Schwerhörigkeit nimmt zu
Kopfhörer gefährden die Hälfte aller Jungen

Immer jüngere Menschen leiden laut der Weltgesundheitsorganisation an lärmbedingten Hörschäden. Das fällt besonders während der Corona-Pandemie auf. Experten erklären, wie es dazu kommt und wie man sich schützen kann.
Publiziert: 09.05.2021 um 11:23 Uhr
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Aktualisiert: 10.05.2021 um 10:32 Uhr
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Laut WHO gefährden über eine Milliarde Jugendliche und junge Erwachsene ihr Gehör mit zu lauter Musik.
Foto: Shutterstock
Jennifer Bürgin

Diese Ruhe im Homeoffice! Weder das Quietschen des einfahrenden Zugs beim Pendeln noch die Gespräche der Kollegen im Grossraumbüro belasten unsere Ohren. Doch die wirkliche Gefahr stecken wir uns freiwillig in die Ohren – Kopfhörer.

Vielen ist nicht bewusst, wie laut sie über ihre Kopfhörer Musik abspielen. Laut Fabian Heeg, Hörakustikmeister bei Neuroth, sind besonders In-Ear-Kopfhörer ein Problem, die in der Ohrmuschel liegen und den Schall direkt ins Innenohr leiten. Dazu komme, dass In-Ear-Kopfhörer weniger Schalldicht seien als andere Kopfhörerarten, sagt Adrian Dalbert, Oberarzt der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie des Universitätsspitals Zürich. «Da mehr Umgebungsgeräusche durchdringen, tendieren viele dazu, die Lautstärke zu erhöhen.»

Musik über In-Ear-Kopfhörer erreicht oft Spitzen bis 110 dB – so laut wie eine Kettensäge! Das Gehör gefährdet man ab einer gewissen Dauer schon bei 85 Dezibel. Hört man Musik mit einer Lautstärke von rund 105 Dezibel, liegt das maximal verträgliche Pensum bei lediglich 18 Minuten pro Woche, so Fabian Heeg. Auch stundenlange, laute Videokonferenzen können das Gehör schädigen. Die Folgen: Die feinen Haarzellen im Innenohr knicken wie Streichhölzer und sterben ab. Dadurch wird das Hören dumpf, und es wird schwierig, andere zu verstehen. Häufig tritt auch ein Tinnitus auf, sogenanntes Ohrensausen. Zwar gibt es sowohl für Tinnitus als auch für Hörminderungen Behandlungsmöglichkeiten, gänzlich heilbar sind beide Beschwerden jedoch nicht.

Eine Generation von Hörgeschädigten?

Da immer mehr Leute auf der Welt über Kopfhörer und Musikgeräte verfügen, treten Hörschädigungen bei immer jüngeren Menschen auf. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt mehr als eine Milliarde Jugendlicher und junger Erwachsener als gefährdet ein, weil sie zu laut Musik hören – das sind rund 50 Prozent. Damit verschlimmert sich eine Problematik, welche die Welt ohnehin beschäftigen wird. Laut WHO wird wohl bis 2050 bereits jeder vierte Mensch schlecht hören. Den grössten Einfluss auf diese Prognose hat die Tatsache, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und dadurch Altersschwerhörigkeit häufiger vorkommt. Doch auch Lärm im Strassenverkehr oder in der Industrie führen nicht nur zu Hörschädigungen, sondern ab einer gewissen Dauer auch zu mehr Stress, Schlafstörungen und einem erhöhten Herzinfarktrisiko.

Die Corona-Pandemie ermöglicht es uns, unser Gehör auf eine neue Art wahrzunehmen. Zum einen, weil man sich nach den Monaten Isolation zuerst wieder an die Reizüberflutung der Welt gewöhnen muss. Zum anderen, so Fabian Heeg, weil wir unseren Hörsinn deutlich besser zu schätzen gelernt haben. «Andere Menschen zu treffen, ist nicht mehr selbstverständlich. Wenn wir uns dann mal austauschen können, möchten wir das Gegenüber umso besser verstehen. Da fällt es eher auf, wenn das Gehör schlechter geworden ist.» Adrian Dalbert fügt hinzu, dass während der Pandemie auch das Lippenlesen Schwierigkeiten bereitet – wegen der Masken und weil man häufiger telefoniert statt sich zu sehen. Das stellt Menschen mit einer Höreinschränkung vermehrt vor Probleme.

Doch wie verhindert man Hörschäden? Laut Heeg kann man beim Kopfhörertragen unter anderem darauf achten, 85 dB nicht zu überschreiten. Das geht zum Beispiel mit einem dB-Messer, den man sich als App herunterlädt. Zudem sei es wichtig, dem Gehör regelmässig einige Minuten Pause zu gönnen – auch im Büro oder im Homeoffice. Falls der Lärm sich nicht einfach abstellen lässt, kann auch ein individueller Gehörschutz getragen werden. Für jeden Bedarf gibt es spezielle Lösungen, die je nach Frequenz Umgebungsgeräusche rausfiltern und zum Beispiel Gespräche und Warnsignale trotzdem hindurchlassen. Wer sich scheut, am Bahngleis einen Pamir zu tragen, der kann beruhigt sein: Mittlerweile sind solche Filter so klein, dass sie fast nicht auffallen. Auch die regelmässige Kontrolle gehört zum Schutz des Gehörs. Dalbert warnt davor, erst zu handeln, wenn man merklich schlechter hört. «Lärmschädigung des Gehörs ist meist ein schleichender Prozess. Häufig ist dieser schon im Gang, bevor man das aktiv merkt.» Ein regelmässiger Hörtest beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder beim Hörakustiker ist also wichtig, wenn man seinem Gehör Sorge tragen möchte.

So schützen Sie Ihre Ohren
  • Drehen Sie die Lautstärke runter. Je leiser die Musik oder Telefonkonferenz, desto besser für das Gehör.

  • Tragen Sie dichtere Kopfhörer. Bei schalldichten Kopfhörern bringt ein tieferer Schallpegel schon das gewünschte Erlebnis, ohne das Gehör zu gefährden.

  • Machen Sie Pausen. Ab und zu mal die Kopfhörer abzusetzen, tut nicht nur Ihren Ohren gut, sondern senkt auch Stress.

  • Schützen Sie Ihr Gehör bei länger anhaltendem Lärm. Die Suva empfiehlt einen Gehörschutz ab einem längeren Lärmpegel von 85 dB. Das gilt bald auch wieder für Clubs und Konzerte.

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Das hilft gegen Ohrenschmerzen

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