Bei Robert Cialdini ist es erst sieben Uhr morgens, als er bei sich zu Hause im US-Bundesstaat Arizona den Bildschirm für unser Interview einschaltet. Trotzdem hat der emeritierte Psychologie-Professor bereits trainiert und Kaffee getrunken.
Herr Cialdini, Sie gelten als «Godfather of Influence», als Experte darin, wie man Menschen beeinflusst. Trauen Ihnen Freunde und Familie noch über den Weg?
Robert Cialdini: Benjamin Franklin, einer der Pioniere des US-Governments, sagte einst: «Willst du überzeugen, appelliere nicht an den Verstand, sondern an das Selbstinteresse deines Gegenübers.» Schlage ich meinen Mitmenschen etwas vor, versuche ich ihnen also zu zeigen, dass das auch für sie eine gute Idee ist. Mit dieser Strategie habe ich mir noch nie Groll eingehandelt.
Und doch wurde Ihr Bestseller «Influence – wie man andere überzeugt» zur weltweiten Bibel des Verkaufs und Marketings. Ist das für Sie moralisch in Ordnung?
Ich habe nichts dagegen, dass mein Buch verwendet wird, um andere zu beeinflussen – solange nach wie vor die Wahrheit erzählt wird. Aber es ist wichtig, dass die Leute wissen, wie ihre Psyche im Moment der Entscheidung reagiert. Nur dann können sie erkennen, wenn jemand versucht, sie ethisch oder unethisch zu beeinflussen.
Wie oft werden wir von anderen beeinflusst, ohne es zu merken?
Andauernd!
Und wieso schnallen wir das nicht?
Bei jeder Entscheidung greifen wir unbewusst auf Verhaltensmuster zurück, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt haben. Eine Art automatische Funktion, die das Gehirn nutzt, um Energie zu sparen. Sonst wären wir komplett überfordert. Der Nachteil ist, dass diese Schlüsselreize auch dann aktiviert werden, wenn sie jemand zu seinen Gunsten manipuliert.
Robert Cialdini (78) ist emeritierter Professor für Psychologie und Marketing der Arizona State University. Sein bekanntestes Buch «Influence – wie man (andere) überzeugt» (1984) wurde weltweit über fünf Millionen Mal verkauft und gilt als Standardwerk zum Thema Beeinflussung. Dieses Jahr erschien die deutsche überarbeitete Neuauflage mit neuen Informationen rund ums Internet und dem siebten Prinzip des Überzeugens. Heute ist Cialdini ein gefragter Redner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Influence at Work. In seinem Newsletter gibt er regelmässig Tipps und verrät Übungen, wie man beruflich wie persönlich besser überzeugt.
Robert Cialdini (78) ist emeritierter Professor für Psychologie und Marketing der Arizona State University. Sein bekanntestes Buch «Influence – wie man (andere) überzeugt» (1984) wurde weltweit über fünf Millionen Mal verkauft und gilt als Standardwerk zum Thema Beeinflussung. Dieses Jahr erschien die deutsche überarbeitete Neuauflage mit neuen Informationen rund ums Internet und dem siebten Prinzip des Überzeugens. Heute ist Cialdini ein gefragter Redner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Influence at Work. In seinem Newsletter gibt er regelmässig Tipps und verrät Übungen, wie man beruflich wie persönlich besser überzeugt.
Sie schrieben einmal, dass es immer wichtiger wird, sich dessen bewusst zu sein. Wieso?
Weil immer mehr Informationen und Eindrücke auf uns einprasseln. Gleichzeitig haben wir immer weniger Zeit, uns damit auseinanderzusetzen. Um damit fertig zu werden, sind wir immer stärker auf unsere automatischen Verhaltensmuster angewiesen.
Um diese Verhaltensmuster zu untersuchen, haben Sie sich für Ihre Forschung verdeckt unter die Besten der Besten im Beeinflussen gemischt.
Richtig, zuvor hatte ich an der Universität bereits viel Forschung betrieben. Aber ich merkte bald: Um wirklich zu verstehen, was in der realen Welt funktioniert, um Menschen zu beeinflussen, muss ich raus aus der Uni-Bubble. So tauchte ich ein in die Welt des Verkaufs, Marketings, Fundraisings, der Werbung. Geschäftsfelder, die davon abhängen, andere erfolgreich zu beeinflussen.
Sie waren ein Spion!
Sozusagen. Ich wollte herausfinden, was die Gemeinsamkeiten all dieser Domänen sind. Was funktioniert in all diesen Berufsfeldern, damit die Kundschaft Ja sagt?
Die universellen Mechanismen der Beeinflussung.
Sie sagen es. Ich war überrascht, zu sehen, wie überschaubar die gemeinsamen Nenner waren. Es waren wenige, aber äusserst grundlegende Prinzipien, die in allen diesen Branchen zu wirken schienen. Über diese sieben Einflusshebel auf unsere Entscheidungen schrieb ich das Buch «Influence».
- Gegenseitigkeit: Was wir von jemandem erhalten, wollen wir zurückgeben.
- Sympathie: Wir lassen uns eher von Menschen überzeugen, die wir mögen.
- Soziale Bewährtheit: Wenn wir unsicher sind, orientieren wir uns an unseren Mitmenschen.
- Autorität: Damit wir Autoritäten reflexartig Gehorsam leisten, reichen oft schon die blossen Symbole der Autorität.
- Knappheit: Wir messen Dingen mehr Wert bei, wenn sie knapp sind.
- Festlegung und Konsequenz: Wir haben das starke Bedürfnis, in unserem Handeln konsequent zu sein – und auch gegen aussen so wahrgenommen zu werden.
- Gemeinschaft: Wir lassen uns eher von Menschen überzeugen, mit denen wir eine Identität teilen.
- Gegenseitigkeit: Was wir von jemandem erhalten, wollen wir zurückgeben.
- Sympathie: Wir lassen uns eher von Menschen überzeugen, die wir mögen.
- Soziale Bewährtheit: Wenn wir unsicher sind, orientieren wir uns an unseren Mitmenschen.
- Autorität: Damit wir Autoritäten reflexartig Gehorsam leisten, reichen oft schon die blossen Symbole der Autorität.
- Knappheit: Wir messen Dingen mehr Wert bei, wenn sie knapp sind.
- Festlegung und Konsequenz: Wir haben das starke Bedürfnis, in unserem Handeln konsequent zu sein – und auch gegen aussen so wahrgenommen zu werden.
- Gemeinschaft: Wir lassen uns eher von Menschen überzeugen, mit denen wir eine Identität teilen.
Schauen wir uns ein paar der Prinzipien genauer an. Nehmen wir einmal an, Sie fänden es furchtbar langweilig, morgens allein zu trainieren. Wie würden Sie mich davon überzeugen, Ihre Workout-Partnerin zu werden?
Als einer der wichtigsten Prinzipien gilt die Gegenseitigkeit. Ein Beispiel aus der Forschung: Der Besitzer eines Süsswarenladens begrüsste die Hälfte seiner Kundschaft freundlich. Der zweiten Hälfte schenkte er dazu ein Stück Schokolade. Diejenigen, die Schokolade erhielten, kauften im Schnitt 42 Prozent mehr. Nicht, weil sie die Schokolade so gern mochten, sie kauften mehrheitlich andere Süssigkeiten. Sondern, weil sie vom Besitzer zuerst etwas erhalten hatten.
Wir wollen niemandem etwas schuldig sein.
Ganz genau. Schulden lasten schwer auf unseren Schultern, wir wollen sie loswerden. Die Dankbarkeit macht, dass es sich richtig anfühlt, der Person etwas zurückzugeben. Bevor ich Sie frage, ob Sie meine Workout-Partnerin werden, würde ich Ihnen also zum Beispiel das Mittagessen bezahlen.
Was hat Sympathie damit zu tun?
Es wird wohl niemanden überraschen, dass wir einem Vorschlag viel eher zustimmen, wenn er von jemandem stammt, den oder die wir sympathisch finden. Mit zwei Handlungen können wir die Sympathie fördern. Erstens: Ähnlichkeiten betonen. Wir mögen Menschen, die uns ähnlich sind. Wenn Sie erkennen, dass wir eine ähnliche Jacke tragen, dieselbe Band mögen oder die gleichen Bücher lesen, werden Sie viel eher zusagen, mit mir zu trainieren.
Klingt überzeugend. Und die zweite Handlung?
Komplimente. Wir mögen nicht nur Menschen, die uns ähnlich sind. Wir mögen Menschen, von denen wir gemocht werden – und die das auch zeigen. Also würde ich Ihnen ein Kompliment machen.
Ist das nicht ziemlich desillusionierend? Ich mache und bekomme gern Komplimente. Sind sie immer eine Form der Beeinflussung?
Ja, immer. Doch es kommt darauf an, ob sie aufrichtig oder geheuchelt sind. Mein Rat ist, etwas Ehrliches zu finden, das man an der anderen Person mag. Denn dann mag ich Sie ebenfalls besser – das funktioniert beidseitig, ich bin ebenso menschlich wie Sie. Und schon haben wir zwei Menschen, die sich etwas sympathischer finden.
Sie gehörten zum Team aus Verhaltensforschern und Psychologinnen, die Barack Obama im Wahlkampf beraten haben. Was rieten Sie ihm?
Erinnern wir uns daran, wer Obama war, als er 2008 zum ersten Mal kandidierte: Vielen Wählerinnen und Wählern war er relativ unbekannt, sie wussten noch nicht, was von ihm zu erwarten war. Damals hing hinter dem Rednerpult üblicherweise eine US-Flagge. Als Beratungsteam rieten wir Obama zum Beispiel, statt der Flagge eine Gruppe möglichst unterschiedlicher Menschen hinter sich zu stellen.
Mit denen sich die Wählerschaft identifizieren sollte.
Genau. Ein weiteres Beispiel: Wer für die US-Präsidentschaft kandidiert, muss alle paar Monate ausweisen, wie viele Spendengelder man für den Wahlkampf erhalten hat. Typischerweise nannten die Kandidatinnen und Kandidaten die totale Summe. Auf unseren Rat hin nannte Obama zuerst die Anzahl aller Menschen, die gespendet haben.
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit.
Exakt. Damit sagte Obama: Schaut, alle diese Leute um euch herum haben bereits für mich gespendet. Er betonte die breite Masse, statt einzelne hohe Beträge zu verdanken. Wir Menschen finden heraus, was richtig ist, indem wir uns ansehen, was andere Menschen für richtig halten.
Was heisst das konkret für unser gemeinsames Workout?
Ich würde versuchen, Sie auf einen Trend aufmerksam zu machen. Zum Beispiel, dass immer mehr Menschen in Ihrem Alter morgens in Gesellschaft trainieren. Vorausgesetzt natürlich, dass es diesen Trend wirklich gibt und ich nicht einfach etwas erfinde.
Letztens habe ich ein Hotelzimmer für die Ferien gebucht. Was macht es mit mir, wenn auf der Seite aufblinkt, dass nur noch ein Zimmer verfügbar ist?
Hier wirkt das Prinzip der Knappheit. Wir Menschen schätzen seltene, einzigartige Dinge, ob besonders wertvoll oder ein absolutes Schnäppchen. Durch die Verlustangst sind wir viel motivierter, etwas zu tun, um es zu kriegen. Ich könnte Ihnen für das Workout also sagen: Ein Unfall oder eine Krankheit können jederzeit alles verändern. Wollen Sie nicht Ihren gesunden Körper und das schöne Gefühl nach dem Training in vollen Zügen geniessen, solange Sie noch können? Bevor es zu spät ist.
Da möchte ich Sportmuffel mir schon fast die Laufschuhe zuschnüren. Die Neuauflage des Buchs haben Sie mit dem Prinzip der Gemeinschaft ergänzt.
Wir sagen viel eher Ja zu Leuten, die wir als jemanden von uns sehen. In einem Versuch liessen Forschende eine junge Frau im Uni-Alter auf einem Campus Spenden sammeln. Sie war so angezogen, wie sich Studierende kleiden. So brachte sie ein paar wenige Spenden ein. Doch wenn sie einen einzigen Satz hinzufügte, bevor sie nach dem Geld fragte, erhöhte sie die Spenden um 450 Prozent.
Wie lautete er?
«Ich studiere auch hier.» Ich sehe euch nicht nur ähnlich, ich bin eine von euch.
Ein kleiner Unterschied.
Mit gigantischer Wirkung! Was Sie betrifft, kenne ich Ihre Identität nicht wirklich. Teilen wir eine politische oder religiöse Zugehörigkeit? Sind wir beide Mitglied im gleichen Verein? Fände ich so eine Gemeinsamkeit, würde ich sie betonen, bevor ich vorschlage, gemeinsam zu trainieren.
Was auffällt: Für bestimmte Anliegen scheinen bestimmte Prinzipien geeigneter als andere.
In der Tat. Das effektivste Prinzip ist, kein einzelnes Prinzip zu haben. Anhand der Situation entscheidet man, welcher Einflusshebel am sinnvollsten ist.
Alles klar, ich lasse Sie wissen, wie es mit dem Training läuft.
Ich freue mich darauf!