Forschungen beweisen
Der falsche Nachbar macht krank

Es ist ein Klischee, doch wahr daran ist viel: Viele Konflikte entstehen am Gartenzaun. Forscher wollen jetzt herausgefunden haben, wer mit wem am besten zurecht kommt.
Publiziert: 21.06.2015 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 13:51 Uhr
Zu Risiken und Nebenwirkungen von Nachbarn fragen Sie bitte Ihren Arzt oder Apotheker – oder lesen Sie den Artikel.
Foto: Thinkstock
Von Franca Siegfried

Schweizer verstehen sich untereinander recht gut. Es sei denn, sie sind Nachbarn. Gleich hinter der Grundstücksgrenze beginnt die Kampfzone.

So harmlos der Anlass für Streit oft ist (BLICK berichtete von einem Streit wegen eines Güggels), so gnadenlos wird er ausgetragen.

Des Themas Nachbarschaft haben sich Forscher des Instituts für soziale Arbeit der Fachhochschule St. Gallen angenommen. Ihre Frage: Schafft die räumliche Nähe als Nachbar automatisch auch soziale Nähe?

Um herauszufinden, wie sich verdichtetes Wohnen auf Menschen auswirkt, befragten sie Nachbarn im St. Galler Rheintal und in Österreich. Fazit: Sozi­ale Durchmischung ist kein Patentrezept gegen Nachbarschaftsstress. Denn je ähnlicher sich Nachbarn sind – etwa bei Bildungsstand, Generation und Einkommensklasse –, umso leichter knüpfen sie Kontakte.

«Das bedeutet jedoch nicht, dass nur Einheitsquartiere die richtige Lösung für eine fried­liche Nachbarschaft sind», sagt Forscherin Bettina Brüschweiler (42).

Streit unter Nachbarn gibt es wohl, seit der erste Nomade ein Stück Land einzäunte und Ackerbau zu betreiben begann, anstatt zu jagen.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Gesellschaft interessierten sich auch Soziologen für das Problem. «Nicht nur die Stadtbezirke begrenzen einander, sondern auch die Einwohner üben gegenseitige Wirkung aus», schrieb Georg Simmel.

Der deutsche Soziologe erkannte schon 1903 das Phänomen des Nachbarschaftseffekts: Das Viertel, in dem jemand wohnt, beeinflusst die Lebenschancen – unabhängig davon, wer man ist und wie man lebt.

Das gilt bis heute. Kanadische Forscher haben 8500 Kinder, die zwischen 1992 und 1994 geboren wurden, begleitet und erkannt, dass diejenigen, die in sozial schwächeren Quartieren aufwuchsen, deutlich öfter ins Krankenhaus mussten.

Eine US-Studie zeigte, dass Jugendliche unabhängig von der Ausbildung bessere Jobs bekamen, wenn sie in einem besseren Quartier lebten. Andererseits ist gewaltbereiter, wer im Quartier Gewalt erlebt. Auch Forscher in den Niederlanden wiesen mit 17 800 Schulkindern den Nachbarschaftseffekt nach.

Müsste also nicht eine Durchmischung der sozialen Schichten in der Nachbarschaft zu besseren Chancen führen? Gut möglich – wenn wir den Streit am Zaun nicht scheuen.

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