Katerstimmung im Neujahr
Januar-Loch: Stimmungsaufheller boomen

Die Weihnachtsbäume sind abgebaut, die Sektflaschen ausgetrunken – was kommt jetzt? Der erste Monat des Jahres schlägt vielen aufs Gemüt – wir zeigen, was dagegen hilft.
Publiziert: 15.01.2019 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2023 um 11:32 Uhr
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Der Januar schlägt vielen auf die Stimmung.
Foto: plainpicture

Die ersten beiden Januartage sind für Karin M.* «wahnsinnig schwierig». Die Mittfünzigerin wacht schon mit einem schweren Klumpen im Magen auf, am Frühstückstisch bringt sie keinen Happen runter. Oft gehts dann weiter mit Schweissausbrüchen und Kopfschmerzen. Und immer plagen sie die gleichen Gedanken: Wird es mir weiterhin so gut gehen wie bis anhin? Werde ich meinen Job behalten können? Werden meine Töchter gesund bleiben?

Karin M. ist seit 30 Jahren mit demselben Mann verheiratet, lebt seit zehn Jahren in einer modernen Eigentumswohnung an bester Lage und hat seit 20 Jahren einen Verlagsjob, den sie gerne macht. «Mir gings noch nie so gut wie in dieser Lebensphase», sagt sie. «Trotzdem fürchte ich mich Anfang Jahr immer sehr vor der Zukunft.»

Bei Karin M. ist es Angst, bei anderen sind es Schwermut, Antriebslosigkeit oder Grübelei – gerade im Januar macht sich ein ungutes Gefühl breit. Die Menschen sitzen schlaff hinter Schreibtischen, ziehen morgens einmal mehr nach dem Weckerklingeln die Bettdecke über die Ohren. Stephan Goppel, Leitender Arzt der Psychiatrie St. Gallen Nord, weiss weshalb: «Für manche sind Weihnachten und Silvester mit negativen Gefühlen verbunden. Diese können bis ins neue Jahr nachwirken und werden erst richtig bewusst, wenn nach den Feiertagen der Alltag wieder beginnt.»

Apotheker Yves Platel registriert dies. «Im Januar beobachten wir bei stimmungsaufhellenden Medikamenten eine Verkaufssteigerung», sagt der Geschäftsführer der Bahnhof Apotheke Zürich. Besonders beliebt sind anregende Mittelchen wie Guarana oder Berocca. Von ihnen verkauft Platel 80 Prozent mehr als im Vergleich zum Jahresdurchschnitt. Ähnlich siehts beim Shootingstar unter den pflanzlichen Antidepressiva aus: dem Johanniskraut. Bis zu 70 Prozent mehr Packungen der Tees, Tabletten und Tröpfchen gehen bei Platel über den Ladentisch.

Das alles wegen des Januar-Blues. In der Schweiz noch wenig bekannt, ist der Begriff in Grossbritannien und den USA längst ein geflügeltes Wort. Das Netz ist voller Zeitungsbeiträge mit Tipps, wie man ihn vermeidet. Meist bleibt aber eine Frage unbeantwortet: Was genau steckt dahinter?

An Silvester ist meistens noch alles in bester Ordnung. Der Alkoholpegel ist so hoch, wie die Vorsätze gross sind: Mehr Sport! Weniger Zigaretten! Mehr Liebe! Doch dann meldet sich am Neujahrstag gnadenlos der grosse Kater. Weil kein Glühwein mehr den Feierabend versüsst, keine Weihnachtslieder, Weihnachtsmärkte und Lichterketten uns in einen kollektiven Glücksrausch versetzen und alle negativen Gedanken vergessen machen.

Bilanz ziehen: Unerfüllte Wünsche hallen nach

Stattdessen kommen im Januar Erinnerungen hoch. Bilder vom Weihnachtsabend, als der Bruder fragte, warum die 35-jährige Schwester noch immer Single sei. Oder als die Mutter vor der Familie kein gutes Haar am Sohn liess. Oder als der Vater sich mit seiner Schwiegermutter stritt. «Das Zusammensein mit Familienmitgliedern kann einem Halt geben, aber auch alte Wunden wieder aufreissen», sagt Stephan Goppel.

Hinzu kommt: Am Ende des Jahres ziehen viele Bilanz – wehe, die fällt schlecht aus. «Welche Wünsche unerfüllt geblieben sind und welche Vorsätze man nicht einlösen konnte, spürt man in dieser Zeit besonders», so Goppel. Im Januar wiegt dann schwer, wenn die Waage drei Kilo mehr anzeigt als im Dezember, der Beziehungsstatus immer noch so deprimierend ist wie vor einem Jahr und ein eigenes Haus oder Kinder unerreichbar scheinen.

Und vor allem: Wenn man merkt, dass man noch immer im gleichen nervigen Job feststeckt, weil man nicht den Mut hatte, etwas zu ändern. Gerade nach zwei Wochen Ferien drückt der gehässige Arbeitskollege, der ignorante Chef oder der zu tiefe Lohn viel mehr aufs Gemüt als sonst – erst jetzt weiss man, wie es sich ohne den Psychostress anfühlt.

Das Hadern mit dem Job zeigt sich dann bei Plattformen, die Berufstätige miteinander verknüpfen und Stelleninserate aufschalten. Bei ihnen schnellen die Besucherzahlen im Januar in die Höhe. Auch weil vier von zehn Menschen in dieser Zeit mit einem Stellenwechsel liebäugeln, wie eine Umfrage des auf Arbeit spezialisierten sozialen Netzwerks Xing ergab.

Chapeau, wer ob all der düsteren Gedanken keinen Koller bekommt! Was man jetzt auf keinen Fall tun sollte: sich unter der Bettdecke vergraben. Denn was mit einem Stimmungstief, mit Sorgen, Energielosigkeit, Schlaflosigkeit, weniger Lust auf Sex und Arbeit, Absagen von Essenseinladungen oder einer Erkältung, die einfach nicht weggeht, anfängt, kann sich zu einer Depression entwickeln. Vor allem dann, wenn sich die Symptome verstärken und länger als zwei Wochen anhalten.

Der Unterschied zwischen Depression und Winterdepression

Auch wenn die Tage kurz und grau sind: Sich im Haus verkriechen sollte man besser lassen. Depressions-Expertin Dr. Annette Brühl weiss: Das stärkste Mittel gegen den Winterblues sind frische Luft und Bewegung.

Eine junge Frau auf dem Bett die unter Depression leidet.
shutterstock

Auch wenn die Tage kurz und grau sind: Sich im Haus verkriechen sollte man besser lassen. Depressions-Expertin Dr. Annette Brühl weiss: Das stärkste Mittel gegen den Winterblues sind frische Luft und Bewegung.

Gegen den Januar-Blues hilft Vitamin D

In der Schweiz leiden im Winter etwa 160 000 Menschen an einer sogenannten saisonalen Depres sion. Die vielen Wochen voller kurzer Tage und mit viel Nebel, Regen und Schnee machen aber auch all jenen zu schaffen, die keine Winterdepression haben. Weil kaum ein Sonnenstrahl unsere Haut berührt. Und den braucht es, damit wir Vitamin D aufnehmen und psychisch gesund bleiben. Ganz wichtig deshalb: Raus ans Tageslicht – und unter die Leute!

Ein Tief ist übrigens nicht das Ende der Welt. «Depressive Symptome gehören zum Leben dazu», sagt Stephan Goppel. Eine aktuelle Studie des Schweizer Forschungsbüros Sotomo bestätigt das. Sie zeigt: Zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer hatten mindestens schon einmal eine seelische Krise. Kein Wunder, boomt das Geschäft mit dem Glück. Coachings, Selbsthilfebücher, Meditations-CDs – all das verspricht uns, uns zufriedener zu machen. Und sagt uns implizit, dass nicht normal ist, wer nicht happy ist. Goppel kri tisiert das: «Ein Stimmungstief oder eine Depression haben eine Funktion. Sie zeigen an, dass etwas nicht stimmt.» Sei es, weil ein Mensch gestorben ist. Oder man ein anderes belastendes Erlebnis nicht verarbeitet hat.

Aber so weit muss es gar nicht kommen. Schauen wir nach vorn: In 18 Tagen ist der Januar schon wieder zu Ende, die Tage werden länger, die Gedanken heller.

*Name der Reaktion bekannt

Das müssen Sie über Vitamin-D-Mangel wissen

Im Winter leiden viele unter Vitamin-D-Mangel. Kein Wunder, nimmt der Mensch das wichtige Vitamin grösstenteils über die Sonnenstrahlen auf.

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Omega 3 in Kapseln
Vitamin-D gibt es auch als Pille.
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So wappnen Sie sich gegen das Januar-Tief

  • Viel Licht: Verbringen Sie genügend Zeit an der frischen Luft. Ein Spaziergang während der Mittagspause tut gut. Oder eine Winterwanderung am Wochenende.
  • Bewegung: Auch wenns kalt und dunkel ist, sollten Sie sich regelmässig bewegen. Am besten täglich. Schon ein 15-minütiger Spaziergang kann die Stimmung heben, wie Studien zeigen.
  • Genügend Vitamin D: Fisch wie Lachs, Hering oder Thunfisch gehört zu den grössten Lieferanten von Vitamin D. Ob Sie zusätzlich ein Vitamin-D-Präparat benötigen, kann der Apotheker am besten beurteilen.
  • Schluss mit Grübeln: Nennen Sie den grüblerischen Gedanken beim Namen. Lassen Sie sich nicht von ihm provozieren und schenken Sie ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit. Komplett ignorieren ist aber auch keine Lösung.
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