicht einfach zu einem Problem der Sprachinterpretation zusammenfassen», betont Giraud. Doch der starke Zusammenhang zwischen anomalen Schwingungen und der Schwere der Symptome hebe eine Fehlfunktion bei den korticalen Mikrokreisläufen hervor.

Dies gelte sicherlich auch in anderen Hirnregionen. «Dieses Phänomen ist ohne Zweifel beispielhaft für das allgemeinere Problem der Interpretation von Sinnesinformationen bei Autisten», ist die Wissenschaftlerin überzeugt.

Als nächstes möchte die Forschungsgruppe die Geschwindigkeit anormaler Schwingungen aktiv verändern und feststellen, wie dies die Sprache und andere geistige Funktionen beeinflusst. (SDA)

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