Ostern ohne Eier? Undenkbar! In diesen Wochen kurz nach Frühlingsbeginn haben sie Hochkonjunktur. Kaum ein Tisch, auf dem keine gefärbten oder bunt verzierten Eier stehen. Schweizer lieben sie – und das nicht zu knapp: Jährlich verspeisen wir rund 1,5 Milliarden. Und zwar eine Milliarde als Speise-Eier, den Rest verarbeitet in Teigwaren oder anderen Lebensmitteln. Im Schnitt isst ein Schweizer jeden zweiten Tag ein Ei.
Kein Wunder, denkt der Laie, sei der Cholesterinspiegel bei der Schweizer Bevölkerung eher hoch, wie Professor Nicolas Rodondi, Chefarzt in der Medizinischen Poliklinik und der Cholesterinsprechstunde am Inselspital Bern, sagt. Tatsächlich enthalten Eier grosse Mengen an Cholesterin. «Deshalb», sagt Rodondi, «glaubte man lange Zeit, dass Eier schlecht für den Cholesterinspiegel seien.» Das Gerücht hält sich hartnäckig, auch wenn es seit ein paar Jahren widerlegt ist.
«Zwar hat die Ernährung tatsächlich einen Einfluss auf den Cholesterinspiegel», sagt der Experte. Doch seien es nicht Eier, die den Wert vor allem des schlechten LDL-Cholesterins hochtreiben, sondern Schlemmerorgien mit viel fettem Fleisch, Milchprodukten oder Süssigkeiten. «Bei Produkten mit einem hohen Anteil an gesättigten Fett- und Transfettsäuren sollte man vorsichtig sein», sagt Rodondi und stellt in diesem Zusammenhang vor allem Palmöl an den Pranger. «Ein Wundermittel für die Industrie, aber ein Teufelszeug für die Patienten.»
Palmöl ist aufgrund seiner guten Hitze- und Oxidationsstabilität sowie der kostengünstigen Herstellung ein sehr beliebter Rohstoff in der Lebensmittelindustrie. Nach Angaben von «Brot für die Welt» hat sich die globale Produktion von Palmöl in den vergangenen dreissig Jahren verzehnfacht. Da sich dieses Palmöl in ganz unterschiedlichen Lebensmitteln wie zum Beispiel Margarine, Schokoladencreme, Backwaren, Fertigpizza oder selbst Glacé versteckt, kann der Konsument ihm fast nicht aus dem Weg gehen.
Immerhin: Seit 2014 muss Palmöl europaweit – also auch in der Schweiz – als solches deklariert sein und darf sich nicht mehr hinter der Bezeichnung Pflanzenöl verstecken.
Cholesterinsenker sind die umsatzstärkste Medikamente
Gesünder ist es deswegen aber nicht. Zu viel des schlechten LDL-Cholesterins im Blut ist einer der Hauptrisikofaktoren für Arteriosklerose, also Arterienverkalkung, mit all seinen Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Hirnschlag. Kein Wunder sind Lipidsenker, also Medikamente gegen zu hohe Cholesterinwerte, die Goldesel der Pharmaindustrie. Seit Jahren zählen die sogenannten Statine zu den umsatzstärksten Medikamenten in der Schweiz, aber auch weltweit.
Rodondi plädiert für einen massvollen Umgang mit diesen Medikamenten: «Man weiss heute, dass das Gesamtrisiko, also die Summe aller Risikofaktoren, von Bedeutung ist und eine leichte Erhöhung des LDL-Cholesterins kein alleiniger Therapiegrund ist.»
Für Hochrisiko-Patienten – also solche, die bereits kardiovaskuläre Ereignisse hatten – und für die geschätzten 10 bis 20 Prozent der Patienten, die Statine nicht tolerieren oder damit die hohen Blutfettwerte nicht in den Griff bekommen, steht in Kürze auch in der Schweiz eine Alternative zur Verfügung: eine Spritze alle zwei Wochen, die sich der Patient selber verabreicht, die aber pro Jahr mit geschätzten 15'000 Franken Behandlungskosten zu Buche schlagen wird.
Bevor das Cholesterin medikamentös bekämpft wird, empfiehlt der 44-jährige Fachmann zuerst eine Anpassung des Lebensstils: abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, sich mehr bewegen und ab 35 Jahren eine regelmässige Kontrolle der Cholesterinwerte. Und zwar des Gesamtcholesterins, also des HDL- und des LDL-Cholesterins. «Ein Verzicht auf Eier gehört aber definitiv nicht zu den Massnahmen», sagt Rodondi.
Vor allem der Dotter enthält viele Nährstoffe
Im Gegenteil: Eier sind ein sehr hochwertiges Lebensmittel. In den durchschnittlich fünfzig Gramm eines Hühnereis steckt fast alles, was der Körper braucht. Das ist nicht weiter verwunderlich, schliesslich soll das Ei ein heranwachsendes Lebewesen ernähren.
Besonders den Dotter versorgte die Natur reichlich mit Nährstoffen. Zwar enthalten sie kein Vitamin C, dafür ganz viele andere wertvolle Vitamine und Mineralstoffe. Zum Beispiel verschiedene B-Vitamine, insbesondere Lutein und Zeaxanthin. Diese beiden Substanzen stärken die Augen und können Makuladegeneration, die häufigste Ursache für Erblindung bei Menschen über 50 Jahren, ebenso wie den grauen Star verhindern oder verzögern.
Auch für Schwangere sind Eier wichtig, denn sie versorgen sie mit Folsäure und Cholin, das zur Gehirnbildung des heranwachsenden Fötus beiträgt. Selbst das lebenswichtige Vitamin D ist in Eiern reichlich vorhanden. «Sie sind ganz hervorragende Eiweisslieferanten», sagt Harald Seitz vom deutschen Aid-Infodienst Ernährung. Das Eiweiss oder Protein aus dem Ei besitze exakt die Zusammensetzung, die der menschliche Körper optimal verwerten und deshalb sehr einfach in körpereigenes Eiweiss umwandeln kann. Also nichts wie ran an die Ostereier.