Coronaviren sind eine eigene Gattung von Viren. Die meisten dieser saisonal vorkommenden Viren sind für den Menschen relativ ungefährlich und verantwortlich für leichtere Atemwegsinfektionen. Zu ihnen gehören aber auch berühmte Vertreter wie SARS-CoV-1, dass im Jahr 2003 zu einer Epidemie führte.
«Das Spezielle am aktuell pandemischen Virus SARS-CoV-2 ist, dass es gegen Umwelteinflüsse wie Temperatur, Feuchtigkeit und Sonnenlicht auffallend resistent ist» erklärt Walter Hugentobler, pensionierter Hausarzt und Mitautor der Studie «Seasonality of Respiratory Viral Infections».
Übertragung über die Luft
Das ist denn auch die Krux beim neuen Coronavirus. Durch seine Resistenz gegenüber diesen Einflüssen kann es länger auf Oberflächen halten und in der Luft überleben. Bis Mitte der 80er-Jahre wurde bei Viren, die über die Atemwege aufgenommen werden, die Übertragung über die Luft für den wichtigsten Übertragungsweg gehalten. «Ohne dass gegenteilige wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegen hätten, wurde diese Ansicht revidiert», führt Hugentobler aus.
Die von ihm mitverfasste Studie zeigt nun auf, dass bei anderen Ausbrüchen von durch Coronaviren verursachten Epidemien, beispielsweise der SARS-Epidemie 2003/2004, die Übertragung über die Luft eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte.
«Beweis noch dieses Jahr»
In der aktuellen Pandemie mit dem neuen Coronavirus wurden verschiedene Studien durchgeführt, die darauf hindeuten, dass auch SARS-CoV-2 über die Luft übertragen werden kann. Der Beweis steht allerdings noch aus. Hugentobler sagt dazu: «Das hat vor allem damit zu tun, dass dieser Nachweis im Grenzbereich dessen liegt, was technologisch heute machbar ist. Ich glaube aber, dass dieser Nachweis noch dieses Jahr gelingen wird.»
Die Indizien, die darauf hindeuten, dass die neuen Coronaviren tatsächlich über die Luft übertragen werden können, sowie die Lehren aus vergangenen Epidemien lassen den Schluss zu, dass gerade geschlossene Räume eine Gefahr für eine Ansteckung sind.
Luftfeuchtigkeit essenziell für Übertragung
Walter Hugentobler erklärt: «Im Freien ist eine Ansteckung praktisch ausgeschlossen, wenn die Abstandsregeln eingehalten werden.» Dafür sind ihm zufolge verschiedene Faktoren verantwortlich. «Das hat vor allem damit zu tun, dass die Viren sich in einem unendlich grossen Luftvolumen verteilen können. Ausserdem ist die Luftfeuchtigkeit draussen höher und das Tageslicht inaktiviert die Viren zusätzlich.»
Generell scheint die Luftfeuchtigkeit bei der Übertragung eine wichtige Rolle zu spielen. Vereinfacht gesagt, werden die Viren in winzigen Tropfen eingeschlossen von Kranken abgegeben. Zum Beispiel beim Sprechen, Husten oder Niesen. Wenn die Luftfeuchtigkeit nun hoch ist, also über 60 Prozent, können die Viren ohne weiteres eine Weile überleben.
Inaktiv bei 40 Prozent
Ist es nun zu trocken, das heisst unter 40 Prozent, vertrocknen die Viren. Was sich erst mal gut anhört, erweist sich bei genauerer Betrachtung als fatal. Hugentobler führt aus: «Im trockenen Zustand sind die enthaltenen Viren wie konserviert und bleiben sehr lange infektiös. Werden sie nun von einer anderen Person eingeatmet und in deren Atemwegen wieder befeuchtet, sind die Viren noch ansteckend, und eine Virenübertragung war erfolgreich.»
Interessant sind laut Hugentobler die Werte dazwischen: «Das Faszinierende ist nun, dass die Viren in den «halb-vertrockneten» Tröpfchen bei 40 bis 60 Prozent Luftfeuchtigkeit inaktiviert werden. Die Mechanismen dahinter sind bisher noch nicht bekannt.»
Dieser Frage geht ein interdisziplinäres Forscherteam der ETH, EPFL und der Universität Zürich um Hugentobler nach. Herauszufinden, wie diese komplizierten Mechanismen bei der Verdunstung der Tröpfchen über Inaktivität und Konservierung entscheiden, ist Forschung modernster Prägung.
Social Distancing ist im Moment die Methode der Stunde, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Aber auch ein gutes Immunsystem kann helfen, gesund zu bleiben.
Social Distancing ist im Moment die Methode der Stunde, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Aber auch ein gutes Immunsystem kann helfen, gesund zu bleiben.
Frischluft und regulierte Feuchtigkeit
Hugentobler empfiehlt, geschlossene Räume gut zu belüften. Je trockener die Luft ist, umso länger überleben die Viren und umso länger schweben sie in der Luft. Durch die Frischluftzufuhr wird die Virenkonzentration in der Luft verringert. Ausserdem empfiehlt er in Zeiten von Pandemien die Rückkehr zu Einzelbüros. Daneben sollte natürlich die Luftfeuchtigkeit reguliert werden.
«Der Idealbereich der Luftfeuchtigkeit für unsere Gesundheit und gleichzeitig der schlechteste Bereich für die Erreger von Atemwegserkrankungen, ist der mittlere Feuchtebereich zwischen 40 und 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit. Dieser Feuchtebereich unterstützt die Infektionsabwehr unserer Atemwege und inaktiviert die Viren in den Tröpfchen, die in der Luft schweben», so der Experte.
Diese Erkenntnis könnte dabei helfen, das Risiko für Infektionen in Spitälern zu verringern: «Wenn wir unsere Spitäler im Winter auf 40 bis 60 Prozent befeuchten würden, würde damit nicht nur das Übertragungsrisiko von Atemwegsinfektionen, sondern auch die Belastung durch die Spitalinfektionen zurückgehen.»
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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