Josua Schütz
Auf der Suche nach dem Zauberpilz

Der selbständige Unternehmer Josua Schütz gönnt sich einmal im Jahr einen Pilzrausch. Wir haben ihn in den Berner Jura begleitet.
Publiziert: 14.10.2018 um 21:10 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2018 um 14:55 Uhr
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Josua Schütz bei der Suche.
Foto: Siggi Bucher
Tobias Marti (Text) und Siggi Bucher (Bilder)

Pilze machen drei Mal glücklich: beim Suchen, beim Finden und beim Essen. Josua Schütz findet den Spruch in einem Fall besonders treffend – nämlich dann, wenn der Spitzkegelige Kahlkopf gemeint ist. Denn dieser ist durchaus etwas Besonderes. Deswegen kniet Schütz gerade neben einem Kuhfladen und sucht den Boden ab. Das Schwämmchen spriesst überall in Europa. Kurz hinter Tramelan, auf den Wiesen des Berner Juras, wächst er zahlreich, dieser Zauberpilz. Nach ihm sucht der grosse, sportliche 40-Jährige, der mittlerweile aufgestanden ist und über einen Stacheldrahtzaun zur nächsten Weide klettert. Es gibt das Klischee der verpeilten Kiffer und der liebenswürdigen Hippies, die magischen Pilzen nachsteigen.

Und dann gibt es die Ruhelosen, die Zauberpilze als Hilfsmittel zum Entschleunigen brauchen. So wie er gerade über die Wiese trabt – federnd, leicht gebückt, die Gräser streichelnd –, um noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang einen Spitzkegeligen Kahlkopf präsentieren zu können, gehört Josua Schütz eindeutig zur zweiten Sorte. Schaut er einem in die Augen, blinzelt er wenig: «Ich will fokussiert, hellwach und gesund sein im Leben.» Alkohol trinkt er kaum. Keine Zigaretten, keine Joints. Mit 18 gründete der Berner seine erste Firma, eine Informatikschule. Daraus wurde Online-Marketing; und irgendwann lief der Laden so gut, dass er zehn Angestellte hatte. «Bis ich merkte, dass mir das Chefsein gar nicht gefällt.» Er rüstete ab. Selbständiger Unternehmer ist er geblieben, zu seinen Kunden gehören auch Grossbanken. Er habe beruflich wie privat ein glückliches und erfolgreiches Leben, sagt der Vater zweier Kinder.

Einmal im Jahr die Lebensqualität steigern

Darum will er Aufklärungsarbeit leisten, den Ruf von Pilzen und deren Konsumenten verbessern, damit sich die Öffentlichkeit weniger vor dem Naturheilmittel fürchtet. Seit über zwanzig Jahren, einmal pro Jahr im Herbst, steigere er damit seine Lebensqualität. Auf verschiedenen Ebenen, er erkenne Zusammenhänge, Verhalten, Muster, Stärken, Fähigkeiten ... Auch gelange er zu mehr Verständnis für andere Menschen. Die Liste ginge noch weiter. Kurz: Wer sich im Hamsterrad der Gesellschaft verloren habe, sehne sich nach einer Aussensicht. «Pilze können diese liefern.»

Doch zuerst müsste man die Dinger finden. So klein wie ein Daumennagel ist das Objekt der Begierde. Hier passt der Kegel nicht, dort ist der Stiel nicht krumm genug, verwirrend viele Pilze gleichen sich. Auf allen vieren werden Feld, Wald, Wiese untersucht. Vorne kauern die Pilzler, im Hintergrund radelt eine Familie heimwärts, zwei Reiter galoppieren vorbei. Sachen, die man im Jura eben so treibt. «Wenn der erste gefunden und gegessen ist, zeigen sich die anderen», sagt Josua Schütz. Und dann ist es tatsächlich so weit. Ein einsamer Kahlkopf reckt seinen spitzen Kegel in die Höhe. Man könnte ihn jetzt pflücken und in den Mund stecken. «Er würde nussig schmecken.» Zauberpilze fallen unter das Betäubungsmittelgesetz, wer sie sammelt und konsumiert, macht sich strafbar. Es bleibt beim Anschauen.

Ein Trip zurück in eine kindliche Welt

Von September bis November wachsen diese magischen Pilze. «Es gibt kein Argument dagegen, in die Zauberkiste zu greifen, die der liebe Gott bereithält», sagt Schütz. Er wählt dafür ein Wochenende unter Freunden, mit Caquelon und Musik, Wandern und Schlafen im Freien. Wichtig ist, dass die Umstände stimmen, denn die Wirkung habe viel mit dem Setting zu tun. «Am besten tut man es mit den engsten Freunden.» Zehn Zauberpilze erzeugen eine leichte Wirkung, zwanzig eine bessere, achtzig einen starken Rausch, so seine Erfahrung. Die Wirkung der halluzinogenen Substanz Psilocybin ähnelt der Droge LSD, Farben und Formen ändern sich. «Es rücken Themen in den Vordergrund, die man verdrängt hat. Es wird aufgegriffen, was im Unterbewusstsein schlummert.» Im Leben lege man sich Filter auf, und diese würden mit Zauberpilzen für ein paar Stunden beiseitegelegt. «Man ist zurück in einer kindlichen Welt.» Solche Momente sieht er als Wegweiser, und die versucht er über den Trip hinaus mitzunehmen.

Studien kommen zum Schluss, dass Zauberpilze weder abhängig machen noch der Gesundheit schaden. Risiken gibt es trotzdem. Etwa kann man sie mit Pilzen verwechseln, die zu Vergiftungen führen können. Psilocybin kann bei unsachgemässem Konsum Horrorvisionen und Angstzustände auslösen. Einmal hat Schütz einen leichten Horrortrip bewusst herbeigeführt, indem er trotz Unwohlsein konsumierte. Wer sich für Zauberpilze interessiere, solle sich damit auseinandersetzen, findet er. Empfehlen könne er nichts, zur Nachahmung will er niemanden anstiften. Und dann sieht er einen weiteren Kahlkopf im Gras. Suchen, finden, essen. Er bückt sich freudig zum Schwamm runter. «Ich brauche keine Pilze, um glücklich zu sein.»

Kasten Schütz Pilze

In der Schweiz fällt Psilocybin unter das Betäubungsmittel-gesetz.Der Konsum, der Handel, die Lagerung und die Aufzucht sind verboten. Pilz-kontrolleure
sind verpflichtet, Zauberpilze der Sammler einzuziehen und zu zerstören. Bis 2001 ein erstes Urteil gefällt wurde, wurden solche Pilze in der Schweiz ganz offiziell gehandelt. Die berauschenden Pilze waren nicht im Betäubungsmittel-, sondern im Lebensmittelgesetz gelistet. Weitere Infos über Suchtmittel: www.eve-rave.ch

In der Schweiz fällt Psilocybin unter das Betäubungsmittel-gesetz.Der Konsum, der Handel, die Lagerung und die Aufzucht sind verboten. Pilz-kontrolleure
sind verpflichtet, Zauberpilze der Sammler einzuziehen und zu zerstören. Bis 2001 ein erstes Urteil gefällt wurde, wurden solche Pilze in der Schweiz ganz offiziell gehandelt. Die berauschenden Pilze waren nicht im Betäubungsmittel-, sondern im Lebensmittelgesetz gelistet. Weitere Infos über Suchtmittel: www.eve-rave.ch

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