Zika-Virus im Fokus
Sind Viren böse?

Die Angst geht um: Zika-Virus. Experte Beda M. Stadler erklärt, was von den Schreckensmeldungen zu halten ist – und ob wir vor einer neuen Pandemie stehen.
Publiziert: 01.02.2019 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2019 um 10:14 Uhr
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Immunologe Beda Stadler gibt Entwarnung: Wir stehen in der Schweiz nicht vor einer Pandemie.
Foto: KEY
Beda Stadler

Wieder stehen Viren unter Generalverdacht: Zika wütet in Südamerika. Vergessen ist Ebola, weil dieses Virus uns nie wirklich bedroht hat. Und die Schweine- oder Vogelgrippe-Pandemien waren im Rückblick normale Grippejahre. Gibt es also eine Faustregel, um sich nicht jedes Mal von Schreckensmeldungen über Killerviren ins Bockshorn jagen zu lassen?

Ein Rückblick. Als Kinder standen wir im Kreis und sangen: «Der Plumpsack geht um, dreh dich nicht um.» Ein Kind hatte die Aufgabe, Schicksal zu spielen, und liess ein meist dreckiges Nastuch hinter dem Rücken eines der Kinder fallen. Wir wussten damals nicht, dass das uralte Spiel eine Art kindliche Verarbeitung der Pest war. Anders als im Mittelalter hatte man nämlich beim Spiel die Chance, demjenigen, der einem mit dem Nastuch angesteckt hatte, nachzurennen. Meist gelang dies nicht, und man wurde selber zum Bösewicht, der andere ansteckt.

Was ist das Zika-Virus?

1. Ansteckung über Moskitos


Das Virus gehört zur Familie der Flavi-Viren, zu denen auch das Dengue- und Gelbfiebervirus gehören. Übertragen werden die Viren von Stechmücken. Beim Zika-Virus handelt es sich um die Stechmücke Aedes aegypti, zu Deutsch Ägyptische Tigermücke. Diese Mücken sind im Gegensatz zu anderen vor allem am Tag aktiv und aggressiver.

2. Übertragung und Symptome


Bisher wurde die Vermutung zwar nicht von offizieller Seite bestätigt, doch es wurde in mehreren Fällen beobachtet, dass das Virus über Bluttransfusionen sowie beim Geschlechtsverkehr übertragen wurde. Nicht alle Infizierten entwickeln auch die Symptome. Treten diese auf, handelt es sich meist um Hautausschlag, Gelenkschmerzen, Bindehautentzündung und Fieber. Nach einer Woche klingen die Beschwerden in der Regel wieder ab. Deshalb galt das Virus bisher auch als unproblematisch.

3. Gefahr für Schwangere


Wirklich gefährlich ist das Zika-Virus für Schwangere. Der Erreger steht im Verdacht, bei Ungeborenen schwere Fehlbildungen zu verursachen, wenn sich die Mutter in der Schwangerschaft infiziert. Die Folge kann eine geistige Behinderung bei den Babys sein, weil diese mit einem viel zu kleinen Kopf auf die Welt kommen (Mikrozephalie).

4. Schnelle Verbreitung


Die Behörden sind aufgrund der explosionsartigen Ausbreitung des Zika-Virus in den betroffenen Ländern besorgt. Die WHO schlägt bereits Alarm und warnt vor der Gefahr, die vor allem auf dem amerikanischen Kontinent besteht. Hauptsächlich betroffen ist Südamerika, doch mindestens sieben Fälle sind bisher auch in europäischen Ländern registriert. «Wir sind extrem alarmiert», so die WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.

5. Keine Panikmache


Gleichzeitig warnt die UN-Organisation vor ungerechtfertigter Panik: «Das ist nicht Ebola.» Nur wenige Menschen, die sich mit dem Zika-Virus infiziert haben, leiden unter schweren Symptomen. Meist sind diese mit Grippe-Beschwerden vergleichbar und verschwinden nach ein paar Tagen. Nur einer von fünf Infizierten hat mit schweren Symptomen zu kämpfen. Ausreichend Ruhe und viel Flüssigkeit reichen normalerweise als Behandlung. Alle Reisenden, die binnen drei Wochen nach der Rückkehr aus einem von Zika betroffenen Land Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen oder Hautrötungen feststellen, sollten sicherheitshalber einen Arzt aufsuchen. Ein Bluttest kann Aufschluss über eine Infizierung geben. (cm/gsc)

Weitere Infos unter
www.bag.admin.ch
www.safetravel.ch

Schuld an der Misere: die Ägyptische Tigermücke.
Schuld an der Misere: die Ägyptische Tigermücke.
AP

1. Ansteckung über Moskitos


Das Virus gehört zur Familie der Flavi-Viren, zu denen auch das Dengue- und Gelbfiebervirus gehören. Übertragen werden die Viren von Stechmücken. Beim Zika-Virus handelt es sich um die Stechmücke Aedes aegypti, zu Deutsch Ägyptische Tigermücke. Diese Mücken sind im Gegensatz zu anderen vor allem am Tag aktiv und aggressiver.

2. Übertragung und Symptome


Bisher wurde die Vermutung zwar nicht von offizieller Seite bestätigt, doch es wurde in mehreren Fällen beobachtet, dass das Virus über Bluttransfusionen sowie beim Geschlechtsverkehr übertragen wurde. Nicht alle Infizierten entwickeln auch die Symptome. Treten diese auf, handelt es sich meist um Hautausschlag, Gelenkschmerzen, Bindehautentzündung und Fieber. Nach einer Woche klingen die Beschwerden in der Regel wieder ab. Deshalb galt das Virus bisher auch als unproblematisch.

3. Gefahr für Schwangere


Wirklich gefährlich ist das Zika-Virus für Schwangere. Der Erreger steht im Verdacht, bei Ungeborenen schwere Fehlbildungen zu verursachen, wenn sich die Mutter in der Schwangerschaft infiziert. Die Folge kann eine geistige Behinderung bei den Babys sein, weil diese mit einem viel zu kleinen Kopf auf die Welt kommen (Mikrozephalie).

4. Schnelle Verbreitung


Die Behörden sind aufgrund der explosionsartigen Ausbreitung des Zika-Virus in den betroffenen Ländern besorgt. Die WHO schlägt bereits Alarm und warnt vor der Gefahr, die vor allem auf dem amerikanischen Kontinent besteht. Hauptsächlich betroffen ist Südamerika, doch mindestens sieben Fälle sind bisher auch in europäischen Ländern registriert. «Wir sind extrem alarmiert», so die WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.

5. Keine Panikmache


Gleichzeitig warnt die UN-Organisation vor ungerechtfertigter Panik: «Das ist nicht Ebola.» Nur wenige Menschen, die sich mit dem Zika-Virus infiziert haben, leiden unter schweren Symptomen. Meist sind diese mit Grippe-Beschwerden vergleichbar und verschwinden nach ein paar Tagen. Nur einer von fünf Infizierten hat mit schweren Symptomen zu kämpfen. Ausreichend Ruhe und viel Flüssigkeit reichen normalerweise als Behandlung. Alle Reisenden, die binnen drei Wochen nach der Rückkehr aus einem von Zika betroffenen Land Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen oder Hautrötungen feststellen, sollten sicherheitshalber einen Arzt aufsuchen. Ein Bluttest kann Aufschluss über eine Infizierung geben. (cm/gsc)

Weitere Infos unter
www.bag.admin.ch
www.safetravel.ch

In der Dritten Welt ist das Problem gross, bei uns nicht

Unsere Geschichte strotzt von Krankheiten, die auch bei Erwachsenen Urängste begründet haben. Man nimmt an, dass im 14. Jahrhundert die Pest in Europa 25 Millionen Tote forderte, was ein Drittel der Bevölkerung war. Und im 16. Jahrhundert starben von 1000 Kindern über 100 an einer Krankheit, bevor sie 10-jährig wurden. Dass Kinder Angst vor Ungewissheit und Krankheit haben, ist somit mehr als normal. Und denkt man an die Spanische Grippe, die von 1918 bis 1920 zwischen 25 und 50 Millionen Tote forderte, ist es auch bei Erwachsenen verständlich, wenn sie winzige Mikroben als Horrorszenario sehen. Bei der nächsten Horror-Meldung über Viren gilt also: Das «Small, medium, large»-Prinzip für Mikroorganismen anwenden und gesunden Menschenverstand walten lassen. Parasiten wie der Malaria-Erreger etwa sind gross, also «large». Obwohl man seit Jahrzehnten dagegen kämpft, sterben jährlich rund 1,2 Millionen Menschen daran. Das ist also ein echtes und grosses Problem.

Auch für die alten Eidgenossen war Malaria bis ins 19. Jahrhundert ein Problem, weil wir viele Sümpfe und Tümpel hatten, in denen die Malariamücken überleben konnten. Die Gewässerkorrektionen im Seeland, in der Lindtebene und im Wallis haben das Problem jedoch zum Verschwinden gebracht. Und auch wenn Reisende heute arg viele Mücken aus Afrika einschleppen, bleibt es dabei: Wir haben keine geeigneten Biotope für die Mücken.

Deshalb ist das neuste Angstszenario um das Zika-Virus für uns: warme Luft. Denn das Virus braucht die Tigermücke, um Menschen anzustecken. Von denen gibt es bei uns aber zu wenige und auch nicht genügend Biotope. Überhaupt sind unsere heutigen Hygiene- und Umweltbedingungen so, dass wir fast alle einstigen parasitären Krankheiten nicht mehr fürchten müssen. Was also für die Dritte Welt leider gross bleibt, ist für uns fast immer «small», klein.

Bereits 2000 Schwangere infiziert
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Rasante Ausbreitung des Zikavirus in Kolumbien:Bereits 2000 Schwangere infiziert

«Medium» ist ein Problem dann, wenn Bakterien dahinterstecken. Dagegen haben wir hierzulande Hygiene und Antibiotika. Auch wenn in Entwicklungsländern Durchfallserkrankungen und Lebensmittelvergiftungen durch Bakterien immer noch die grösste Todesursache sind: Die allermeisten Bakterien sind harmlos, und wir benötigen sie sogar zum Überleben. Uns machen sie nur Angst, wenn jemand mit dem Szenario einer Antibiotikaresistenz droht. Diese Gefahr lauert übrigens dort, wo man sie am wenigsten vermutet, nämlich in den Spitälern oder in den Tropenferien.

Gegen viele Viren kann man sich mittlerweile impfen lassen

«Medium» bleibt das Problem aber, weil wir letztlich immer etwas dagegen unternehmen könnten, also nicht machtlos sind. Oft müssen wir uns auch gar nicht gegen das Bakterium schützen, sondern bloss gegen die Gifte, welche von den Bakterien produziert werden: Starrkrampf, Diphtherie oder Keuchhusten werden durch solche Gifte verursacht, und gegen diese Krankheiten kann man sich impfen lassen. Infektionskrankheiten, verursacht durch Bakterien, sind so selten geworden, dass ihnen das Horrorpotenzial fehlt. Selbst als 2011 in Deutschland mehr als 35 Menschen an EHEC-Bakterien verstarben, hat das fast niemanden gekümmert – weil die Killerbakterien auf Bio-Sprossen gefunden wurden?

«Small» ist ein Problem, wenn Viren dahinterstecken. Im Gegensatz zu Bakterien oder Parasiten sind diese nur Halb-Lebewesen – und müssen immer in die Zelle eines Lebewesens eindringen, um sich dort zu vermehren. Ihre Winzigkeit macht sie aber besonders gefährlich, da sie durch kleinste Tröpfchen übertragen werden können.

Besonders «small» ist das Problem dann, wenn man sich gegen viele Viren impfen lassen kann und weil die meisten Viren nicht sehr ansteckend sind. Falls das Virus aber unser Immunsystem direkt angreift, wird es gefährlich. Das HI-Virus gehört dazu. Das hat aber seinen Schrecken für viele verloren, weil es nun Medikamente dagegen gibt.

Unsere Medizin hat also dermassen Fortschritte gemacht, dass eine Pandemie wie die Spanische Grippe nicht mehr möglich ist. 

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