Im Dämmerlicht von Herbst und Winter versinken viele Menschen in seelische Düsternis. Das Schlafbedürfnis steigt ins Unmässige, ohne dass man sich je richtig ausgeruht fühlt. Man verliert die Lust und das Interesse an allem, was normalerweise Spass macht. Heisshunger nach Schokolade und anderen Süssigkeiten überfällt einen. Und wenn man im Frühling aus dem lähmenden Tief erwacht, bringt man prompt ein paar Kilo mehr auf die Waage, die sich auf die Badesaison hin nur mühsam wieder abhungern lassen.
Diagnose SAD
In der schweren Ausprägung hat das Leiden Krankheitswert – und einen Namen. Die Fachleute nennen es SAD, was besonders treffend ist, weil «sad» aus dem Englischen übersetzt «traurig» bedeutet. Denn lustig ist es wahrlich nicht! Doch SAD steht als Abkürzung für «Saisonale Depression» ab, was englisch als «Seasonal Affective Disorder» bezeichnet wird. Es ist eine depressive Störung, die in den Herbst- und Wintermonaten auftritt. Neben den depressiven Symptomen wie einer bedrückten Stimmung, weniger Energie sowie Ängstlichkeit kommen für Depressionen atypische Symptome hinzu wie Verlängerung der Schlafdauer, verstärkter Appetit auf Süssigkeiten sowie Kohlenhydrate-Heisshunger mit Gewichtszunahme.
Eine Lichttherapie hilft meistens sehr schnell
«SAD erfordert Behandlung», sagt Chefarzt Flury. Bei SAD ist Lichttherapie effektiv. Das bedeutet: Die Betroffenen setzen sich zu Hause täglich eine halbe bis eine Stunde vor eine Speziallampe, die zwischen 2500 und 10'000 Lux erzeugt. Das führt meistens innert einer knappen Woche zu einer deutlichen Verbesserung der Stimmung. «Die Lichttherapie hilft einem Grossteil der Patienten mit einer Winterdepression, ergänzt durch andere Therapieformen – Antidepressiva und Psychotherapie. Einfache Allgemeinrezepte gibt es aber nicht», betont Flury.
Schlaf, Bewegung und gutes Essen gegen den Blues
«Bei milden Formen handelt es sich um einen Winterblues, der sehr viele Menschen mehr oder weniger befällt – eine Befindlichkeitsstörung ohne Krankheitswert», sagt Hanspeter Flury. «Das Problem ist, dass es unser Alltag und unser Lebensrhythmus kaum erlauben, auf das dabei gesteigerte Bedürfnis nach mehr Ruhepausen und Schlaf genügend einzugehen», bedauert der Psychiater und Direktor der Klinik Schützen in Rheinfelden AG.
Den Winterblues sollte man nicht überbewerten. «Meistens sorgen mehr schlafen und Bewegung an der frischen Luft – am besten an der Sonne, oberhalb der Nebelgrenze – sowie eine gesunde Ernährung für mehr Freude am Leben», empfiehlt Flury.