Immunsystem überlistet
Ein langfristiger Impfschutz gegen die Grippe ist in Sicht

Jedes Jahr ein neuer Pieks gegen die Grippe. Warum die Impfung nicht so lange anhält wie andere und mit welchen Tricks Forscher das ändern wollen.
Publiziert: 02.12.2019 um 14:42 Uhr
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Forschungsergebnisse aus den USA deuten darauf hin, dass das jährliche Auffrischen der Grippeimpfung bald der Vergangenheit angehören könnte.
Foto: Shutterstock
Cornelia Eisenach @higgsmag

Eine Impfung kann vor Grippe schützen. Im Gegensatz zu anderen Impfungen muss man sie aber jedes Jahr im Oktober oder November auffrischen. Denn die Impfstoffe wirken nur gegen wenige der vielen verschiedenen Grippeviren. Ihre genaue Zusammensetzung legen Gesundheitsexperten jeden Winter aufs Neue fest – je nachdem, welche Viren-Stämme uns in der nächsten Saison am wahrscheinlichsten heimsuchen werden. Zirkuliert doch ein anderer Stamm als der vorhergesagte, schütz die Impfung nicht. Doch warum gibt es keinen Impfstoff, der gegen alle Grippeviren gleichermassen wirkt?

Die Grippe-Impfstoffe enthalten Antikörper gegen ein Eiweiss auf der Oberfläche der Grippeviren: Hämagglutinin. «Das Problem ist, dass wir es dabei mit einem beweglichen Ziel zu tun haben», sagt Christoph Berger vom Kinderspital Zürich und Leiter der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF). Das Hämagglutinin ist aufgebaut wie ein Pilz, mit einem Stiel und einem Kopf. Die Antikörper erkennen vor allem den Kopf, doch dieser unterscheidet sich von Virus zu Virus stark. Daher passt der Antikörper immer nur auf ein bestimmtes Virus.

Schon lange suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deswegen nach einem Ziel für Antikörper, das bei allen Grippeviren gleich oder sehr ähnlich ist. Ein solches Ziel ist der Stiel des Hämagglutinins. Könnte man Menschen also einfach das Stiel-Eiweiss spritzen und sie Antikörper dagegen bilden lassen? So einfach ist es nicht, sagt Berger: «Unser Körper bildet zu wenige Antikörper gegen diesen Stiel und diese binden ihn auch zu wenig eng.» Das heisst, wenn der Stiel ein Schlüssel ist, dann passt er schlecht in das Antikörper-Schloss.

Immunsystem überlistet

Ein Forscherteam aus den USA hat vor Kurzem einen Erfolg vermeldet in dem Bestreben, den Körper zu überlisten. In einer ersten klinischen Studie mit 65 Probanden haben sie das Immunsystem dazu gebracht, ausreichend und gut passende Antikörper gegen den Hämagglutinin-Stiel zu bilden. Die Studie wurde im Fachjournal The Lancet Infectious Disease veröffentlicht.

Gelungen ist der Trick durch zwei Impfungen, die im Abstand von 85 Tagen erfolgten. Sie enthielten Hämagglutinin-Eiweisse, die die Forschenden nach dem Baukastenprinzip aus Kopf und Stiel sehr unterschiedlicher Viren zusammengesetzt hatten. Die erste Impfung enthielt den Stiel des häufigen H1-Stamms des Grippevirus, aber den Kopf eines Virus, das normalerweise nur Vögel befällt. Daher regte nicht der Kopf, sondern der Stiel die Antikörperproduktion an. Die zweite Impfung enthielt abermals den gleichen Stiel aber einen völlig anderen Kopf. «Wenn man das macht, so erkennen die Antikörper den Stiel mit der Zeit immer besser», sagt Berger.

Es ist also prinzipiell möglich, dass wir nach einer Impfung Antikörper bilden, die viele verschiedene Grippeviren gleichzeitig erkennen. Nur muss die Impfung speziell konzipiert sein. Das zeigt die Studie. Nun gilt es, diesen Ansatz und die Sicherheit der Impfung in weiteren klinischen Versuchen mit vielen tausenden Versuchspersonen zu testen. Zum Beispiel muss noch erwiesen werden, dass die Antikörper im Blut auch tatsächlich vor einer Grippe-Infektion schützen.

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