Vor zehn Jahren versagte Beat Bolligers Niere – seine Frau rettete ihn
«Was sie getan hat, ist unglaublich»

Vor zehn Jahren versagte Beat Bolligers Niere. Mit der Diagnose hatte der Drogist zwar gerechnet, brutal war sie trotzdem. Seine Frau Susanne rettete ihm das Leben – sie spendete ihm eine Niere.
Publiziert: 13.10.2019 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2019 um 10:20 Uhr
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Vor zehn Jahren versagte Beat Bolligers (72) Niere. Seine Frau Susanne (61) spendete ihm das benötigte Organ.
Foto: Philippe Rossier
Livia Fischer

Zu besonderen Anlässen kehrt die Familie Bolliger aus Zollikofen BE immer wieder zu ihrem Lieblings-Italiener zurück. Zuletzt am 18. März. Es ist das zehnjährige Jubiläum von Beat Bolligers zweitem Leben, wie er es nennt.

Vor 40 Jahren wurde der Drogist wegen einer Nierenbeckenentzündung ins Spital eingeliefert. Da bemerkten die Ärzte Zysten auf seinen Nieren. Danach geschah ausser regelmässigen Kontrollen lange Zeit nichts.

Irgendwann hatte der 72-Jährige zunehmend mit Müdigkeit und erhöhtem Blutdruck zu kämpfen. Die Zysten wurden grösser – sein Bauch begann sich zu wölben. «Er sah aus wie dauerschwanger», erinnert sich seine Ehefrau Susanne zurück.

Schlimme Albträume vor der Operation

Als die Nierenfunktion 2009 unter 20 Prozent fiel, war klar: Jetzt braucht er eine neue Niere. Als Drogist hat sich Beat der Naturheilpraktik verschrieben: «Aber es gibt Situationen, da können ‹Chügeli› nichts mehr machen.» Etwa wenn ein Organ versagt.

Susanne Bolliger will ihrem Mann helfen. Sie unterzieht sich mehreren Kontrollen. Diese zeigen: Sie ist eine geeignete Spenderin. Sofort willigt sie ein, Beat eine ihrer Nieren zu geben. Wochen vor der Operation plagt sie aber eine grosse Angst.

Nachts träumt sie wirres Zeug; in ihrer Vorstellung sterben sie und ihr Ehemann immer wieder. «Ich wollte für alle Fälle gewappnet sein. Deshalb hab ich für unsere drei Söhne sogar ein Adressbüchlein für die Beerdigung vorbereitet», erzählt Susanne weiter. Auch die Kinder, zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt, sind beunruhigt – verschweigen es ihren Eltern aber.

Spitalaufenthalt statt Ferien am Meer

Am Tag vor der Operation machen sich die beiden mit ihren Koffern auf den Weg zum Spital. An der Bushaltestelle treffen sie auf Bekannte. Ob sie in die Ferien gingen, werden sie gefragt. Schön wärs. Immerhin: Susannes Angst schwindet allmählich.

Und Beat – der freut sich unglaublich. «Ich konnte es kaum erwarten, bald wieder normal Wasser lassen zu können», raunt er mit seiner tiefen, kratzigen Stimme. Seine kranken Nieren wurden ihm schon einen Monat vor der Transplantation entnommen. Zur Überbrückung musste er dreimal die Woche an die Dialyse.

Frühmorgens ist Susanne an der Reihe. Die Ärzte entnehmen ihr eine Niere – und pflanzen sie zwei Stunden später Beat ein. Das Ehepaar hat darauf bestanden, sich ein Zimmer zu teilen. Als Susanne von der Narkose erwacht, liegt ihr Mann schon vis-à-vis im Bett. Lange Zeit rührt er sich nicht. Irgendwann hebt er eine Hand, winkt ihr zu. Alles ist gut verlaufen.

Unendliche Dankbarkeit für ein zweites Leben

Susanne und Beat erholen sich rasch von der Operation. Sie darf das Spital nach vier Tagen verlassen, er nach sechs. Zu Hause stillsitzen können sie aber nicht lange, nach zwei Wochen stehen sie wieder hinter dem Tresen ihrer gemeinsamen Drogerie. Sie arbeiten noch fünf Jahre – dann gehen sie in Rente.

Seither geniesst das Ehepaar die gemeinsame Zeit umso mehr. Samstags gehen sie gemeinsam auf den Märit in Bern, regelmässig passen sie auf ihren Enkel auf. Zmorge gibts jetzt manchmal erst um halb zehn.

Die 61-Jährige ist kerngesund. Nebenwirkungen von der Transplantation hat sie keine. Beats Immunsystem hingegen ist geschwächt. Die ersten zwei Jahre waren die schlimmsten. Zweimal landet er im Notfall, einmal erwischt ihn eine üble Lungenentzündung.

Die Krankheiten hat er gut überstanden, trotzdem muss er bis an sein Lebensende ein Dutzend Tabletten pro Tag schlucken. Aber was ist das schon, für eine neue Niere? Diese funktioniert so nämlich einwandfrei; Beat fühlt sich fit, ist sogar im Turnverein aktiv. «Das ist ein Geschenk, da kann man nicht Merci sagen. Was Susanne für mich gemacht hat, ist unglaublich», sagt er. Er ringt um Worte, tätschelt liebevoll die Hand seiner Frau und lächelt sie verliebt an.

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