Vielsprechende Ergebnisse bei Studie in den USA
Kommt bald die Pille für den Mann?

Verhütung ist grösstenteils immer noch Frauensache. Gerade wenn es um die hormonelle Form geht. Dabei wird seit Jahren an der Pille für den Mann geforscht. Jetzt ist Wissenschaftlern in den USA ein Durchbruch gelungen.
Publiziert: 19.04.2019 um 19:06 Uhr
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Das Kondom ist die meist verwendete Verhütungsform in der Schweiz.
Foto: Keystone

Seit fast 60 Jahren schützt die Antibabypille vor ungewollten Schwangerschaften. Am 18. August 1960 kam die erste Hormonpille in den USA in die Apotheken und macht den Tag somit zu einem Meilenstein der sexuellen Revolution der 60er-Jahre.

Auch hierzulande führte die Antibabypille ihren Siegeszug fort und wurde neben dem Kondom zum zweit meist genutzten Verhütungsmittel. Rund vier von fünf Schweizer im Alter von 15 bis 49 Jahren verhüten beim Geschlechtsverkehr. Davon benutzen mit 37,5 Prozent die meisten ein Präservativ. Bei den hormonellen Verhütungsmitteln liegt die Pille mit 27,2 Prozent deutlich vor der Spirale (14,3 %) oder anderen hormonellen Verhütungsmitteln wie dem Stäbchen oder der Drei-Monats-Spritze.

Hormonelle Verhütungsmittel gibt es nur für die Frau

Was die hormonellen Verhütungsmittel indes alle gemein haben: Bis anhin existierten diese nur für die Frau. Dabei wird seit Jahren an einer Alternative für den Mann geforscht. Es gab und gibt schon seit langer Zeit Möglichkeiten für die Herren der Schöpfung. Aber wenn man es sich genauer überlegt, bleibt neben dem Kondom und der Vasektomie nicht mehr viel übrig. Vielleicht noch Coitus interruptus.

Dass sich die Pharmaindustrie weigert, ein Medikament für den Mann auf den Markt zu bringen, wäre aber der falsche Schluss. Es ist medizinische gesehen einfacher, den Zyklus der Frau zu beeinflussen. Die Produktion von Spermien ist deutlich robuster als der Prozess der Eizellreifung wie Eberhard Nieschlag, emeritierter Professor für Reproduktionsmedizin in Münster und Spezialist für männliche Verhütung in der «Zeit» erklärt. Weiter führt er aus: «Das sieht man schon an den Zahlen. Männer produzieren viele Millionen Spermien jeden Tag, bei Frauen springt eine Eizelle alle 28 Tage.»

Bei der Entwicklung für männliche Verhütungsmittel schwingt aber auch immer eine diffuse Angst mit: Die Furcht, die männliche Potenz oder zumindest die Libido könnte gestört werden. In den 70er Jahren gründete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Male Task Force. Konsens bei den Experten: Verhütungsmittel dürfen die männliche Sexualität nicht beeinflussen. Das zu einer Zeit notabene, wo gerade entdeckt wurde, dass die Pille die Libido bei Frauen beeinträchtigen kann.

Hormonspritze gescheitert

Interessanterweise gab es schon einen vielversprechenden Ansatz, die hormonelle Verhütung beim Mann mit einer Spritze zu etablieren. Die Studie, an der 320 Personen in zehn Kliniken auf der ganzen Welt teilnahmen, wurde aber von der WHO wegen Sicherheitsbedenken gestoppt. Die Probanden klagten über Nebenwirkungen wie Akne, Schmerzen an der Einstichstelle, Veränderungen der Libido oder Stimmungsveränderungen. Unzumutbar, wie die WHO befand. Absurd dabei: Das Arzneimittel-Kompendium listet bei der Antibabypille für die Frau «Belara» als häufigste Nebenwirkung Akne und Depressionen und als gelegentliche Abnahme der Libido auf. Was Frauen also seit der Erfindung der Antibaby-Pille durchleben müssen, ist laut der WHO für Männer offenbar unzumutbar.

Die Studie der Hormon-Spritze für Männer wurde schlussendlich wegen einem schweren Fall von Depression abgebrochen, der vermutlich auf die Hormone zurück zuführen war. Abgesehen von den Nebenwirkungen zeigte die Methode aber Wirkung. Bei 95 Prozent der Männer konnte die Spermienkonzentration soweit reduziert werden, dass sie für eine Befruchtung nicht mehr ausreichte. Und auch die meisten Probanden zeigten sich mit der Methode zufrieden und hätten auch nach Studienabschluss weiter mit der Spritze verhütet.

Neue Studie macht Hoffnung

Der Fehlschlag dieser Methode hat die Forschung zur männlichen Verhütung nicht zum Stillstand gebracht. Die «Endocrine Society» berichtete Ende März von einer vielversprechenden Antibabypille, die sich in einer ersten Studie am Menschen als sicher und nebenwirkungsarm erwies.

Das Verhütungsmittel mit dem komplizierten Namen 11-beta-Methyl-19-nortestosteron-Dodecylcarbonat, kurz 11-beta-MNTDC, vereint scheinbar zwei hormonelle Aktivitäten. Zum einen verringert es die Spermienproduktion, zum anderen bewahrt es dabei aber die Libido.

Schwere Nebenwirkungen waren keine zu beobachten. Von den 40 Teilnehmern traten bei lediglich vier bis sechs milde Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Akne oder Kopfschmerzen auf. Fünf der Probanden berichteten über leicht verminderten Sexualtrieb und zwei beschrieben eine leichte erektile Dysfunktion. Die sexuelle Aktivität wurde dadurch aber nicht verringert. Je nach Dosis war eine Gewichtszunahme zu beobachten.

Für abschliessende Ergebnisse müssen jedoch weitere Studien durchgeführt werden. Vor allem die Dauer von 28 Tagen erwies sich als zu kurz, braucht das Medikament doch 60 bis 90 Tage um eine optimale Spermienunterdrückung zu erzielen. Christina Wang vom Los Angeles Biomed Research Institute geht davon aus, dass es noch etwa zehn Jahre dauern wird, bis eine sichere, reversible hormonelle männliche Verhütung zur Verfügung steht.

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Thinkstock

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Die Hälfte würde sie nehmen

Die finale Frage, die sich stellt: Würden Männer eine solche Pille überhaupt nehmen? Und würden Frauen den Männern vertrauen, die behaupten sie würden verhüten? In den letzten 15 Jahren wurden verschiedene Umfragen dazu durchgeführt. Die «Parsemus Foundation» hat viele davon ausgewertet und kam zum Schluss: Etwa die Hälfte der befragten Männer gab an, eine solche Pille verwenden zu wollen und eine überwältigende Mehrheit (72 Prozent) der Frauen würde den Männern vertrauen.

Eberhard Nieschlag erklärte in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie: «Die Forschung hat gezeigt, dass sowohl Männer als auch deren Partnerinnen bereit sind, neuartige Methoden inklusive hormoneller männlicher Kontrazeption anzuwenden, sofern sie wirksam, reversibel und gut verträglich sind».

Die Antibabypille für den Mann würde also auf gesellschaftliche Akzeptanz stossen. Jetzt muss sie nur noch auf den Markt gebracht werden. (lum)

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